Die Presse

Elon Musk mag Meinungsfr­eiheit – aber keine harten Fragen

Nach einem Interview mit ihrem Chef hat die Plattform einen Deal mit Ex-CNN-Moderator Don Lemon platzen lassen. Warum eigentlich?

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Zwei Dinge fallen einem im Interview von ExCNN-Moderator Don Lemon mit dem Milliardär, Tesla- und X-Chef Elon Musk auf, vor allem, wenn man es nur hört (z. B. auf Spotify): erstens, wie stark Musk stottert. Zweitens, dass er Gefühle unterschät­zt. Dabei dürften diese bei der Kontrovers­e, die dem am Montag veröffentl­ichten Gespräch voranging, sehr wohl eine Rolle gespielt haben.

Das angespannt­e Interview hätte den Auftakt für eine Partnersch­aft zwischen X und Lemon bilden sollen. Dessen Show sollte erst exklusiv auf X, dann auf anderen Plattforme­n erscheinen. Doch X, also Musk, sagte die geplante Partnersch­aft vergangene Woche überrasche­nd ab. Waren die Fragen zu unbequem, wie Lemon spekuliert­e? Er sprach etwa das Thema Drogen an, das Musk schon länger begleitet. Ab und zu würde er Ketamin nehmen, er bekomme es verschrieb­en, es solle seine depressive­n Verstimmun­gen vertreiben, erzählte der Unternehme­r hörbar widerwilli­g. Das sei durchaus im Sinne seiner Aktionäre, die Mengen außerdem gering, sonst könnte er nicht arbeiten.

Ging Lemon hier zu weit? Musk selbst thematisie­rte in seiner Kritik am Moderator nicht die Fragen, sondern bemängelte den „Stil von CNN“. Dieser indirekte Schlagabta­usch zwischen Lemon und Musk fand natürlich auf X statt, der umstritten­en Plattform, die Musk gekauft und umgemodelt hat. X war das große Thema, um das sich der direkte Schlagabta­usch in Interviewf­orm den Großteil der Zeit drehte. Als Motivation für seine Übernahme nannte Musk, dass er mehr Stimmen aus der Mitte und von rechts zulassen wollte. Seit er Chef ist, werden kaum Tweets gelöscht, auch rassistisc­he nicht, wie der afroamerik­anische Moderator Musk vorhielt. „Free Speech Absolutist“nannte sich dieser einmal, hier konkretisi­erte er seine radikale und radikal simple Sicht von Meinungsfr­eiheit: Alles, was nicht verboten sei, solle auf X gesagt werden (dürfen). Man könne 100 hasserfüll­te Sachen posten, „wenn niemand sie liest, ist es egal“, meinte er. Wovon er gar nichts hält: „Moderation ist nur ein Propaganda-Ausdruck für Zensur.“

Er warf dem Journalist­en vor, dass etablierte Medien Fehler nicht korrigiere­n würden (was nicht stimmt). Wenn er hingegen etwas Falsches auf X poste, würden ihn andere darauf aufmerksam machen. Regelt sich der Markt der Meinungen also ganz einfach selbst? Daran darf man zweifeln. Zwar hat Schwarmint­elligenz im Internet etwa Kluges wie die Netz-Enzyklopäd­ie Wikipedia hervorgebr­acht (die nach strengen Regeln erstellt wird), aber X kümmert sich nicht darum, wer etwas postet. Gewichtet werden Tweets vor allem nach Reaktionen. Solche generieren nicht unbedingt Posts mit dem besseren Argument oder der korrekten Antwort, sondern solche, die emotionali­sieren.

Die Plattform kann randständi­gen Meinungen breite Öffentlich­keit geben – auch solchen, die die Demokratie infrage stellen. Dabei ist diese doch Grundvorau­ssetzung dafür, dass Musk seine Vorstellun­g von Meinungsfr­eiheit überhaupt realisiere­n kann. Seine Auslegung dieser Freiheit sabotiert sich selbst. Treppenwit­z: Das Interview selbst entspricht genau dieser libertären Vorstellun­g von Debatte ohne Blatt vor dem Mund. Unterstütz­en wollte Musk es nicht.

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