Was stört an jüdischen Propheten am Berliner Stadtschloss?
Kritiker sehen die Rekonstruktion von Statuen am Berliner Stadtschloss als Ausbau zum „Sendemast christlicher Ideologie“. Das verwundert.
Nanu, ein Kuppel-Prophet trägt ja Badelatschen!“Unter dieser Schlagzeile berichtete das Berliner Boulevardblatt „B. Z.“über die neueste historische Rekonstruktion am Berliner Stadtschloss: An der Kuppel werden derzeit acht Statuen von Propheten – zusätzlich zu zwei bereits stehenden Figuren: Moses und Elias – montiert: die Schriftpropheten Jesaja, Hosea, Zephania, Zacharias, Jonas, Daniel, Jeremias, Hesekiel. Jonas scheint tatsächlich eine Art von Flip-Flops an den Füßen zu tragen, neben denen man die Schwanzflosse des Fisches sieht, der ihn einst verschluckt haben soll.
Doch das ist es nicht, worüber derzeit debattiert wird. Vielmehr über eine angeblich ideologische Ausrichtung der Rekonstruktion. Man könnte „diese neuen Dekor-Elemente“, schreibt etwa die „Süddeutsche Zeitung“, „als weiteren Versuch verstehen, das Stadtschloss zur Festung für den Kulturkampf zu ertüchtigen, zum Sendemast christlicher Ideologie“.
Auch Philipp Oswalt, Architekturtheoretiker an der Uni Kassel, beklagt laut der linken Tageszeitung „Taz“, dass „mit Spendengeldern von Rechtsradikalen die christliche Symbolik ausgebaut“würde. Die „Taz“gibt zwar fairerweise nicht vor, dass es Beweise für diese Behauptung gebe, sie führt aber an, dass „der 2016 gestorbene Großspender Erhardt Bödecker regelmäßig mit antisemitischen Äußerungen aufgefallen“sei. Tatsächlich, das ist bedenklich; es scheint, dass die Stiftung für den Wiederaufbau des Stadtschlosses etwas unkritisch war, was manche ihrer Geldgeber anlangt. (Eine Ehrentafel für Bödecker wurde übrigens bereits entfernt.)
Bedenklich ist aber auch, dass in „Taz“und „Süddeutscher Zeitung“israelitische bzw. jüdische Propheten nicht als solche bezeichnet werden, sondern als Repräsentanten christlicher Ideologie und Symbolik, bestenfalls mit dem verschämten Attribut „alttestamentarisch“versehen. Das ist Aneignung im schlechten Sinn. Gewiss, das Christentum hat die Propheten, wie die gesamte jüdische Bibel, übernommen und sich als „Altes Testament“anverwandelt, man denke nur an die berührende Jesaja-Stelle „Denn uns ist ein Kind geboren“, die Christen alljährlich zu Weihnachten hören. Zugleich aber sind diese Propheten jüdisch geblieben, und zwar an erster Stelle, das wissen und beachten sensible Christen gut. Das wusste auch der Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV., selbst als Architekt und Künstler aktiv, unter dessen Regierung (1840–1861) die Kuppel des Stadtschlosses errichtet wurde: Er war kein Antisemit, unter ihm wurde etwa die rechtliche Gleichstellung der Juden in Preußen ausgebaut.
Man will auch dem „Taz“-Autor nicht unterstellen, dass er ein Antisemit sei, aber dass er seinen Artikel über die Statuen mit dem Titel „Rechte Propheten“versehen hat, scheint zumindest unsensibel. Wie die Behauptung in der „Süddeutschen“, dass das (im Stadtschloss untergebrachte) Humboldt-Forum durch die Statuen „weiter an Glaubwürdigkeit einbüßen“soll. Leider passt solcherart geschürte Empörung gegen sichtbare jüdische Propheten nur zu gut zum derzeit in Deutschland wieder wachsenden Antisemitismus.