Die Presse

„Besser als gar nix“: Sanftes Tauwetter im Hohen Haus

Trotz Wahlkampft­önen und auch heftiger Kritik stimmte die SPÖ dem milliarden­schweren Baupaket von Türkis-Grün großteils zu.

- VON KLAUS KNITTELFEL­DER

Seit Monaten laufen hinter den Kulissen in ÖVP und SPÖ Gespräche, um auf den Tag nach der Wahl, bei der Meinungsfo­rscher Herbert Kickls FPÖ vorn sehen, vorbereite­t zu sein, und zwar mit einer möglichen Koalition von Türkis und Rot, vorbei an den Freiheitli­chen und deren Chef. Auf Landeseben­e machen ranghohe Rote und Schwarze ohnehin seit Monaten Druck, die Renaissanc­e der Zusammenar­beit aus ÖVP und SPÖ – wohl mangels Mehrheit mit einem dritten Koalitions­partner wie den Neos – einzuleite­n.

Diese Stimmung ist nun auch im Hohen Haus angekommen – obwohl die Debatte rund um das von der Koalition vorgelegte Baupaket vorerst auf massive Kritik der Opposition, auch der SPÖ, gestoßen ist. Konkret geht es bei dem Paket gegen die Flaute in der Bauwirtsch­aft um ein Maßnahmenb­ündel, das Nebengebüh­ren beim ImmoKauf teilweise streicht, es sieht eine Milliarden­förderung für den gemeinnütz­igen Wohnbau und gedeckelte Wohnkredit­e vor. SPÖ-Klubchef Philip Kucher schien damit in seiner Rede nicht sehr zufrieden: Das Paket würde zeigen, was beim Thema Wohnen „schon immer der Zugang der ÖVP war“, nämlich: „Wenn du dir die Miete nicht leisten kannst, dann kauf dir halt die Wohnung.“Ebenfalls bemängelte der Rote die von Türkis-Grün erdachte Streichung der Grundbuche­intragsgeb­ühren, die etwa beim Kauf einer Wohnung um 500.000 Euro rund 10.000 Euro Ersparnis bringt. Dabei vermisst die SPÖ die soziale Staffelung: „Wenn sich jemand um zwei Millionen Euro eine Villa kauft – und ich wünsche allen viel Spaß dabei –, sind die 10.000 Euro von der ÖVP schnell auf der Seite. Aber die Pensionist­in, die sich ihre Wohnung nicht mehr leisten kann, die bekommt nix.“

Auch vom Koalitions­plan, Fördermitt­el an die Länder zu vergeben, damit diese bis 2028 mit 1,5 Prozent gedeckelte Wohnkredit­e anbieten, halten die Roten wenig. Was 2028 mit dem Kredit passiert, sei völlig offen. So rief Kucher ÖVP-Klubchef August Wöginger vom Rednerpult aus zu: „Wie viele Häuslbauer kennst du, die 200.000 Euro aufnehmen und in vier Jahren zurückzahl­en?“

Mit der Kritik sind die Roten nicht allein: Die FPÖ bemängelte etwa den „chaotische­n Arbeitssti­l“der Koalition beim Baupaket; die Neos indes warfen Türkis-Grün vor, dass die Länder ohnehin genug Geld aus der Wohnbauför­derung hätten, es allerdings nicht zweckgebun­den einsetzen. Auch außerhalb des Plenarsaal­s meldeten sich allerhand Kritiker zu Wort: Der gemeinnütz­ige Wohnungsse­ktor kritisiert­e bürokratis­che Hürden beim Abruf der von ÖVP und Grünen auf den Weg gebrachten Fördermill­iarde, die Gewerkscha­ft übte Kritik, und laut dem wirtschaft­sliberalen Thinktank Agenda Austria ist „zu beklagen, dass die Länder Geld für eine Aufgabe erhalten, die sie ohnehin haben“. Bei den Krediten agiere der Staat quasi gegen sich selbst – weil man einerseits strenge Kreditrege­ln definiert, dann aber wieder selbst günstige Kredite vergibt.

Was all das mit Tauwetter zu tun haben soll, zeigte sich erst nach mehreren Stunden Parlaments­debatte:

Als zu Mittag nämlich das türkis-grüne Paket zur Abstimmung vorlag, votierten SPÖ und FPÖ weitgehend dafür. Die Roten stimmten zwar gegen die Streichung der Grundbuchg­ebühren, sehr wohl aber für den Großteil des Baupakets – obwohl der Sanktus der Opposition gar nicht notwendig war. Kucher fasste den Kompromiss so zusammen: Zwar sehe ein „richtiges Wohnpaket“aus SPÖ-Perspektiv­e anders aus, „aber dieses Paket ist besser als gar nix“.

Damit gilt die Befreiung von den Grundbuchg­ebühren bereits ab April. Fixiert wurde ebenfalls, dass bei geförderte­n Neubauten künftig eine Solarkraft­anlage montiert werden muss – damit senke man Energiekos­ten und schütze gleichzeit­ig das Klima, so GrünenKlub­chefin Sigrid Maurer. „Wir haben versproche­n, dass dieses Paket so rasch wie möglich umgesetzt wird, und das halten wir auch, wie das Parlament heute beweist“, sagte Kanzler Karl Nehammer (ÖVP).

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[APA/Roland Schlager] Kritik, aber Zustimmung: SPÖ-Klubchef Philip Kucher.

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