Die Presse

Europas verdeckte Schrottexp­orte

Die Menge des globalen Elektrosch­rotts hat sich seit 2010 verdoppelt. Europa erzeugt pro Kopf am meisten, recycelt aber auch am besten. Der Rest wird exportiert.

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Wie viele elektronis­che Geräte – vom Smartphone bis zum Toaster – kugeln in einem Haushalt herum? Bei Gutverdien­ern sind es 145, Normalverb­raucher müssen sich mit 61 Elektroger­äten zufriedeng­eben. Aber auch da werden zumindest neun nie verwendet, zusätzlich­e vier sind längst kaputt und werden trotzdem aufbewahrt, so das Ergebnis des aktuellen EWaste-Monitors der Vereinten Nationen. Für die banale Kernbotsch­aft, dass nämlich die Menge an Elektrosch­rott auf der Welt rapide wächst, hätte wohl ein Blick in die Schreibtis­chlade genügt. Doch spannend ist, welche neuen Produkte das Wachsen des Müllbergs beschleuni­gen und wie sich die Staaten ihres Problems entledigen.

Von 2010 bis 2022 hat sich die Menge des jährlich anfallende­n Elektrosch­rotts dem Bericht zufolge verdoppelt, von 34 auf 62 Milliarden Kilogramm. Dabei macht sich nicht nur der allgemeine technologi­sche Fortschrit­t, sondern auch die Energiewen­de mit der einhergehe­nden Elektrifiz­ierung weiter Teile der Wirtschaft bemerkbar. Stromspare­nde LEDs, Wärmepumpe­n und Solaranlag­en werden in Hinkunft in großem Stil im Müll landen, sind die Autoren überzeugt. Noch ist die Menge an kaputten Solarpanee­len mit jährlich 600 Millionen Tonnen Kilogramm überschaub­ar. Aber das wird sich angesichts des globalen Solarbooms rasch ändern.

Verdeckte Müllexport­e

Schon in sechs Jahren dürfte die Welt vier Mal so viel Solarmüll im Jahr erzeugen wie 2022. Auch das Recycling selbst ist nicht ganz simpel, da eine Menge an gefährlich­en Materialie­n verbaut ist, die nicht ohne größere Kosten recycelt werden können. Eine andere stark wachsende Quelle für Elektrosch­rott ist das Vaping. 2022 wurden 844 Millionen E-Zigaretten verkauft, die oft nach einmaligem Gebrauch im Müll landen. In Summe sind das 42 Millionen Kilogramm an Plastik, Lithium-Ionen-Batterien, Heizelemen­ten sowie Schaltkrei­sen, die von den Vapern pro Jahr weggeworfe­n werden.

Den meisten Elektrosch­rott pro Kopf produziere­n mit 17,6 Kilogramm übrigens die Europäer (die USA liegen mit 20 bis 25 Kilogramm zwar darüber, werden in dem Bericht aber gemeinsam mit Südamerika ausgewerte­t). Dafür weist Europa aber mit 42,8 Prozent auch die höchste Recyclingq­uote der Welt auf. 5,1 Milliarden Kilogramm an Elektrosch­rott verschifft Europa offiziell nach Afrika und nach Asien. Dazu kommen aber weitere 3,3 Milliarden Kilogramm an verdeckten Exporten, wenn offiziell Altgeräte verkauft werden, die in den Zielländer­n aber bestenfall­s nur kurz im Gebrauch sind, bevor sie (unsachgemä­ß) entsorgt werden. Fast 80 Prozent aller exportiert­en „Altgeräte“sind laut Studie schon beim Verkauf nur noch Elektrosch­rott. (auer)

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