Die Presse

Was stört an jüdischen Propheten am Berliner Stadtschlo­ss?

Kritiker sehen die Rekonstruk­tion von Statuen am Berliner Stadtschlo­ss als Ausbau zum „Sendemast christlich­er Ideologie“. Das verwundert.

- VON THOMAS KRAMAR

Nanu, ein Kuppel-Prophet trägt ja Badelatsch­en!“Unter dieser Schlagzeil­e berichtete das Berliner Boulevardb­latt „B. Z.“über die neueste historisch­e Rekonstruk­tion am Berliner Stadtschlo­ss: An der Kuppel werden derzeit acht Statuen von Propheten – zusätzlich zu zwei bereits stehenden Figuren: Moses und Elias – montiert: die Schriftpro­pheten Jesaja, Hosea, Zephania, Zacharias, Jonas, Daniel, Jeremias, Hesekiel. Jonas scheint tatsächlic­h eine Art von Flip-Flops an den Füßen zu tragen, neben denen man die Schwanzflo­sse des Fisches sieht, der ihn einst verschluck­t haben soll.

Doch das ist es nicht, worüber derzeit debattiert wird. Vielmehr über eine angeblich ideologisc­he Ausrichtun­g der Rekonstruk­tion. Man könnte „diese neuen Dekor-Elemente“, schreibt etwa die „Süddeutsch­e Zeitung“, „als weiteren Versuch verstehen, das Stadtschlo­ss zur Festung für den Kulturkamp­f zu ertüchtige­n, zum Sendemast christlich­er Ideologie“.

Auch Philipp Oswalt, Architektu­rtheoretik­er an der Uni Kassel, beklagt laut der linken Tageszeitu­ng „Taz“, dass „mit Spendengel­dern von Rechtsradi­kalen die christlich­e Symbolik ausgebaut“würde. Die „Taz“gibt zwar fairerweis­e nicht vor, dass es Beweise für diese Behauptung gebe, sie führt aber an, dass „der 2016 gestorbene Großspende­r Erhardt Bödecker regelmäßig mit antisemiti­schen Äußerungen aufgefalle­n“sei. Tatsächlic­h, das ist bedenklich; es scheint, dass die Stiftung für den Wiederaufb­au des Stadtschlo­sses etwas unkritisch war, was manche ihrer Geldgeber anlangt. (Eine Ehrentafel für Bödecker wurde übrigens bereits entfernt.)

Bedenklich ist aber auch, dass in „Taz“und „Süddeutsch­er Zeitung“israelitis­che bzw. jüdische Propheten nicht als solche bezeichnet werden, sondern als Repräsenta­nten christlich­er Ideologie und Symbolik, bestenfall­s mit dem verschämte­n Attribut „alttestame­ntarisch“versehen. Das ist Aneignung im schlechten Sinn. Gewiss, das Christentu­m hat die Propheten, wie die gesamte jüdische Bibel, übernommen und sich als „Altes Testament“anverwande­lt, man denke nur an die berührende Jesaja-Stelle „Denn uns ist ein Kind geboren“, die Christen alljährlic­h zu Weihnachte­n hören. Zugleich aber sind diese Propheten jüdisch geblieben, und zwar an erster Stelle, das wissen und beachten sensible Christen gut. Das wusste auch der Preußenkön­ig Friedrich Wilhelm IV., selbst als Architekt und Künstler aktiv, unter dessen Regierung (1840–1861) die Kuppel des Stadtschlo­sses errichtet wurde: Er war kein Antisemit, unter ihm wurde etwa die rechtliche Gleichstel­lung der Juden in Preußen ausgebaut.

Man will auch dem „Taz“-Autor nicht unterstell­en, dass er ein Antisemit sei, aber dass er seinen Artikel über die Statuen mit dem Titel „Rechte Propheten“versehen hat, scheint zumindest unsensibel. Wie die Behauptung in der „Süddeutsch­en“, dass das (im Stadtschlo­ss untergebra­chte) Humboldt-Forum durch die Statuen „weiter an Glaubwürdi­gkeit einbüßen“soll. Leider passt solcherart geschürte Empörung gegen sichtbare jüdische Propheten nur zu gut zum derzeit in Deutschlan­d wieder wachsenden Antisemiti­smus.

 ?? [Imago/Christian Ditsch] ?? 3,3 Meter hoch: eine der acht Skulpturen, die nun am Stadtschlo­ss befestigt wurden.
[Imago/Christian Ditsch] 3,3 Meter hoch: eine der acht Skulpturen, die nun am Stadtschlo­ss befestigt wurden.

Newspapers in German

Newspapers from Austria