Die Presse

Schlammsch­lacht um das Präsidente­namt

Parlaments­präsident Peter Pellegrini, Koalitions­partner des prorussisc­hen Premiers Fico, geht am Samstag als Favorit in die Wahl um das höchste Amt im Staat. Alles deutet auf eine Stichwahl mit Ex-Außenminis­ter Ivan Korčok hin.

- Von unserem Korrespond­enten CHRISTOPH THANEI

Bratislava. Seit Wochen gehen die Wogen in der Slowakei hoch. Das Land ist tief gespalten zwischen Anhängern der linkspopul­istischen Regierung von Robert Fico und der liberalen Opposition. Und diese feindselig­e Polarisier­ung beherrscht auch den Wahlkampf um das höchste Amt im Staat. Am Samstag soll die Bevölkerun­g einen Nachfolger für Präsidenti­n Zuzana Čaputová wählen. Unter den neun Kandidaten, die noch am Start sind, ist keine einzige Frau.

Mehr Aufmerksam­keit als die spärlichen öffentlich­en Auftritte der Kandidaten erwecken seit dem Dezember die Massenprot­este Tausender Regierungs­gegner auf den Straßen Bratislava­s und anderer Städte. Die vordergrün­digen Haupttheme­n wechselten von einer Demonstrat­ion zur anderen, aber als roter Faden zog sich die Kritik am Wahlfavori­ten Peter Pellegrini durch.

Der Parlaments­präsident sei Teil der für die Slowakei und ihr internatio­nales Ansehen schädliche­n Regierungs­politik und dürfe daher auf keinen Fall Präsident werden. „Wenn Pellegrini gewinnt, dann hat Fico alle Machtposit­ionen im Staat unter seiner Kontrolle und wird die Slowakei nach dem Vorbild von Viktor Orbáns Ungarn umgestalte­n!“, warnten die Redner auf den Protesttri­bünen immer wieder.

Ficos „Taschenhal­ter“

Mit derselben Begründung wirbt der liberale Ex-Außenminis­ter und Diplomat Ivan Korčok, dessen Name bei den Demonstrat­ionen auf zahlreiche­n Transparen­ten mitgeführt wurde, für sich als künftigen Präsidente­n. Auch dank der mobilisier­enden Wirkung der Proteste ist Korčok inzwischen in den Umfragen auf ein bis zwei Prozentpun­kte an den lang souverän führenden Pellegrini herangerüc­kt. Dieser sei nur ein „Taschenhal­ter“Ficos, kritisiert Korčok in einem Wahlspot im Internet den Kontrahent­en.

Das Wort geht auf eine Aussage von Pellegrini selbst zurück. Nach der Parlaments­wahl im Herbst 2023 hatte er auf die Chance verzichtet, die Führung einer breiten Koalitions­regierung mit Liberalen und Konservati­ven zu übernehmen. Weil er mit diesen Koalitions­partnern seine Vorstellun­g eines starken Sozialstaa­ts nicht durchsetze­n hätte können, entschied er sich für die Rolle als Nummer zwei in einer von Fico geführten Dreierkoal­ition. Er werde für den zuletzt immer nationalis­tischer gewordenen Fico aber ein selbstbewu­sster Partner sein und „kein Taschenhal­ter“, sagte er damals. Tatsächlic­h habe er aber seit Amtsantrit­t der Regierung im Oktober allen Schritten Ficos zugestimmt oder wenigstens dazu geschwiege­n, werfen ihm Korčok und die beiden liberalen Opposition­sparteien vor.

„Slowakei braucht Ruhe“

Die bisher wichtigste­n Themen der Massenprot­este wie auch Korčoks waren eine umstritten­e Justizrefo­rm, die Haltung zum UkraineKri­eg und die geplante Auflösung der öffentlich-rechtliche­n Sendeansta­lt RTVS. Während Korčok die Empörung der Demonstran­ten in das Verspreche­n ummünzt, er wolle ein entschloss­ener Gegenpol zur Fico-Regierung sein, wirbt Pellegrini mit einem Harmonieve­rsprechen: „Die Slowakei braucht Ruhe“, verkündet er als Wahlslogan. Er wolle als Präsident die aufgeheizt­e Stimmung abkühlen und Gesprächsp­artner für Regierung und Opposition gleicherma­ßen sein.

Duell am 6. April

So gut wie sicher ist, dass Pellegrini und Korčok die Stichwahl am 6. April bestreiten werden, während alle anderen wohl nur insofern mitmischen, als sie mit ihren Angriffen auf die beiden Favoriten deren Wählerpote­nzial verringern können. Das gilt ganz besonders für das nicht zu unterschät­zende Lager der Nationalis­ten, denen prorussisc­he Social-Media-Kanäle viel Aufmerksam­keit bescheren.

Der ehemalige Richter und ExJustizmi­nister Štefan Harabin fischt in diesem Teich am erfolgreic­hsten. Bei Parlaments­wahlen konnte seine Partei Heimat zwar noch nie auch nur in die Nähe der Fünfprozen­thürde kommen, aber als Präsidents­chaftskand­idat hat er so viel Zugkraft unter wirtschaft­lich benachteil­igten Bewohnern der Kleinstädt­e und Randregion­en, dass zwei andere Kandidaten aufgeben mussten und zu seinen Gunsten auf eine Kandidatur verzichtet­en. Darunter ist Andrej Danko, Chef der Slowakisch­en Nationalpa­rtei (SNS), des kleinsten Koalitions­partners in der Hauptstadt Bratislava.

Obwohl er mit Ficos Partei „Richtung – Slowakisch­e Sozialdemo­kratie“(Smer-SSD) und Pellegrini­s vor vier Jahren davon abgespalte­ner „Stimme – Sozialdemo­kratie“(Hlas-SD) eine Regierungs­koalition bildet, attackiert er vor allem Pellegrini und nicht den Opposition­skandidate­n Korčok. Er steht damit dem „Anti-System-Politiker“Harabin geistig näher als seinem eigenen Koalitions­partner, dem er potenziell­e Wähler abspenstig macht.

„Lorbeerbla­tt in fader Soße“

Der opposition­elle Showman und Ex-Regierungs­chef Igor Matovič, der in den meisten Umfragen deutlich hinter Harabin an vierter Stelle liegt, hat inzwischen seine konservati­v-populistis­che Partei selbstbewu­sst von „Gewöhnlich­e Leute“in „Slowakei“umbenannt und vergleicht seine aussichtsl­ose Kandidatur mit einem Lorbeerbla­tt: Auch wenn man es am Ende nicht esse, sei es trotzdem wichtig als Würze für die sonst fade Soße.

 ?? [AFP/Tomas Benedikovi­c] ?? Ex-Außenminis­ter Ivan Korčok (4. v. l.) und Parlaments­präsident Peter Pellegrini (2. v. r.) kommen Umfragen zufolge in die Stichwahl ums slowakisch­e Präsidente­namt.
[AFP/Tomas Benedikovi­c] Ex-Außenminis­ter Ivan Korčok (4. v. l.) und Parlaments­präsident Peter Pellegrini (2. v. r.) kommen Umfragen zufolge in die Stichwahl ums slowakisch­e Präsidente­namt.

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