Der Nato-Favorit der Osteuropäer
Mit seiner Kandidatur für das Amt des Nato-Generalsekretärs weckt der rumänische Präsident, Klaus Johannis, große Hoffnungen im Osten: Er soll den Niederländer Rutte verhindern.
Belgrad/Bukarest. In seiner Heimat hat der Stern von Rumäniens deutschstämmigem Präsidenten, Klaus Johannis, vor dem nahenden Ende seiner zweiten Amtszeit viel von seinem einstigen Glanz verloren. Doch obwohl seine einst sehr hohen Popularitätswerte nach fast zehn Jahren kräftig abgebröckelt sind und die Mehrheit seiner Landsleute sich mittlerweile für die Verkürzung des Präsidentenmandats von fünf auf vier Jahre ausspricht, könnte der frühere Mathematiklehrer bald das mächtigste Militärbündnis der Welt führen: Als Außenseiter, aber keineswegs chancenlos zieht der 64-Jährige in das Rennen um den Posten des Nato-Generalsekretärs.
Als klarer Favorit auf die Nachfolge des scheidenden Nato-Generalsekretärs, Jens Stoltenberg, gilt der geschäftsführende niederländische Premier, Mark Rutte. Doch der Chef der Nato wird in einem nicht sehr transparenten Konsensverfahren gekürt.
Zwar sollen sich laut niederländischen Presseberichten mehr als 20 der 32 Nato-Mitglieder für Rutte ausgesprochen haben – darunter mit den USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland die einflussreichsten Partner. Bei NatoMitgliedern im Osten – vor allem in Ungarn, der Türkei, Bulgarien und Rumänien – stößt Rutte wegen seiner ständigen Tritte auf die EUErweiterungsbremse und seiner als oberlehrerhaft empfundenen Rechtsstaatsermahnungen allerdings auf erheblichen Widerstand.
Siebenbürger Sachse
Johannis müsse Rutte „verhindern“, da dieser Rumänien „verachte“, fordert der frühere Präsident Traian Băsescu. Budapest werde den Niederländer „unter keinen Umständen unterstützen“, da dieser Ungarn „in die Knie zwingen“wolle, sagt Ungarns Außenminister, Peter Szijjartó. Tatsächlich könnte dem dienstältesten Regierungschef der niederländischen Geschichte dasselbe Schicksal wie 1994 seinem christdemokratischen Landsmann und langjährigen Premier Ruud Lubbers drohen: Die Wahl des haushohen Favoriten war damals am Widerstand der USA krachend gescheitert.
Im Fernduell mit dem nur im Westen gut vernetzten Niederländer kann der bodenständige Siebenbürger Sachse vor allem mit seinem Standortvorteil punkten. Einerseits fühlen sich die keineswegs mehr so „neuen“EU- und Nato-Mitglieder im Osten bei der Vergabe der Spitzenposten schon seit Jahren regelmäßig grob benachteiligt. Andererseits bekommt der Karpatenstaat als Anrainer der Ukraine die Folgen der russischen Aggression viel direkter zu spüren. Angesichts des russischen Angriffskriegs sei ein „ausgewogenerer Einfluss“Osteuropas in der Nato vonnöten, fordert Johannis.
Im Gegensatz zu den Niederlanden und den meisten Nato-Mitgliedern im Westen hat Rumänien sein Verteidigungsbudget auf 2,5 Prozent des Sozialprodukts erhöht. Laut Umfragen befürworten 60 Prozent der Einwohner die höheren Militärausgaben. Es ist vermutlich auch die Sorge um das Schicksal der benachbarten Republik Moldau, dass russophile Kräfte – im Gegensatz zu den Nachbarn Ungarn und Bulgarien – in Rumänien nur bedingt Gehör finden. Die wachsende Bedeutung Rumäniens für die Nato illustriert auch der nun begonnene Bau der Militärbasis unweit des Schwarzmeerhafens in
Constanta: Der 2800 Hektar große und 2,5 Milliarden Euro teure Luftwaffenstützpunkt für bis zu 10.000 Soldaten wird das deutsche Ramstein als größte Nato-Basis auf dem Kontinent ablösen.
Als standhafter Fels in der Brandung im Kampf gegen die versuchte Gleichschaltung der Justiz durch die damals regierenden Sozialisten (PSD) hat sich Johannis in seiner ersten Amtszeit als Präsident profiliert. Dass der Staatschef in seinem zweiten Mandat die ihm nahestehende PNL die Koalition mit der Antikorruptionspartei URL aufkündigen und ein Zweckbündnis der „Systemparteien“mit der zuvor als korrupt bekämpfte PSD eingehen ließ, hat viele seiner auf einen demokratischen Aufbruch hoffenden Wähler allerdings bitter enttäuscht.
Bei der Nato wären jedoch ohnehin eher seine Fähigkeiten als Krisenmanager denn seine abgelegte Rolle als demokratischer Erneuerer gefragt. Wie realistisch sind die Chancen für Johannis, um die Nato als erster Generalsekretär aus dem Osten zu führen?
Wenn sich zwei streiten…
Die Underdog-Rolle scheint dem pragmatischen „Macher“zumindest zu behagen. Wie schon bei seiner Wahl zum Bürgermeister von Sibiu (Hermannstadt) im Jahr 2000 zog der Angehörige von Rumäniens stark geschrumpfter deutscher Minderheit auch bei seiner ersten Wahl zum Präsidenten 2014 als krasser Außenseiter ins Rennen – und siegte dennoch. Hunor Kelemen, der Chef von Rumäniens ungarischer Minderheitspartei UDMR, ist überzeugt, dass Johannis seine Chancen auf den NatoPosten vor seiner späten Bewerbung in „Vorabgesprächen“sorgfältig ausgelotet habe: Der Präsident sei „keiner, der sich in ein Abenteuer stürzt, ohne ein Licht am anderen Ende des Tunnels zu sehen“.
Wenn zwei sich streiten, kommt allerdings auch bei der Nato nicht selten ein Kompromisskandidat zum Zug. Sollte Johannis bei der im April erwarteten Kür des neuen Nato-Generalsekretärs scheitern, hätte er sich zumindest für das nach den Europawahlen im Juni anstehende Personalkarussell der EU in Position gebracht: Der Rumäne wird auch als Nachfolgekandidat von Charles Michel als EU-Ratspräsident gehandelt.