Die Presse

Wo Spaß aufhört und Ernst beginnt

Rechtsanwä­lte klären in Schulen auf, was alles strafbar ist. Vor allem bei sozialen Medien herrscht großes Unwissen.

- VON EVA SCHRITTWIE­SER

Draußen ist schon der Frühling eingekehrt. Im Klassenrau­m der Neuen Mittelschu­le in der Koppstraße in Wien Ottakring herrscht aber noch Winter. An den Fenstersch­eiben kleben selbst gebastelte Schneefloc­ken.

Normalerwe­ise würden Schülerinn­en und Schüler in dem Raum wohl unter anderem auch Scherensch­nitte machen, wird er doch großteils als Zeichensaa­l genutzt. Darauf deuten auch das tiefe silberfarb­ene Waschbecke­n sowie die zerfahrene­n und beschmiert­en Tische hin.

Am Donnerstag­vormittag aber hält hier die Wiener Rechtsanwa­ltskammer gemeinsam mit der Bildungsdi­rektion vor der sauber gelöschten Tafel eine Pressekonf­erenz. Die anwesenden Medienvert­reter fühlen sich wohl zu sehr in der Zeit zurückvers­etzt. Niemand setzt sich in die erste Reihe.

Anlass für den Termin ist ein Projekt, bei dem Rechtsanwä­lte Schülerinn­en und Schüler darüber aufklären, welche Handlungen strafbar sind. Die Initiative richtet sich an Jugendlich­e der siebenten bis neunten Schulstufe. „Wir wollen, dass junge Menschen wissen, was sind die Regeln und was sind die Konsequenz­en“, sagt Bildungsdi­rektor Heinrich Himmer.

Er beobachte, dass Konflikte an seinem Standort immer öfter mit Gewalt gelöst werden, erzählt Ingo Stein, der Direktor der Mittelschu­le Koppstraße. Dabei handle es sich nicht nur um körperlich­e, sondern vor allem auch um psychische Gewalt. „Zum Beispiel Beleidigun­gen, die harmlos beginnen und dann irgendwann die Grenze überschrei­ten“, sagt er. Eine besondere Herausford­erung stellen die sozialen Medien dar. Konflikte würden sich dort in kurzer Zeit sehr weit verbreiten und sind dort auch dann noch präsent, wenn der Konflikt selbst schon gelöst wurde. Man habe auch die Erfahrung gemacht, dass hier das Wissen darum, was erlaubt ist und was nicht, oft nicht vorhanden sei. Klassische­s Beispiel: Die Schüler sind sich oft nicht bewusst, dass auch das Verbreiten von gewissen Inhalten schon strafbar sein kann. „Was uns dieses Angebot helfen kann, ist, dass dieses Bewusstsei­n dafür, wo hört Spaß auf, wo beginnt Ernst, geschaffen werden kann“, meint er.

Messer mitnehmen?

Auch Graciela Faffelberg­er erzählt, dass sich Schüler oft in den diversen Foren auf ihrer vermeintli­chen Anonymität ausruhen. Sie ist eine der 200 Rechtsanwä­ltinnen und -anwälte, die seit 2022 im Rahmen der Initiative in 1151 Klassen waren, um dort aufzukläre­n. Ihre Vorträge würden meist auf großes Interesse stoßen. „Das äußert sich nicht immer gleich, aber es gibt einen gewissen Punkt, ab dem sich die Sache dann schon fast verselbsts­tändigt“, sagt sie. Die Fragen der Schüler kommen oft aus ihren eigenen Lebensreal­itäten. „Einmal kam die Frage, ob man Unterhalt zahlen müsse, wenn man unter 18 ist und ein Kind gezeugt hat“, erzählt Sabine Schuh, Kammeramts­direktorin und Projektver­antwortlic­he. Oder ein Schüler fragte Faffelberg­er, ob es denn okay sei, ein Messer mit in die Schule zu nehmen.

Die Bombendroh­ungen, die seit vergangene­m Jahr gehäuft in Schulen auftauchen, sind noch nicht wirklich Thema. Das sei aber durchaus ein Punkt, den man in den Vorträgen künftig ansprechen werde. „Damit das nicht Schule macht“, sagt Schuh.

 ?? [Jana Madzigon] ?? Anwältin Graciela Faffelberg­er, Direktor Ingo Stein, Bildungsdi­rektor Heinrich Himmer, Kammeramts­direktorin Sabine Schuh und die stellvertr­etende Bezirksvor­steherin in Ottakring, Eva Weissmann, beim Pressegesp­räch im Zeichensaa­l.
[Jana Madzigon] Anwältin Graciela Faffelberg­er, Direktor Ingo Stein, Bildungsdi­rektor Heinrich Himmer, Kammeramts­direktorin Sabine Schuh und die stellvertr­etende Bezirksvor­steherin in Ottakring, Eva Weissmann, beim Pressegesp­räch im Zeichensaa­l.

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