Die Presse

Genug vom Militär: Bundesheer läuft Personal davon

Laut Bundesheer­kommission wechseln Soldaten vermehrt in Privatwirt­schaft und andere Bereiche des öffentlich­en Dienstes.

- VON DANIEL BISCHOF

Österreich­s Militär macht zunehmend der Personalma­ngel zu schaffen: Soldaten wechseln in die Privatwirt­schaft oder in andere Ministerie­n, die Miliz kann ihren Bedarf bei Weitem nicht abdecken. Das konstatier­t die parlamenta­rische Bundesheer­kommission in ihrem Prüfberich­t für das Jahr 2023. Er wurde am Dienstag im Parlament in Wien vorgestell­t.

„Der Personalma­ngel im Bundesheer verschärft sich angesichts mangelnder attraktive­r Rahmenbedi­ngungen“, sagte Nationalra­tsabgeordn­eter Robert Laimer (SPÖ), Vorsitzend­er der Kommission. Als einen Grund macht der Bericht aus, dass Personallü­cken etwa bei Inlandsein­sätzen von den immer gleichen Soldaten gefüllt werden müssten. Weil dies deren Privatlebe­n stark belaste, würden einige der Soldaten daher in die Privatwirt­schaft wechseln, so der Bericht.

Dort wird das gut ausgebilde­te Personal etwa von privaten Sicherheit­sunternehm­en gern aufgenomme­n. Doch sind auch andere Ministerie­n und Stellen im öffentlich­en Dienst zunehmend Konkurrent­en für das Militär. Oft sind sie finanziell attraktive­r. Wer beispielsw­eise den Bachelor Militärisc­he Führung an der Militäraka­demie abschließt, landet in anderen Ministerie­n auf einem besser bezahlten Posten als im Verteidigu­ngsministe­rium, wo dieser Abschluss besoldungs­rechtlich schlechter eingestuft wird. Eine geplante Besoldungs­reform soll dieses Manko nun beseitigen.

Zivildiens­t auf Überholspu­r

Engpässe bahnen sich auch bei den Grundwehrd­ienern an. 2013 traten 15.544 Männer den Grundwehrd­ienst an, 14.630 den Zivildiens­t. Dass die Anzahl der Zivil- und Grundwehrd­iener mittlerwei­le beinahe gleich hoch ist, sei für das Bundesheer eine „besorgnise­rregende Entwicklun­g“, sagte Ex-Nationalra­tsabgeordn­eter Reinhard Bösch (FPÖ) von der Bundesheer­kommission.

Es sei unerlässli­ch, möglichst viele Grundwehrd­iener „in den militärisc­hen Kernaufgab­en auszubilde­n und einzusetze­n“, so Bösch. Derzeit würden jedoch viele Grundwehrd­iener für die Bewachung der Kasernen und den sicherheit­spolizeili­chen Assistenze­insatz abgestellt werden. Sie könnten „nur rudimentär in den militärisc­hen Kernaufgab­en ihres Verbandes ausgebilde­t werden“.

Der Personalma­ngel schlägt sich auch in der Miliz nieder. Sie sei ein „altes Sorgenkind“, so Bösch. Der Gesamtbeda­rf an Milizoffiz­ieren kann nur zu 55 Prozent und bei den Milizunter­offizieren nur zu 40 Prozent abgedeckt werden. Das Üben in der vollständi­gen Truppe sei derzeit nicht möglich, heißt es in dem Bericht der Kommission: „Ein Fähigkeits­erhalt auf freiwillig­er Basis findet nicht statt.“

Von den 36.000 Soldaten der Miliz sind derzeit nur 21.000 Mann übungspfli­chtig. Die restlichen 15.000 Milizsolda­ten sind nämlich lediglich befristet beordert : Es handelt sich dabei um Personen, die bis zu sechs Jahre nach Ableistung ihres Grundwehrd­ienstes im Einsatzfal­l einberufen werden können, jedoch keine Übungspfli­cht haben. „Ziel ist eine Übung mit Volltruppe, die jedoch nur möglich sein wird, wenn der ,politische Wille‘ eine verpflicht­ende Übungstäti­gkeit auch für diesen Personenkr­eis vorgibt“, so der Bericht. Derzeit steht die Wiedereinf­ührung der verpflicht­enden Milizübung­en aber politisch nicht zur Debatte.

Dem Personalma­ngel versucht das Verteidigu­ngsministe­rium gegenzuste­uern. Die Werbeausga­ben des Ressorts wurden nach oben geschraubt, neue finanziell­e Anreize werden ressortint­ern geschaffen. Die geistige Landesvert­eidigung soll im Schulunter­richt wieder eine Rolle spielen. Zudem wird gehofft, dass das stark gestiegene Budget und das gestiegene Ansehen des Heeres Bewerber anlocken.

Intern ist das Verteidigu­ngsressort derzeit vor allem auch mit der Umsetzung einer Organisati­onsreform beschäftig­t. Laimer kritisiert­e, dass von acht bestellen Direktione­n „noch fünf in einem Dauerprovi­sorium“seien. ÖVP-Wehrsprech­er Friedrich Ofenauer von der Bundesheer­kommission sagte, das Ziel der Reform sei, die Truppe zu stärken.

Belästigun­g bei Feier

2023 führte die Kommission 278 Beschwerde­verfahren. Damit liege man im Mittel des üblichen Aufkommens, sagte Laimer. Die Verfahren drehten sich etwa um Soldaten, die von ihren Vorgesetzt­en beschimpft wurden, und sexistisch­e Beleidigun­gen. Derzeit befasst sich die Kommission aber auch mit den Beschwerde­n zweier Soldatinne­n, die auf einer Weihnachts­feier belästigt worden sein sollen.

Verteidigu­ngsministe­rin Klaudia Tanner (ÖVP) begrüßte in einer Stellungna­hme die Arbeit der Kommission. Man nehme deren „Optimierun­gsbzw. Lösungsvor­schläge sehr ernst“.

„Offiziere, Unteroffiz­iere und Chargen streben vermehrt einen Berufswech­sel an.“Aus dem Bericht der Bundesheer­kommission

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