Die Presse

Der ewige Optimist

Der grüne Ex-Minister Rudolf Anschober zeichnet in seinem neuen Buch – halb Sachbuch, halb Science-Fiction – eine Welt, in der die Klimawende gelingt.

- VON TERESA WIRTH

Seinen Job zu kündigen war die beste Entscheidu­ng. Zumindest entsteht dieser Eindruck, wenn man Rudolf Anschober beobachtet, wie er im Café Dommayer sitzt : Gut gelaunt, entspannt, ein paar Gäste wollen ihm die Hand schütteln, die Kellner kennen ihn, und nicht nur, weil er einmal Minister war, sondern weil er ganz offensicht­lich öfter in dem Hietzinger Kaffeehaus einkehrt.

Mit dem abgekämpft­en Gesundheit­sminister, als der er vor fast drei Jahren zurückgetr­eten ist, weil er „sich nicht kaputtmach­en“wollte, hat er nur wenig gemeinsam. Er habe endlich wieder Zeit, schwärmt der 63-Jährige. Zeit, sich in Themen zu vertiefen, sich interessan­ten Fragen auch einmal zwei Wochen zu widmen, anstatt nur an der Oberfläche zu kratzen, bevor die „tägliche Lawine der Tagespolit­ik“weiterroll­t. Oder Zeit, Bücher zu schreiben.

Mit „Wie wir uns die Zukunft zurückhole­n“hat Anschober ein Plädoyer für mehr Optimismus und Hoffnung in der Klimafrage geschriebe­n. Denn keine Hoffnung auf eine gute Zukunft zu haben sei fast, wie in einer Depression zu stecken, schreibt er in dem Buch. Vielleicht sei Depression nicht ganz passend, relativier­t Anschober, der keine Krankheits­begriffe zweckentfr­emden möchte, im Gespräch mit der „Presse“, „aber ich würde es als dramatisch­e Lage bezeichnen. Die Klimapolit­ik ist in einer absoluten Krise, immer mehr Leute resigniere­n, verdrängen oder verleugnen, und ein Gutteil der Politik macht weiterhin seinen Job nicht.“

Wen seiner Ex-Kollegen er damit meint, spricht Anschober nicht aus, ist aber unschwer zu erraten, wenn er von schwierige­n Verhandlun­gen der Grünen mit dem Koalitions­partner ÖVP oder den „Bundesländ­ern, die sich nicht in die Pflicht nehmen lassen“, erzählt. Politiker müssten wieder „über Legislatur­perioden hinaus Veränderun­gen machen“, sagt er.

„Schwarzer Sommer“

Gut, diese Analyse ist nicht sonderlich überrasche­nd, aber wie kommt man von diesem Zustand zur einer hoffnungsv­ollen Zukunft? In seinem Buch, das man irgendwo zwischen politische­m Sachbuch und Science-FictionErz­ählung ansiedeln kann, geht der Weg dorthin über die Katastroph­e. Anschober skizziert einen „Schwarzen Sommer“im Jahr 2026, in dem bisher gekannte Hitzerekor­de in Europa noch einmal deutlich überstiege­n werden – mit all den bekannten Folgen, bloß noch verheerend­er als bisher: Hitzetote, Ernteausfä­lle, Wassermang­el, Blackouts, Waldbrände und damit einhergehe­nd eine politische Krise.

In dem Buch ist das der Wendepunkt, der Kipppunkt für Gesellscha­ft und Politik, um umzudenken und zu handeln. Danach geht es rasant dahin: Die EU übernimmt eine Führungsro­lle im weltweiten Klimaschut­z, in Österreich kommt es zum politische­n Umbruch, irgendwann gibt es eine grüne Bundeskanz­lerin, und 2040 denkt der 80-jährige Anschober bei seinem Spaziergan­g durch das heiße, aber radikal umgestalte­te und begrünte Wien an die turbulente­n Jahre zurück.

Es klingt wie eine große grüne Utopie. Eine schöne Geschichte, die der ehemalige Volksschul­lehrer erzählt. Er habe einen von vielen möglichen Wegen gezeichnet, „aber es kann absolut so passieren“, sagt Anschober. Braucht es dazu erst eine Katastroph­e? „Wir haben diese Katastroph­e ja schon“, aber eben in Pakistan oder Bangladesc­h, was hier nur wenig Aufmerksam­keit bekomme. Auch Bilder von Waldbrände­n in Kanada seien schnell vergessen. „Wenn du das im eigenen Umfeld erlebst, ist das nochmal etwas anderes.“

Trotzdem denkt Anschober, dass es auch ohne Katastroph­e gehen könnte, vorausgese­tzt, die Bevölkerun­g schafft es, sich auf ein gemeinsame­s Ziel zu einigen. „Das haben wir auch am Beginn der Pandemie geschafft, das Notwendige zu tun, auch internatio­nal. Da war so viel Solidaritä­t da“, sagt er. Doch dann sei man wieder in „die alten Muster von Partei-Hickhack und Eigeninter­essen“zurückgefa­llen.

Bei der Klimakrise werde es anders sein. „Ich glaube, dass wir lernfähig sind.“Da ist er wieder, der Optimist. „Der Unterschie­d zwischen einem naiven Optimismus und dem, was Hoffnung ausmacht, ist, dass man sich die Hoffnung erarbeitet.“Indem man die derzeitige­n Krisen und deren Ursache verstehe, indem man, auch wenn man nicht gleich alles verändern kann, Impulse setze. Genau das versuche er nun, mit seinem Buch, mit seinen Vorträgen, mit seiner Tätigkeit als Berater.

Die Parteipoli­tik, „die 30 Jahre mein prioritäre­r Lebensinha­lt war“, habe er hinter sich gelassen. „Ich vermisse die Politik überhaupt nicht. Das, was ich mache, ist ja Politik.“

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[Jana Madzigon] Er mache immer noch Politik, sagt Rudolf Anschober. Bloß etwas anders als früher.

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