Schlammschlacht um das Präsidentenamt
Parlamentspräsident Peter Pellegrini, Koalitionspartner des prorussischen Premiers Fico, geht am Samstag als Favorit in die Wahl um das höchste Amt im Staat. Alles deutet auf eine Stichwahl mit Ex-Außenminister Ivan Korčok hin.
Bratislava. Seit Wochen gehen die Wogen in der Slowakei hoch. Das Land ist tief gespalten zwischen Anhängern der linkspopulistischen Regierung von Robert Fico und der liberalen Opposition. Und diese feindselige Polarisierung beherrscht auch den Wahlkampf um das höchste Amt im Staat. Am Samstag soll die Bevölkerung einen Nachfolger für Präsidentin Zuzana Čaputová wählen. Unter den neun Kandidaten, die noch am Start sind, ist keine einzige Frau.
Mehr Aufmerksamkeit als die spärlichen öffentlichen Auftritte der Kandidaten erwecken seit dem Dezember die Massenproteste Tausender Regierungsgegner auf den Straßen Bratislavas und anderer Städte. Die vordergründigen Hauptthemen wechselten von einer Demonstration zur anderen, aber als roter Faden zog sich die Kritik am Wahlfavoriten Peter Pellegrini durch.
Der Parlamentspräsident sei Teil der für die Slowakei und ihr internationales Ansehen schädlichen Regierungspolitik und dürfe daher auf keinen Fall Präsident werden. „Wenn Pellegrini gewinnt, dann hat Fico alle Machtpositionen im Staat unter seiner Kontrolle und wird die Slowakei nach dem Vorbild von Viktor Orbáns Ungarn umgestalten!“, warnten die Redner auf den Protesttribünen immer wieder.
Ficos „Taschenhalter“
Mit derselben Begründung wirbt der liberale Ex-Außenminister und Diplomat Ivan Korčok, dessen Name bei den Demonstrationen auf zahlreichen Transparenten mitgeführt wurde, für sich als künftigen Präsidenten. Auch dank der mobilisierenden Wirkung der Proteste ist Korčok inzwischen in den Umfragen auf ein bis zwei Prozentpunkte an den lang souverän führenden Pellegrini herangerückt. Dieser sei nur ein „Taschenhalter“Ficos, kritisiert Korčok in einem Wahlspot im Internet den Kontrahenten.
Das Wort geht auf eine Aussage von Pellegrini selbst zurück. Nach der Parlamentswahl im Herbst 2023 hatte er auf die Chance verzichtet, die Führung einer breiten Koalitionsregierung mit Liberalen und Konservativen zu übernehmen. Weil er mit diesen Koalitionspartnern seine Vorstellung eines starken Sozialstaats nicht durchsetzen hätte können, entschied er sich für die Rolle als Nummer zwei in einer von Fico geführten Dreierkoalition. Er werde für den zuletzt immer nationalistischer gewordenen Fico aber ein selbstbewusster Partner sein und „kein Taschenhalter“, sagte er damals. Tatsächlich habe er aber seit Amtsantritt der Regierung im Oktober allen Schritten Ficos zugestimmt oder wenigstens dazu geschwiegen, werfen ihm Korčok und die beiden liberalen Oppositionsparteien vor.
„Slowakei braucht Ruhe“
Die bisher wichtigsten Themen der Massenproteste wie auch Korčoks waren eine umstrittene Justizreform, die Haltung zum UkraineKrieg und die geplante Auflösung der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt RTVS. Während Korčok die Empörung der Demonstranten in das Versprechen ummünzt, er wolle ein entschlossener Gegenpol zur Fico-Regierung sein, wirbt Pellegrini mit einem Harmonieversprechen: „Die Slowakei braucht Ruhe“, verkündet er als Wahlslogan. Er wolle als Präsident die aufgeheizte Stimmung abkühlen und Gesprächspartner für Regierung und Opposition gleichermaßen sein.
Duell am 6. April
So gut wie sicher ist, dass Pellegrini und Korčok die Stichwahl am 6. April bestreiten werden, während alle anderen wohl nur insofern mitmischen, als sie mit ihren Angriffen auf die beiden Favoriten deren Wählerpotenzial verringern können. Das gilt ganz besonders für das nicht zu unterschätzende Lager der Nationalisten, denen prorussische Social-Media-Kanäle viel Aufmerksamkeit bescheren.
Der ehemalige Richter und ExJustizminister Štefan Harabin fischt in diesem Teich am erfolgreichsten. Bei Parlamentswahlen konnte seine Partei Heimat zwar noch nie auch nur in die Nähe der Fünfprozenthürde kommen, aber als Präsidentschaftskandidat hat er so viel Zugkraft unter wirtschaftlich benachteiligten Bewohnern der Kleinstädte und Randregionen, dass zwei andere Kandidaten aufgeben mussten und zu seinen Gunsten auf eine Kandidatur verzichteten. Darunter ist Andrej Danko, Chef der Slowakischen Nationalpartei (SNS), des kleinsten Koalitionspartners in der Hauptstadt Bratislava.
Obwohl er mit Ficos Partei „Richtung – Slowakische Sozialdemokratie“(Smer-SSD) und Pellegrinis vor vier Jahren davon abgespaltener „Stimme – Sozialdemokratie“(Hlas-SD) eine Regierungskoalition bildet, attackiert er vor allem Pellegrini und nicht den Oppositionskandidaten Korčok. Er steht damit dem „Anti-System-Politiker“Harabin geistig näher als seinem eigenen Koalitionspartner, dem er potenzielle Wähler abspenstig macht.
„Lorbeerblatt in fader Soße“
Der oppositionelle Showman und Ex-Regierungschef Igor Matovič, der in den meisten Umfragen deutlich hinter Harabin an vierter Stelle liegt, hat inzwischen seine konservativ-populistische Partei selbstbewusst von „Gewöhnliche Leute“in „Slowakei“umbenannt und vergleicht seine aussichtslose Kandidatur mit einem Lorbeerblatt: Auch wenn man es am Ende nicht esse, sei es trotzdem wichtig als Würze für die sonst fade Soße.