Neutrale Russen bei Olympia, aber Fußball-EM ohne Israel?
Sport und Politik sollten an sich getrennte Wege gehen, doch Kriege, Wirren und konträre Sichtweisen kennen weder Grenzen noch Abseits.
Wie sehr Sport und Politik wirklich miteinander vernetzt sind, wird dieser Tage deutlich. Heute beginnen die Play-offs zur Nations League und mit Ukraine wie Israel spielen zwei in Kriege involvierte Nationen mit. Im Juli heben in Paris die Sommerspiele an und „neutrale Sportler“aus Russland und Belarus – sie tragen weder Wappen, Flagge noch hören sie ihre Hymne – sollen trotz polarisierender Meinungsfauna teilnehmen. Jetzt befeuert ein IOCVerbot diese Unruhe: Sollte das MiniAufgebot überhaupt „grünes Licht“vom Kreml erhalten, wurde es schon vorab von der Eröffnungsfeier an der Seine ausgeladen. Komm zu meiner Party, aber spiel nicht mit?
Das IOC will „neutrale Russen“bei Olympia haben, Sportlern die Chance bieten und den Funken Hoffnung auf Frieden (Waffenstillstand während der Spiele ist denkbar) wahren. Weil aber der Angriffskrieg unaufhaltsam weiterrollt, sollen die Auserwählten doch nicht beim 160 Boote starken Spektakel auf der Seine dabei sein.
Welcher Russe kommt neutral – des Krieges wegen tatsächlich so sanktioniert wie ein Dopingsünder in Sotschi 2014 – nach Paris? Wie werden IOC-Vorgaben evaluiert, die verlangen, dass kein Kontakt zum Militär bestehe? Sport ist in Russland doch Politik, Geheimdienst FSB (Dynamo) und Militär (ZSKA) sind in allen Klubs vertreten. Und darum ist Russlands Olympia-Komitee suspendiert vom IOC. Es führt die in der Ukraine annektierten Gebiete Cherson, Saporischschja, Donezk und Luhansk als russische „Mitglieder“. Nur, ändern kann das ein Sportfunktionär nicht. Zwölf Russen und sieben Athleten aus Belarus sind aktuell qualifiziert. Der Vergleich zu Tokio 2021? Damals starteten 330 Russen und 104 Belarussen.
Der Weltsport ist in der RusslandFrage tief gespalten, im Tennis und US-Sport gab es hingegen Sanktionsfragen nie. Im Schwimmen (pro Event eine Startberechtigung), Fechten etc. wurden sie nunmehr aufgehoben. Leichtathletik und Fußball schließen ein Umdenken ohne Frieden kategorisch aus. Und so flattert weiter ein „Fleckerlteppich“mit dem Gespenst von Boykott-Spielen wie 1980 (Moskau) und 1984 (Los Angeles) durch alle Sportstätten. Dass Wladimir Putin nun versucht, parallel „Freundschaftsspiele“in St. Petersburg und Moskau zu veranstalten, kommt nicht unerwartet. Der Konter des IOC ebenso: Es sei ein gar „zynischer Versuch, den Sport zu politisieren“.
Im Fußball skizziert sich die Sachlage so: Israel spielt im NationsLeague-Play-off gegen Island, Bosnien und Herzegowina und Ukraine stehen sich auf dem Zwischenstopp in Richtung EM-Endrunde in Deutschland gegenüber. Islands Teamchef, Åge Hareide, sorgte davor für Aufregung: „Wenn Sie mich fragen, würde ich nach jetzigem Stand zögern, gegen Israel zu spielen. Aufgrund dessen, was in Gaza geschieht und was sie Frauen, Kindern und anderen unschuldigen Zivilisten angetan haben. Das sollte nicht geschehen, und wir sollten dieses Spiel nicht spielen.“
Zig Verbände, Politiker und zwölf Nationalverbände aus dem Nahen Osten forderten bereits den Ausschluss Israels aus dem Weltverband Fifa. Auch aus Frankreichs Parlament kamen solch Anregungen, die Pariser Bürgermeisterin lehnt übrigens die Teilnahme von Russen bei „unseren Spielen“entschieden ab. Das Vorgehen gegen die Palästinenser verlange diesen Schritt. Gesperrt wurde Israel nur kurzfristig im Eishockey, IOC und Uefa schlossen das entschieden aus.
Das Fußballspiel wird also am Donnerstag in Budapest angepfiffen. Im Fall der Qualifikation würde Israel erstmals seit der WM 1970 bei einer Endrunde mitspielen. Ob es Kritikern passt oder nicht: Sport und Politik sollten ja stets nur getrennt, quasi neutral, betrachtet werden.
Olympia und Fußball-EM werden zum Spielball für Kriegspropaganda, Bürokraten und scheinheilige Geschäftemacher.