Lieferkette: Was gelten wird
Was in der aktuellen Fassung steht, was geändert wurde – und was jetzt wirklich auf die Unternehmen zukommt.
Wird das EU-Lieferkettengesetz in der aktuellen Fassung in Kraft treten? Eine Garantie dafür gibt es immer noch nicht. Alles hängt nun davon ab, ob nach der Mehrheit der EU-Länder auch das Europäische Parlament den – neuerlich etwas abgeschwächten – Kompromissvorschlag annimmt.
Dass es so kommen wird, gilt jedoch als sehr wahrscheinlich. Die Richtlinie könnte also noch vor den EU-Wahlen veröffentlicht werden. Die Mitgliedsländer müssen sie in weiterer Folge in nationales Recht umsetzen. Für betroffene Unternehmen treten die Regeln dann stufenweise, mit den größten Firmen beginnend, in rund drei bis fünf Jahren in Kraft.
Das klingt nach viel Zeit – ist es jedoch nicht, wenn womöglich Hunderte Lieferketten im Hinblick auf Menschenrechts- und teilweise auch Umweltstandards zu überprüfen, risikobasiert zu bewerten und erforderlichenfalls neu zu gestalten sind. „Sinnvolle Marktstandards zu entwickeln, die etwas bringen und zugleich für die Unternehmen leistbar sind, ist jetzt die große Schwierigkeit – und die Challenge“, sagt Eva-Maria SégurCabanac, Partnerin bei Baker McKenzie, zur „Presse“.
Worum geht es konkret? Um es vorwegzunehmen – auch auf Basis des jetzigen Kompromisses sind die Anforderungen hoch. Im Wesentlichen müssen betroffene Unternehmen eigene Geschäftsbeziehungen, einschließlich der indirekten Zulieferer, auf Risiken abklopfen. Und gegebenenfalls die unmittelbaren Geschäftspartner verpflichten, dass sie wiederum ihre Vertragspartner in die Pflicht nehmen.
Innerhalb von 30 Monaten will die Europäische Kommission nun Musterklauseln dafür herausgeben. „Das ist sehr spät, die brauchten wir jetzt schon“, sagt Martin Eckel, Partner bei Taylor Wessing in Wien. Denn die Unternehmen müssen spätestens jetzt anfangen, sich damit auseinanderzusetzen.
Lockerungen „downstream“
Viele Kunden stellten auch derzeit schon solche Anforderungen, sagt Ségur-Cabanac. Ein bedeutender Aspekt sei da das bereits geltende, deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, „und große USUnternehmen verlangen es auch.“Einheitliche Regelungen und Standards innerhalb der EU könnten hier sogar gewisse Erleichterungen bringen, „das wäre die Idee“.
Das derzeit übliche wahllose Versenden von zig Seiten starken „Supplier Codes of Conduct“sollte sich ändern, meint auch Eckel. Wirklich sämtliche Geschäftspartner detailliert überprüfen müsse man zudem nicht. Vielmehr müssen risikobasiert jene Lieferbeziehungen genauer unter die Lupe genommen werden, bei denen Grund zur Annahme besteht, dass sie kritisch sind.
„Downstream“, also hinsichtlich der Abnehmer des eigenen Produkts oder der eigenen Dienstleistung, wurden zudem die Vorgaben etwas gelockert. Da sollen nur noch die unmittelbaren Vertragspartner erfasst sein und zudem nur Distribution, Transport und Lagerung. „Die Entsorgung ist nicht mehr dabei“, sagt Ségur-Cabanac.
Und es treffe auch nicht zu, dass man tatsächlich „Garantien“für die Geschäftspartner übernehmen muss, relativiert Eckel, „sondern man hat Sorgfaltspflichten“. Wobei es die von einigen erhofften „Black Lists“und „White Lists“nun nicht geben wird. Das bedeutet mehr Verantwortung, gibt Unternehmen jedoch zugleich die Möglichkeit, etwa auch aus einer kritischen Branche oder Region den relativ besten Vertragspartner auszuwählen und ihn bei Verbesserungen in Richtung der EU-Standards zu unterstützen. Entfallen sind zudem die zunächst geplanten verschärften Sonderregeln für Hochrisikobranchen. In der eigenen Risikoanalyse könne man die Zugehörigkeit zu solchen Branchen aber weiterhin als Kriterium heranziehen, sagt Eckel.
Die Rede war zuletzt auch von Lockerungen bei der zivilrechtlichen Haftung. Die EU-Länder sollen hier mehr Spielraum für nationale Regelungen bekommen. Ob das besser ist, darüber lässt sich streiten. Klagen könnten sich dann dort häufen, wo die Rechtslage dafür am günstigsten ist.