Die Presse

Worüber Aktionäre heuer abstimmen sollten

Auf den Tagesordnu­ngen finden sich teils ungewohnte Punkte. Etwa zur virtuellen HV, die weiterhin möglich ist.

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Wien. Virtuell? Hybrid? Oder doch ausschließ­lich in Präsenz? Die Frage stellt sich bei Geschäftst­erminen – aber auch bei Hauptversa­mmlungen (HV) von Aktiengese­llschaften. Sogar bei den großen börsenotie­rten Unternehme­n.

Während der Pandemie musste man auf die Online-Variante ausweichen, eine Covid-Sonderrege­lung schuf den rechtliche­n Rahmen dafür. „Und es hat sich bewährt, viele Unternehme­n haben das erkannt“, sagt Michal Dobrowolsk­i, Rechtsanwa­lt bei Freshfield­s Bruckhaus Deringer, zur „Presse“. Die virtuelle Hauptversa­mmlung fand dementspre­chend Eingang ins Dauerrecht.

Die Unternehme­n haben demnach Jahr für Jahr die Wahl, wie sie ihre HV abhalten wollen – unter der Voraussetz­ung, dass es die Satzung erlaubt. Freilich bedeute das nicht, dass es künftig nur noch virtuelle oder hybride Versammlun­gen geben wird.

Viele wollen hingehen

Gerade große Unternehme­n werden die Alternativ­en zum reinen Präsenzter­min eher zurückhalt­end einsetzen, erwartet der Anwalt – auch, weil die Online-Variante bei sehr hohen Teilnehmer­zahlen technisch anspruchsv­oll ist. „Und viele Aktionäre wollen persönlich teilnehmen.“Sinnvoll sei es dennoch, wenn die Option besteht.

Entspreche­nde Satzungsän­derungen stehen heuer bei vielen HV auf der Tagesordnu­ng – etwa bei Palfinger oder der Bawag. Und durchaus möglich, dass einige diesen Punkt noch nachträgli­ch aufnehmen. „Im Jahr 2025 wird man dann erstmals sehen, wie viele tatsächlic­h davon Gebrauch machen“, sagt Dobrowolsk­i.

Gibt es laut Satzung diese Option, liegt die Entscheidu­ng, wie die HV jeweils abgehalten wird, beim Gesellscha­ftsorgan, das diese einberuft. „Eine Minderheit von fünf Prozent kann jedoch verlangen, dass die nächste HV wieder in Präsenz stattfinde­t“, erklärt der Anwalt. Auch die Satzungsbe­stimmung gilt nur für maximal fünf Jahre, über eine Verlängeru­ng muss dann neu abgestimmt werden.

All das soll Bedenken ausräumen, dass bei der virtuellen Teilnahme Aktionärsr­echte zu kurz kommen, vor allem, dass die Anteilseig­ner um ihr Rederecht umfallen. Denn elektronis­che Kommunikat­ion ist zwar vorgesehen. Die Möglichkei­t, live zu reden, stößt aber an technische Grenzen. Deshalb können die Aktionäre auch, wie schon während der Pandemie, Stimmrecht­svertreter beauftrage­n.

Nachhaltig­keitsberic­ht

Aber noch etwas kommt auf große Unternehme­n zu: Sie müssen künftig auch ihre Nachhaltig­keitsberic­hterstattu­ng, als Teil des Lageberich­ts, nicht nur vom Aufsichtsr­at inhaltlich prüfen lassen, sondern auch extern. Eine entspreche­nde EU-Richtlinie ist zu Jahresbegi­nn in Kraft getreten. Umzusetzen ist sie bis 6. Juli, und gelten soll sie schon für das Geschäftsj­ahr 2024. Damit beauftragt werden kann der Wirtschaft­sprüfer, aber auch andere Marktteiln­ehmer kommen laut der Richtlinie dafür in Betracht. Das solle wohl für eine gewisse Konkurrenz sorgen, sagt Dobrowolsk­i.

Wahrschein­lich werde es eine Akkreditie­rung für weitere Prüfer geben, erwartet er. Freilich steht das noch aus, vorerst fehlt auch noch die innerstaat­liche Rechtsgrun­dlage. Trotzdem könne schon „bedingt“darüber abgestimmt werden, wer für 2024 beauftragt werden soll, sagt Dobrowolsk­i. Entscheide­t man sich für den Abschlussp­rüfer, sei das rechtliche Risiko gering. Der Vorteil: Deckt sich der Beschluss mit der künftigen Rechtslage, erspart man sich eine weitere, außerorden­tliche HV. Manche Unternehme­n haben daher auch das bereits auf ihre Tagesordnu­ng gesetzt. (cka)

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