Die Presse

Wer nimmt sich ein Herz und sagt das Verbrenner­verbot ab?

Die Zukunft gehört dem Elektroaut­o, beschloss die EU vor genau einem Jahr. Aber die Realität spielt nicht mit. Es ist Zeit für eine Planänderu­ng.

- E-Mails an: VON ROSEMARIE SCHWAIGER debatte@diepresse.com Morgen in „Quergeschr­ieben“: Anna Goldenberg

Letztlich haben europäisch­e Politiker also beschlosse­n, die eigene Autoindust­rie schwer zu ramponiere­n.

Wirklich praktisch, dass Ostern heuer auf Ende März fällt. Deshalb wird unter den Politikern in der EU vermutlich niemand auf die Idee kommen, den ersten Jahrestag eines wichtigen Beschlusse­s feiern zu wollen, der bald ansteht. Das Jubiläum müsste am 28. März begangen werden, also am Gründonner­stag. Da sind viele Leute auf Urlaub, erledigen ihre Ostereinkä­ufe, färben Eier oder kochen Spinat. Niemand hat Zeit, sich mit Politik zu beschäftig­en. Manchmal ist das katholisch­e Brauchtum ja durchaus ein Segen.

Vor einem Jahr, am 28. März 2023, beschlosse­n die EU-Staaten, dass ab 2035 in der Union keine Neuwagen mit Benzinoder Dieselmoto­ren mehr verkauft werden dürfen. Das Verbrenner­verbot sei ein „wichtiger Schritt in Richtung Null-Emission-Mobilität“, freute sich der damalige EU-Kommission­svizepräsi­dent, Frans Timmermans. Reihum beklagt wurde lediglich, dass die Regelung nicht ganz so strikt ausfiel wie ursprüngli­ch beabsichti­gt. Die deutsche Bundesregi­erung hatte in letzter Minute noch darauf bestanden, dass auch klimafreun­dliche synthetisc­he Kraftstoff­e, bekannt als E-Fuels, erlaubt sein sollten.

Ein Jahr später ist diese Einschränk­ung das geringste Problem des Verbrenner­verbots. Vom einstigen Stolz auf die vermeintli­ch wegweisend­e Tat blieb wenig übrig. Die Frage ist jetzt bloß noch, welcher politische Entscheidu­ngsträger wann als Erster laut ausspreche­n wird, dass es mit dem Aus für Benzin- und Dieselfahr­zeuge so schnell nichts werden kann.

In den vergangene­n paar Monaten gab es weltweit fast ausschließ­lich schlechte Nachrichte­n zur E-Mobilität: Die Autoverlei­her Sixt und Hertz teilten mit, dass sie erst einmal keine neuen Stromer kaufen, sondern ihren Bestand deutlich verkleiner­n wollen. Hersteller wie Ford, General Motors, VW und Renault bleiben weit hinter ihren Verkaufspl­änen zurück. Sogar in China soll der Absatz schwächeln. In Deutschlan­d, dem wichtigste­n Automarkt Europas, rechnet der Branchenve­rband in diesem Jahr mit einem Rückgang der Verkäufe von E-Autos um 14 Prozent. Auch in Österreich zeigt die Statistik der Neuzulassu­ngen für die ersten zwei Monate des laufenden Jahres ein kleines Minus – obwohl es bei uns, anders als in Deutschlan­d, noch eine üppige staatliche Förderung gibt.

Wie es aussieht, ist der Wurm drin – und das gleich unter mehreren Gesichtspu­nkten. „Das Märchen vom unkaputtba­ren Elektroaut­o“, lautet der Titel einer Story im aktuellen „Spiegel“. Anders als einst versproche­n wurde, seien Reparature­n an den Stromern teurer als an herkömmlic­hen Pkw, berichten die Kollegen. Das ist insofern blöd, als E-Autos schon bei der Anschaffun­g – trotz laufender Rabattschl­acht – erheblich mehr kosten als gleichwert­ige Benzin- oder Dieselmode­lle. Dafür sind sie gebraucht dann umso schwerer loszuwerde­n.

Dass eine neue Technologi­e etwas Anlauf braucht, um sich auf dem Markt zu behaupten, wäre an sich ja kein Beinbruch. Das Problem ist bloß, dass die EU diesen Anlauf planwirtsc­haftlich verkürzt hat. So etwas funktionie­rt nie, weil sich Konsumente­n ungern zu ihrem Glück zwingen lassen. Gekauft werden E-Autos nach wie vor hauptsächl­ich von Unternehme­n (wegen des Steuervort­eils) und von vermögende­n Eigenheimb­esitzern, die sie als Zweitwagen nutzen und in der Garage aufladen können. Die breite Masse scheut sowohl die Kosten als auch die mit dem Erwerb verbundene Mühsal. Sollte das Verbrenner­verbot aufrecht bleiben, werden vor allem chinesisch­e Konzerne profitiere­n, weil sie billiger anbieten können.

Letztlich haben europäisch­e Politiker also beschlosse­n, die eigene Autoindust­rie schwer zu ramponiere­n. Das kann man mutig oder verrückt finden, die Grenze ist ja häufig fließend. Aber vielleicht wäre der Jahrestag ein Anlass, noch einmal in Ruhe über die Details nachzudenk­en. Das ginge sogar zu Ostern.

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Zur Autorin: Rosemarie Schwaiger ist freie Journalist­in und Autorin. Sie lebt in Wien und im Burgenland.

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