Die Presse

Blinken sucht Friedensar­chitektur für Nahost

Die Gespräche über eine Waffenruhe ziehen sich hin. US-Außenminis­ter Blinken verhandelt in Saudiarabi­en und Ägypten über eine Lösung für die Region. Die Lage in Gaza bringt auch die Herrscher in Riad und Kairo unter Druck.

- VON WIELAND SCHNEIDER

Israels Militär verbreitet Erfolgsmel­dungen. Mehr als 50 Kämpfer der Terrororga­nisation Hamas seien auf dem Gelände des al-Shifa-Spitals im Gazastreif­en getötet worden, sagte ein Armeesprec­her am Dienstag. Auch der hochrangig­e Hamas-Führer Faiq alMabhouh sei dabei ausgeschal­tet worden. Israels Premier, Benjamin Netanjahu, hat versproche­n, die Hamas zu zerschlage­n und die in den Gazastreif­en verschlepp­ten Geiseln zu befreien. Nach mehr als fünf Monaten Krieg erwartet die Bevölkerun­g nun Ergebnisse.

Zugleich wächst der internatio­nale Druck auf Israels Regierung. Hilfsorgan­isationen warnen vor einer Hungersnot in Gaza. Der UNHochkomm­issar für Menschenre­chte, Volker Türk, ermahnte am Dienstag erneut Israel: Der „Einsatz von Hunger als Kriegsmeth­ode“stelle ein Kriegsverb­rechen dar. Und auch immer mehr befreundet­e Staaten drängen Netanjahu, auf einen Vorstoß auf die mit Flüchtling­en überfüllte Stadt Rafah zu verzichten. Doch die Verhandlun­gen mit der Hamas über eine Waffenruhe und die Freilassun­g der Geiseln ziehen sich hin.

Fahrplan für Palästinen­serstaat

In dieser heiklen Situation werfen die USA ihr politische­s Gewicht in die Waagschale: Zum sechsten Mal reist US-Außenminis­ter Antony Blinken in die Region, wo er unter anderen mit hohen Vertretern Saudiarabi­ens und Ägyptens zusammentr­effen will. Beide Staaten sind grundsätzl­ich an guten Beziehunge­n zu Israel interessie­rt. Doch der Terrorüber­fall der Hamas am 7. Oktober und Israels militärisc­he Reaktion haben alles verändert.

„Kurz vor dem 7. Oktober waren wir schon sehr nahe an einem Abkommen mit Israel“, schildert der einflussre­iche saudische Analyst Abdulaziz O. Sager. Im Zuge der Abraham-Abkommen haben Länder wie die Vereinigte­n Arabischen Emirate und Bahrain ihre Beziehunge­n zu Israel normalisie­rt. Hinter den Kulissen sollten intensive Gespräche dazu führen, dass auch Saudiarabi­en diesem Weg folgt. Damit ist es aber vorläufig vorbei. Die Lage in Gaza sei für einen Ausgleich mit Israel „nicht hilfreich“, bekräftigt Sager. Die saudischen Forderunge­n sind klar: ein Ende der Kämpfe in Gaza und voller Zugang für Hilfsorgan­isationen. Zugleich müsse die Hamas die aus Israel verschlepp­ten Geiseln freilassen. Zudem verlangen die Saudis einen klaren Fahrplan zur Schaffung eines Palästinen­serstaates – etwas, das vor allem die rechten Kräfte in Israels Regierung seit dem Terrorüber­fall vom 7. Oktober noch vehementer ablehnen als zuvor.

Bei den Gesprächen in der Stadt Jeddah will Blinken am Mittwoch mit den saudischen Verbündete­n auch über die Zeit nach dem GazaKrieg sprechen – über „die richtige Architektu­r für einen anhaltende­n regionalen Frieden“, wie er ankündigte. Eine Aussöhnung der wichtigen Golfmonarc­hie Saudiarabi­en mit Israel ist auch im strategisc­hen Interesse der USA, die bereits unter Präsident Donald Trump die Initiative zu den Abraham-Abkommen gestartet haben. Der Hamas ist es mit ihrem Überfall auf Israel vorerst gelungen, das zu hintertrei­ben. Denn ohne ein Ende des massiven Leids der Menschen im Gazastreif­en – und ohne politische Zukunftspe­rspektive für die Palästinen­ser – kann es sich die saudische Führung auch innenpolit­isch nicht leisten, weiter auf Israel zuzugehen.

Nach dem Besuch in Saudiarabi­en ist der US-Außenminis­ter zu

Gast in Ägypten. Mit seiner Grenze zum Gazastreif­en spielt das Land eine wichtige Rolle bei der Umsetzung jeder politische­n Lösung für das Gebiet – und vor allem auch bei der Versorgung der Menschen in Gaza. Ägypten hat einen Friedensve­rtrag mit Israel. Machthaber Abdel Fatah al-Sisi sieht in der Hamas ebenfalls einen Feind und hat in der Vergangenh­eit mit Israel bei der Abriegelun­g des Gazastreif­ens kooperiert. Das humanitäre Fiasko in dem Gebiet setzt nun aber auch Sisi unter Druck. In der ägyptische­n Bevölkerun­g gibt es Solidaritä­t mit den leidenden Palästinen­sern. Zudem will die Regierung in Kairo vermeiden, dass Hunderttau­sende Menschen aus dem Gazastreif­en versuchen, nach Ägypten zu fliehen. Das könnte drohen, falls Israels Armee doch noch auf Rafah marschiere­n sollte.

Einfluss auf Israel und Araber

In der Grenzstadt im Süden des Gazastreif­ens haben nicht nur mehr als eine Million Zivilisten Schutz gesucht. Hier vermutet Israel auch die letzten Rückzugsba­sen der Hamas. Premier Netanjahu stellte nun in einem Krisentele­fonat mit USPräsiden­t Joe Biden erneut klar: Um die Terrororga­nisation zu vernichten, führe langfristi­g kein Weg an einer Bodenoffen­sive in Rafah vorbei. Doch das versuchen die USA – zumindest vorerst – mit Verhandlun­gen abzuwenden. Und sie sind auch die Einzigen, die sowohl auf Israel als auch die meisten arabischen Staaten Einfluss haben.

 ?? Hockstein/Reuters] [Evelyn ?? US-Außenminis­ter Antony Blinken bei einem Besuch in Saudiarabi­en im Jänner. Jetzt führt ihn seine Vermittlun­gstour erneut in die Golfmonarc­hie.
Hockstein/Reuters] [Evelyn US-Außenminis­ter Antony Blinken bei einem Besuch in Saudiarabi­en im Jänner. Jetzt führt ihn seine Vermittlun­gstour erneut in die Golfmonarc­hie.

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