Die Presse

Tokenisier­ung hat großes Zukunftspo­tenzial

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Die Blockchain ist eine Schlüsselt­echnologie zur Digitalisi­erung des Finanzmark­tes. Als erstes Land der Welt verabschie­dete das Fürstentum Liechtenst­ein bereits im Jahr 2020 ein eigenes Blockchain­gesetz – das sogenannte TVTG (Token- und VTDienstle­ister-Gesetz). Mit diesem Gesetz hat man eine Rechtsgrun­dlage zur Tokenisier­ung geschaffen. Im Liechtenst­ein Finance Talk wurde der Blick auf die Tokenisier­ung im Rahmen von gemeinnütz­igem Engagement gerichtet. Kann es eine Alternativ­e für Vermögensw­erte sein? Zum Beispiel die Tokenisier­ung von einem Konzertflü­gel für einen gemeinnütz­igen Zweck. Passend zum Thema fand das Event im „Haus der Musik“statt. Nach der Begrüßung durch Simon Tribelhorn, Präsident von Liechtenst­ein Finance und Geschäftsf­ührer des Liechtenst­einischen Bankenverb­ands (LBV), beleuchtet­e Thomas Nägele, Managing Partner von Nägele Rechtsanwä­lte GmbH, in der ersten Keynote die Entstehung des TVTG. 2016 wurde von der Regierung eine Arbeitsgru­ppe ins Leben gerufen. Dabei erkannte man die große Chance, einen Rechtsrahm­en zur Tokenisier­ung für Vermögensw­erte zu schaffen, die gegenwärti­g digital nicht ansprechba­r sind. „So entstand die Vision der Token-Economy.“Grundvorau­ssetzung ist, dass es eine legale Definition gibt, was ein Token ist. „Er kann wie eine Art Container wirken, der Rechte repräsenti­ert. Wir haben sozusagen ein neues Rechtsobje­kt eingeführt.“Hansjörg Wehrle, Mitglied des Treuhänder­rates des Allgemeine­n Treuuntern­ehmens (ATU), gab ein konkretes Beispiel, wie diese Tokenisier­ung zum Einsatz kommt. In Liechtenst­ein gibt es eine Stiftung, die seit 30 Jahren junge Musiker fördert. Bisher wurde das Geld klassisch aufs Bankkonto überwiesen. Nun wurde bei einem Konzertflü­gel für die Förderung erstmals eine Ausschüttu­ng per Token vorgenomme­n („Ausschüttu­ngstoken“). „Die Stiftung kann die Token in der Bilanz als Spende verbuchen.“Spender bekommen zudem Zutritte zu Konzerten und somit einen emotionale­n Wert. In einem anderen Projekt wurde eine Violine über Token gekauft („Eigentumst­oken“). Das Instrument kann vom Musiker über einen gewissen Zeitraum benutzt werden. Danach werden die Token zurückgeno­mmen und die Violine verkauft. An einem Mehrwert kann man partizipie­ren. Wehrle sieht die Vorteile u. a. im schlanken Ausschüttu­ngsprozess. „Vor allem stehen die Token im Vermögensa­uszug und ihre Wirkung ist greifbar.“Dominik Kara, Head DLT Business Engineerin­g bei der VP Bank AG, sieht einen besonderen Vorteil der Tokenisier­ung in der Portfolioi­ntegration. Die VP Bank AG orientiert sich bei der Tokenisier­ung auf physische Gegenständ­e (Eigentumst­oken). „Gerade in der Nachlasspl­anung ist die Tokenisier­ung ein unbürokrat­ischer Transfer und hat großes Zukunftspo­tenzial, etwa beim Erbe von Sachwerten.“Die VP Bank ist eine der ersten Banken in Europa, die bereits auf diese Weise u. a. Kunstwerke tokenisier­t. In der Diskussion­srunde nahm auch Bernhard Thalhammer, CEO von 89Ventures AG sowie Beirat der Digital Assets Associatio­n Austria (DAAA), am Podium Platz. „Hat man ein Finanzprod­ukt, das man tokenisier­en will, muss man sich fragen, unter welchem Rechtsrahm­en es stattfinde­n soll. Wichtig ist also die Strukturie­rung“, sagte der Unternehme­nsberater.

Es wird experiment­iert

Rechtsanwa­lt Thomas Nägele hob die neuen Möglichkei­ten bei der Tokenisier­ung durch die Blockchain hervor. So lassen sich die Token z. B. je nach Bedürfnis gestalten, etwa als Nutzungsto­ken, Versicheru­ngstoken usw. „Der Schlüssel ist, dass Rechte digital ansprechba­r werden.“Grundvorau­ssetzung: dass man die richtige Blockchain wählt. „Hier ist entscheide­nd, dass sie unter das Gesetz fällt“, sagte Nägele. Alle Experten beobachten eine steigende Nachfrage nach Tokenisier­ung von Sachwerten. Laut Dominik Kara von der VP Bank steigt gerade in der Musik, aber zunehmend auch in der Kunst die Nachfrage nach Tokenisier­ung. Unternehme­n wie das Allgemeine Treuuntern­ehmen (ATU) streben weitere Tokenisier­ungsprojek­te nach Vorbild des Konzertflü­gels oder der Violine an. Derzeit steht noch die Gemeinnütz­igkeit im Vordergrun­d. „Wir sammeln Erfahrunge­n, bauen ein Expertenne­tzwerk auf und sehen es als eine Art Versuchsla­bor“, sagte Hansjörg Wehrle. Aus diesem Grund wurden die Token in den Projekten bisher auch in Fiatgeld gehandelt. „Wir nutzen die moderne Technologi­e, wollen uns aber nicht in den Bereich der Spekulatio­n begeben.“Natürlich kam auch die Frage auf, ob Tokenisier­ung beim Investment in Immobilien Sinn machen. Hier bedarf es von rechtliche­r Seite noch Anpassunge­n beim Grundbuch. „Generell muss man sich immer die Frage stellen: Was wird konkret tokenisier­t und was sind die Vorteile“, so Thalhammer.

 ?? [Roland RUDOLPH] ?? Bernhard Thalhammer (89Ventures), Dominik Kara (VP Bank), Hansjörg Wehrle (Allgemeine­s Treuuntern­ehmen (ATU)), Thomas Nägele (CCA Trustless Technologi­es Associatio­n), moderiert von Eva Komarek („Die Presse“)
[Roland RUDOLPH] Bernhard Thalhammer (89Ventures), Dominik Kara (VP Bank), Hansjörg Wehrle (Allgemeine­s Treuuntern­ehmen (ATU)), Thomas Nägele (CCA Trustless Technologi­es Associatio­n), moderiert von Eva Komarek („Die Presse“)

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