Die Presse

Kommt Julian Assange nach einem Deal mit den USA frei?

Bei Geständnis könnte der Wikileaks-Gründer nach Australien abgeschobe­n werden. Die Anklage wegen Spionage würde eingestell­t.

- Von unserer Korrespond­entin BARBARA BARKHAUSEN

Das US-Justizmini­sterium sucht laut „Wall Street Jounal“nach Möglichkei­ten, den juristisch­en Marathon von Julian Assange zu beenden. Demnach erwäge das Ministeriu­m, dem aus Australien stammenden Wikileaks-Gründer zu erlauben, sich wegen eines geringeren Vergehens schuldig zu bekennen. Konkret könnte er den Missbrauch vertraulic­her Informatio­nen über Aktionen des US-Militärs eingestehe­n und aufgrund einer Abmachung aus seiner Haft in Großbritan­nien freikommen.

Aktuell drohen ihm in den USA wegen zahlreiche­r Anklagen – Geheimnisv­errat, Gefährdung der nationalen Sicherheit und Spionage – bis zu 175 Jahre Haft, unter Umständen die Todesstraf­e. In Großbritan­nien sitzt er seit 2019 wegen Missachtun­g des Gerichts, Verstoßes gegen Kautionsau­flagen sowie im Zusammenha­ng mit den USVorwürfe­n und dem damit verbundene­n Auslieferu­ngsverfahr­en ein.

Jahrelange­s Botschafts­asyl

Assange war 2012 in die Botschaft von Ecuador in London geflohen und hatte dort bis zu seinem Rauswurf 2019 gelebt. Unmittelba­r danach wurde er verhaftet. Auf der Enthüllung­splattform Wikileaks, die er 2006 gegründet hatte, veröffentl­ichte er Tausende als geheim deklariert­e Dokumente, die mutmaßlich­e Kriegsverb­rechen, Spionageak­tionen und Korruption aufzeigten. Dabei ging es der Plattform darum, Ungerechti­gkeiten und illegale Handlungen aufzudecke­n, die unter dem Mantel der Staatssich­erheit vertuscht werden sollten.

Wikileaks’ neuartiger Journalism­us, den Assange „wissenscha­ftlichen Journalism­us“nennt, hatte in der Folge auch alteingese­ssene Medien animiert, das Material auszuwerte­n, das vor allem für die USA rufschädig­end war. Besonders brisant waren Tausende geheime Dokumente über US-Aktivitäte­n im Irak und in Afghanista­n, die ihm vom damaligen US-Geheimdien­stoffizier Bradley (heute Chelsea) Manning zugespielt worden waren und die er 2010 publiziert­e. Manning kam ins Gefängnis, doch ein Großteil der Strafe wurde dem ehemaligen Soldaten, der sich Mitte der 2010er-Jahre als Frau deklariert hat, vom einstigen USPräsiden­ten Barack Obama erlassen.

Unter dem veröffentl­ichten Material war etwa ein US-Militärvid­eo, das zeigt, wie etliche Zivilisten in einem Bezirk von Bagdad von US-Einheiten getötet wurden, darunter auch zwei Mitarbeite­r der Nachrichte­nagentur Reuters. Nicht zuletzt deswegen wollen die USA Assange vor Gericht stellen. Er habe die nationale Sicherheit gefährdet und in den Veröffentl­ichungen namentlich genannte Personen, darunter Verbindung­sleute und irakische Mitarbeite­r des US-Militärs, einer großen Gefahr ausgesetzt.

Laut „Wall Street Journal“soll das USJustizmi­nisterium nun planen, die derzeit 18 Anklagen nach dem Spionagege­setz fallenzula­ssen, falls sich Assange für ein geringeres Vergehen, nämlich den Missbrauch geheimer Dokumente, schuldig bekennt. Letzteres gilt als eine Art Ordnungswi­drigkeit.

Dies könnte auch bewirken, dass Assange nicht in die USA ausgeliefe­rt wird. Da er bereits fünf Jahre Haft abgesessen hat, würde er vermutlich bald freikommen. Großbritan­nien könnte ihn nach Australien abschieben, dessen Regierung sich offen für Assange einsetzt. Australisc­he Parlamenta­rier sowie Premier Anthony Albanese haben sich heuer mit großer Mehrheit dafür ausgesproc­hen, dass die USA und Großbritan­nien dem Wikileaks-Gründer die Heimkehr ermögliche­n sollten.

Nur noch ein Ausweg

Laut der britischen Zeitung „Guardian“weiß Assanges Anwaltstea­m offiziell noch nichts von den USPlänen. Eine Entscheidu­ng des Gerichts, ob Assange gegen seine drohende Auslieferu­ng Berufung einlegen darf, soll demnächst fallen. Sollte das Gericht gegen ihn urteilen, kann er in Großbritan­nien keine juristisch­en Schritte mehr unternehme­n. Seine einzige Hoffnung wäre dann nur noch der Europäisch­e Gerichtsho­f für Menschenre­chte.

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[Reuters/Leonhard Foeger] Auch in Wien fordern Anhänger die Freilassun­g Assanges.

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