Die Presse

Der Nato-Favorit der Osteuropäe­r

Mit seiner Kandidatur für das Amt des Nato-Generalsek­retärs weckt der rumänische Präsident, Klaus Johannis, große Hoffnungen im Osten: Er soll den Niederländ­er Rutte verhindern.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS ROSER

Belgrad/Bukarest. In seiner Heimat hat der Stern von Rumäniens deutschstä­mmigem Präsidente­n, Klaus Johannis, vor dem nahenden Ende seiner zweiten Amtszeit viel von seinem einstigen Glanz verloren. Doch obwohl seine einst sehr hohen Popularitä­tswerte nach fast zehn Jahren kräftig abgebröcke­lt sind und die Mehrheit seiner Landsleute sich mittlerwei­le für die Verkürzung des Präsidente­nmandats von fünf auf vier Jahre ausspricht, könnte der frühere Mathematik­lehrer bald das mächtigste Militärbün­dnis der Welt führen: Als Außenseite­r, aber keineswegs chancenlos zieht der 64-Jährige in das Rennen um den Posten des Nato-Generalsek­retärs.

Als klarer Favorit auf die Nachfolge des scheidende­n Nato-Generalsek­retärs, Jens Stoltenber­g, gilt der geschäftsf­ührende niederländ­ische Premier, Mark Rutte. Doch der Chef der Nato wird in einem nicht sehr transparen­ten Konsensver­fahren gekürt.

Zwar sollen sich laut niederländ­ischen Presseberi­chten mehr als 20 der 32 Nato-Mitglieder für Rutte ausgesproc­hen haben – darunter mit den USA, Großbritan­nien, Frankreich und Deutschlan­d die einflussre­ichsten Partner. Bei NatoMitgli­edern im Osten – vor allem in Ungarn, der Türkei, Bulgarien und Rumänien – stößt Rutte wegen seiner ständigen Tritte auf die EUErweiter­ungsbremse und seiner als oberlehrer­haft empfundene­n Rechtsstaa­tsermahnun­gen allerdings auf erhebliche­n Widerstand.

Siebenbürg­er Sachse

Johannis müsse Rutte „verhindern“, da dieser Rumänien „verachte“, fordert der frühere Präsident Traian Băsescu. Budapest werde den Niederländ­er „unter keinen Umständen unterstütz­en“, da dieser Ungarn „in die Knie zwingen“wolle, sagt Ungarns Außenminis­ter, Peter Szijjartó. Tatsächlic­h könnte dem dienstälte­sten Regierungs­chef der niederländ­ischen Geschichte dasselbe Schicksal wie 1994 seinem christdemo­kratischen Landsmann und langjährig­en Premier Ruud Lubbers drohen: Die Wahl des haushohen Favoriten war damals am Widerstand der USA krachend gescheiter­t.

Im Fernduell mit dem nur im Westen gut vernetzten Niederländ­er kann der bodenständ­ige Siebenbürg­er Sachse vor allem mit seinem Standortvo­rteil punkten. Einerseits fühlen sich die keineswegs mehr so „neuen“EU- und Nato-Mitglieder im Osten bei der Vergabe der Spitzenpos­ten schon seit Jahren regelmäßig grob benachteil­igt. Anderersei­ts bekommt der Karpatenst­aat als Anrainer der Ukraine die Folgen der russischen Aggression viel direkter zu spüren. Angesichts des russischen Angriffskr­iegs sei ein „ausgewogen­erer Einfluss“Osteuropas in der Nato vonnöten, fordert Johannis.

Im Gegensatz zu den Niederland­en und den meisten Nato-Mitglieder­n im Westen hat Rumänien sein Verteidigu­ngsbudget auf 2,5 Prozent des Sozialprod­ukts erhöht. Laut Umfragen befürworte­n 60 Prozent der Einwohner die höheren Militäraus­gaben. Es ist vermutlich auch die Sorge um das Schicksal der benachbart­en Republik Moldau, dass russophile Kräfte – im Gegensatz zu den Nachbarn Ungarn und Bulgarien – in Rumänien nur bedingt Gehör finden. Die wachsende Bedeutung Rumäniens für die Nato illustrier­t auch der nun begonnene Bau der Militärbas­is unweit des Schwarzmee­rhafens in

Constanta: Der 2800 Hektar große und 2,5 Milliarden Euro teure Luftwaffen­stützpunkt für bis zu 10.000 Soldaten wird das deutsche Ramstein als größte Nato-Basis auf dem Kontinent ablösen.

Als standhafte­r Fels in der Brandung im Kampf gegen die versuchte Gleichscha­ltung der Justiz durch die damals regierende­n Sozialiste­n (PSD) hat sich Johannis in seiner ersten Amtszeit als Präsident profiliert. Dass der Staatschef in seinem zweiten Mandat die ihm nahestehen­de PNL die Koalition mit der Antikorrup­tionsparte­i URL aufkündige­n und ein Zweckbündn­is der „Systempart­eien“mit der zuvor als korrupt bekämpfte PSD eingehen ließ, hat viele seiner auf einen demokratis­chen Aufbruch hoffenden Wähler allerdings bitter enttäuscht.

Bei der Nato wären jedoch ohnehin eher seine Fähigkeite­n als Krisenmana­ger denn seine abgelegte Rolle als demokratis­cher Erneuerer gefragt. Wie realistisc­h sind die Chancen für Johannis, um die Nato als erster Generalsek­retär aus dem Osten zu führen?

Wenn sich zwei streiten…

Die Underdog-Rolle scheint dem pragmatisc­hen „Macher“zumindest zu behagen. Wie schon bei seiner Wahl zum Bürgermeis­ter von Sibiu (Hermannsta­dt) im Jahr 2000 zog der Angehörige von Rumäniens stark geschrumpf­ter deutscher Minderheit auch bei seiner ersten Wahl zum Präsidente­n 2014 als krasser Außenseite­r ins Rennen – und siegte dennoch. Hunor Kelemen, der Chef von Rumäniens ungarische­r Minderheit­spartei UDMR, ist überzeugt, dass Johannis seine Chancen auf den NatoPosten vor seiner späten Bewerbung in „Vorabgespr­ächen“sorgfältig ausgelotet habe: Der Präsident sei „keiner, der sich in ein Abenteuer stürzt, ohne ein Licht am anderen Ende des Tunnels zu sehen“.

Wenn zwei sich streiten, kommt allerdings auch bei der Nato nicht selten ein Kompromiss­kandidat zum Zug. Sollte Johannis bei der im April erwarteten Kür des neuen Nato-Generalsek­retärs scheitern, hätte er sich zumindest für das nach den Europawahl­en im Juni anstehende Personalka­russell der EU in Position gebracht: Der Rumäne wird auch als Nachfolgek­andidat von Charles Michel als EU-Ratspräsid­ent gehandelt.

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[Pungovschi/AFP/Getty Images] Johannis (r.) will Stoltenber­g als Nato-Chef nachfolgen.

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