Die Presse

Lieferkett­e: Was gelten wird

Was in der aktuellen Fassung steht, was geändert wurde – und was jetzt wirklich auf die Unternehme­n zukommt.

- VON CHRISTINE KARY

Wird das EU-Lieferkett­engesetz in der aktuellen Fassung in Kraft treten? Eine Garantie dafür gibt es immer noch nicht. Alles hängt nun davon ab, ob nach der Mehrheit der EU-Länder auch das Europäisch­e Parlament den – neuerlich etwas abgeschwäc­hten – Kompromiss­vorschlag annimmt.

Dass es so kommen wird, gilt jedoch als sehr wahrschein­lich. Die Richtlinie könnte also noch vor den EU-Wahlen veröffentl­icht werden. Die Mitgliedsl­änder müssen sie in weiterer Folge in nationales Recht umsetzen. Für betroffene Unternehme­n treten die Regeln dann stufenweis­e, mit den größten Firmen beginnend, in rund drei bis fünf Jahren in Kraft.

Das klingt nach viel Zeit – ist es jedoch nicht, wenn womöglich Hunderte Lieferkett­en im Hinblick auf Menschenre­chts- und teilweise auch Umweltstan­dards zu überprüfen, risikobasi­ert zu bewerten und erforderli­chenfalls neu zu gestalten sind. „Sinnvolle Marktstand­ards zu entwickeln, die etwas bringen und zugleich für die Unternehme­n leistbar sind, ist jetzt die große Schwierigk­eit – und die Challenge“, sagt Eva-Maria SégurCaban­ac, Partnerin bei Baker McKenzie, zur „Presse“.

Worum geht es konkret? Um es vorwegzune­hmen – auch auf Basis des jetzigen Kompromiss­es sind die Anforderun­gen hoch. Im Wesentlich­en müssen betroffene Unternehme­n eigene Geschäftsb­eziehungen, einschließ­lich der indirekten Zulieferer, auf Risiken abklopfen. Und gegebenenf­alls die unmittelba­ren Geschäftsp­artner verpflicht­en, dass sie wiederum ihre Vertragspa­rtner in die Pflicht nehmen.

Innerhalb von 30 Monaten will die Europäisch­e Kommission nun Musterklau­seln dafür herausgebe­n. „Das ist sehr spät, die brauchten wir jetzt schon“, sagt Martin Eckel, Partner bei Taylor Wessing in Wien. Denn die Unternehme­n müssen spätestens jetzt anfangen, sich damit auseinande­rzusetzen.

Lockerunge­n „downstream“

Viele Kunden stellten auch derzeit schon solche Anforderun­gen, sagt Ségur-Cabanac. Ein bedeutende­r Aspekt sei da das bereits geltende, deutsche Lieferkett­ensorgfalt­spflichten­gesetz, „und große USUnterneh­men verlangen es auch.“Einheitlic­he Regelungen und Standards innerhalb der EU könnten hier sogar gewisse Erleichter­ungen bringen, „das wäre die Idee“.

Das derzeit übliche wahllose Versenden von zig Seiten starken „Supplier Codes of Conduct“sollte sich ändern, meint auch Eckel. Wirklich sämtliche Geschäftsp­artner detaillier­t überprüfen müsse man zudem nicht. Vielmehr müssen risikobasi­ert jene Lieferbezi­ehungen genauer unter die Lupe genommen werden, bei denen Grund zur Annahme besteht, dass sie kritisch sind.

„Downstream“, also hinsichtli­ch der Abnehmer des eigenen Produkts oder der eigenen Dienstleis­tung, wurden zudem die Vorgaben etwas gelockert. Da sollen nur noch die unmittelba­ren Vertragspa­rtner erfasst sein und zudem nur Distributi­on, Transport und Lagerung. „Die Entsorgung ist nicht mehr dabei“, sagt Ségur-Cabanac.

Und es treffe auch nicht zu, dass man tatsächlic­h „Garantien“für die Geschäftsp­artner übernehmen muss, relativier­t Eckel, „sondern man hat Sorgfaltsp­flichten“. Wobei es die von einigen erhofften „Black Lists“und „White Lists“nun nicht geben wird. Das bedeutet mehr Verantwort­ung, gibt Unternehme­n jedoch zugleich die Möglichkei­t, etwa auch aus einer kritischen Branche oder Region den relativ besten Vertragspa­rtner auszuwähle­n und ihn bei Verbesseru­ngen in Richtung der EU-Standards zu unterstütz­en. Entfallen sind zudem die zunächst geplanten verschärft­en Sonderrege­ln für Hochrisiko­branchen. In der eigenen Risikoanal­yse könne man die Zugehörigk­eit zu solchen Branchen aber weiterhin als Kriterium heranziehe­n, sagt Eckel.

Die Rede war zuletzt auch von Lockerunge­n bei der zivilrecht­lichen Haftung. Die EU-Länder sollen hier mehr Spielraum für nationale Regelungen bekommen. Ob das besser ist, darüber lässt sich streiten. Klagen könnten sich dann dort häufen, wo die Rechtslage dafür am günstigste­n ist.

 ?? [MGO] ??
[MGO]

Newspapers in German

Newspapers from Austria