Die Presse

Neutrale Russen bei Olympia, aber Fußball-EM ohne Israel?

Sport und Politik sollten an sich getrennte Wege gehen, doch Kriege, Wirren und konträre Sichtweise­n kennen weder Grenzen noch Abseits.

- VON MARKKU DATLER E-Mail: markku.datler@diepresse.com

Wie sehr Sport und Politik wirklich miteinande­r vernetzt sind, wird dieser Tage deutlich. Heute beginnen die Play-offs zur Nations League und mit Ukraine wie Israel spielen zwei in Kriege involviert­e Nationen mit. Im Juli heben in Paris die Sommerspie­le an und „neutrale Sportler“aus Russland und Belarus – sie tragen weder Wappen, Flagge noch hören sie ihre Hymne – sollen trotz polarisier­ender Meinungsfa­una teilnehmen. Jetzt befeuert ein IOCVerbot diese Unruhe: Sollte das MiniAufgeb­ot überhaupt „grünes Licht“vom Kreml erhalten, wurde es schon vorab von der Eröffnungs­feier an der Seine ausgeladen. Komm zu meiner Party, aber spiel nicht mit?

Das IOC will „neutrale Russen“bei Olympia haben, Sportlern die Chance bieten und den Funken Hoffnung auf Frieden (Waffenstil­lstand während der Spiele ist denkbar) wahren. Weil aber der Angriffskr­ieg unaufhalts­am weiterroll­t, sollen die Auserwählt­en doch nicht beim 160 Boote starken Spektakel auf der Seine dabei sein.

Welcher Russe kommt neutral – des Krieges wegen tatsächlic­h so sanktionie­rt wie ein Dopingsünd­er in Sotschi 2014 – nach Paris? Wie werden IOC-Vorgaben evaluiert, die verlangen, dass kein Kontakt zum Militär bestehe? Sport ist in Russland doch Politik, Geheimdien­st FSB (Dynamo) und Militär (ZSKA) sind in allen Klubs vertreten. Und darum ist Russlands Olympia-Komitee suspendier­t vom IOC. Es führt die in der Ukraine annektiert­en Gebiete Cherson, Saporischs­chja, Donezk und Luhansk als russische „Mitglieder“. Nur, ändern kann das ein Sportfunkt­ionär nicht. Zwölf Russen und sieben Athleten aus Belarus sind aktuell qualifizie­rt. Der Vergleich zu Tokio 2021? Damals starteten 330 Russen und 104 Belarussen.

Der Weltsport ist in der RusslandFr­age tief gespalten, im Tennis und US-Sport gab es hingegen Sanktionsf­ragen nie. Im Schwimmen (pro Event eine Startberec­htigung), Fechten etc. wurden sie nunmehr aufgehoben. Leichtathl­etik und Fußball schließen ein Umdenken ohne Frieden kategorisc­h aus. Und so flattert weiter ein „Fleckerlte­ppich“mit dem Gespenst von Boykott-Spielen wie 1980 (Moskau) und 1984 (Los Angeles) durch alle Sportstätt­en. Dass Wladimir Putin nun versucht, parallel „Freundscha­ftsspiele“in St. Petersburg und Moskau zu veranstalt­en, kommt nicht unerwartet. Der Konter des IOC ebenso: Es sei ein gar „zynischer Versuch, den Sport zu politisier­en“.

Im Fußball skizziert sich die Sachlage so: Israel spielt im NationsLea­gue-Play-off gegen Island, Bosnien und Herzegowin­a und Ukraine stehen sich auf dem Zwischenst­opp in Richtung EM-Endrunde in Deutschlan­d gegenüber. Islands Teamchef, Åge Hareide, sorgte davor für Aufregung: „Wenn Sie mich fragen, würde ich nach jetzigem Stand zögern, gegen Israel zu spielen. Aufgrund dessen, was in Gaza geschieht und was sie Frauen, Kindern und anderen unschuldig­en Zivilisten angetan haben. Das sollte nicht geschehen, und wir sollten dieses Spiel nicht spielen.“

Zig Verbände, Politiker und zwölf Nationalve­rbände aus dem Nahen Osten forderten bereits den Ausschluss Israels aus dem Weltverban­d Fifa. Auch aus Frankreich­s Parlament kamen solch Anregungen, die Pariser Bürgermeis­terin lehnt übrigens die Teilnahme von Russen bei „unseren Spielen“entschiede­n ab. Das Vorgehen gegen die Palästinen­ser verlange diesen Schritt. Gesperrt wurde Israel nur kurzfristi­g im Eishockey, IOC und Uefa schlossen das entschiede­n aus.

Das Fußballspi­el wird also am Donnerstag in Budapest angepfiffe­n. Im Fall der Qualifikat­ion würde Israel erstmals seit der WM 1970 bei einer Endrunde mitspielen. Ob es Kritikern passt oder nicht: Sport und Politik sollten ja stets nur getrennt, quasi neutral, betrachtet werden.

Olympia und Fußball-EM werden zum Spielball für Kriegsprop­aganda, Bürokraten und scheinheil­ige Geschäftem­acher.

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