Das Zeugnis für den Damenchef
Roland Assinger hat als neuer Cheftrainer der ÖSV-Damen viel bewirkt, der Nationencup ist in Griffweite. Aber ist es am Ende auch genug?
Saalbach-Hinterglemm. Roland Assinger hat so seine Prinzipien. Dazu gehören Pünktlichkeit, keine Extrawürste in einer Weltcupmannschaft, das gemeinsame Quälen im Fitnessraum – und kein Humor beim Thema Nationencup. Was bemerkenswert ist, weil der jüngere Bruder von Armin Assinger ansonsten alles andere als humorlos ist. Doch nun geht es um den Abschluss seiner ersten Saison als Cheftrainer der ÖSV-Damen. Kein leichter Posten in jüngerer Vergangenheit, und einer, der im Misserfolgsfall einem Schleudersitz gleichkommt.
Von Misserfolg aber kann keine Rede sein, zumindest nicht nach den aktuellen ÖSV-Ansprüchen, die mit einstigen Höhenflügen nur wenig zu tun haben. Denn Assingers Prinzipien hatten prompt ihre Wirkung: Die Athletinnen vertrauen ihm. Das war schon in seiner Zeit als Gruppentrainer der Speeddamen so (2014 bis 2020) – ein Engagement, das jäh endete, weil Assinger bei den Vertragsverhandlungen zu hoch pokerte, so sah es zumindest der damalige ÖSV-Präsident, Peter Schröcksnadel.
Assingers Speedmannschaft hat eine beachtliche Saison hinter sich, lieferte beim Heimweltcup in Zauchensee ein Spektakel ab und stellt mit Cornelia Hütter und Stephanie Venier beim Saisonfinale in Saalbach-Hinterglemm (Super G heute, 10 Uhr, Abfahrt am Samstag, 11.15 Uhr, je live, ORF1, Eurosport) zwei Läuferinnen, die noch um die Disziplinwertungen kämpfen, wenn auch als Außenseiterinnen gegen Lara Gut-Behrami. Und da ist auch noch der hauchdünne Vorsprung im Nationencup der Damen, den es über die Ziellinie zu bringen gilt. Ein Titel, der bei den ÖSV-Herren außer Reichweite ist.
„Für mich ist das wichtig, weil dieser Zweikampf mit der
Schweiz seit jeher ein
Thema ist. Es ist mein persönliches Ziel, dass wir den heimbringen“, erklärt Assinger. Von den Athletinnen oft belächelt, würde der Sieg im Nationencup für ihn vor allem eines bedeuten: „Dass wir besser sind als die Schweizer. Um das geht’s“, sagt er.
Apropos Schweiz. Nach seinem unliebsamen ÖSV-Abgang vor vier Jahren heuerte er beim Skigymnasium Davos an – und erlebte eine einzigartige Sportkultur, wie er erzählt. Die Lehrer würden im Winter mit dem Fahrrad in die Schule fahren und die Jäger den Mountainbikern keine bösen Blicke zuwerfen, sondern sie anfeuern. Auch deshalb seien die Eidgenossen skifahrerisch enteilt, der geschlechterübergreifende Nationencup ist seit zwei Jahren fest in Schweizer Hand.
Dass er nun auf Anhieb zumindest mit seinem Damenteam zurückschlagen kann, wird Assinger auch eine gewisse Genugtuung geben. Seine Saisonbilanz ist dennoch zwiespältig. „Im Speed sehr positiv, keine Frage.“Vor allem haben die Abfahrerinnen weniger Probleme, sich zu überwinden und wieder ans Limit zu gehen. Ungewöhnlich für einen Cheftrainer, steht Assinger am Start und gibt letzte Anweisungen. „Gerade im Abfahrtssport ist sehr viel Vertrauen die Basis“, sagt der 50jährige Ex-Rennläufer (ein Weltcuppodest). „Ich kenne die Strecken in- und auswendig, weil ich sie selbst gefahren bin. Und ich weiß, wie es sich anfühlt, mit 130 km/h hinunterzufahren.“
Gesprächsbedarf mit Stecher
Dann aber ist da sein Technikteam. „In den technischen Disziplinen haben wir Arbeit.“Der Tiefpunkt war im Jänner in Jasna erreicht, als es erstmals seit 1985 keine Österreicherin in das Klassement eines Riesentorlaufs schaffte. Was auch den neuen ÖSV-Sportdirektor auf den Plan ruft. „Es sollte nicht der Anspruch sein, nicht ständig um das Podest mitzumischen“, erklärte Mario Stecher. „Es ist ein Ziel, dass wir das sofort wieder schaffen.“Doch Assinger widerspricht: „Das Zurück wird dauern.“
Seine eigene ÖSV-Zukunft ist ob des Aufwärtstrends der Damen und der Heim-WM 2025 in Saalbach gesichert, mit Stecher gab es einen ersten Austausch. „Das wird jetzt intensiviert. Dann werden wir sehen, was wir verbessern können.“Die Assinger-Prinzipien jedenfalls bleiben. Sie sollen ihm nun den Nationencup bescheren – und seinen Schützlingen vielleicht auch noch eine Kristallkugel. „Ich erwarte, dass wir angasen. Es geht darum, auf Sieg zu fahren.“
Die Harmonie im Team, das Vertrauen zwischen Athletinnen und Trainern ist das Wichtigste.
Roland Assinger