Die Presse

Strom ist wieder richtig billig – aber nicht für alle

An den Börsen purzeln die Energiepre­ise seit Monaten. Aber nur wer sich kümmert, zahlt wieder so wenig wie vor der Krise.

- VON MATTHIAS AUER

Wer im Zuge der Energiekri­se das erste Mal genauer auf seine Stromrechn­ung geblickt hat, muss sich heute vorkommen wie im Wunderland. Statt Fantasiepr­eisen von 50 bis 60 Cent je Kilowattst­unde ist Strom an der Börse heute schon wieder um weniger als zehn Cent zu haben.

Allein im Vorjahr sind die Großhandel­spreise für Strom und Gas um die Hälfte gefallen. Und das kommt nun – mit Verspätung – auch bei den österreich­ischen Haushalten an. Viele Anbieter, zuletzt der Verbund und die Wien Energie, senken ihre Preise und werben kräftig damit. Doch die Mehrheit der Stromkunde­n im Land profitiert davon (noch) nicht.

Bei Neukundenv­erträgen näherten sich die Preise zwar schon wieder dem Wert, der auch an den Börsen verlangt werde, sagt E-Control-Chef Wolfgang Urbantschi­tsch. Bei Bestandsku­nden kämen die gesunkenen Preise hingegen nicht oder nur mit großer Verzögerun­g an. „Ein Strompreis von 25 Cent je Kilowattst­unde ist nicht mehr günstig“, sagt er. Wirklich billige Anbieter seien inzwischen im einstellig­en Centbereic­h unterwegs. Das Gros der Kunden bezahle jedoch immer noch um die 20 Cent, vereinzelt bis zu 50 Cent je Kilowattst­unde. Ein Problem sind aus der Sicht des Regulators

die intranspar­enten Stromrechn­ungen und „kreativen“Rabattakti­onen der Anbieter. Jeder zweite Kunde im Land hat keine Ahnung, wie viel er tatsächlic­h für Strom bezahlt. Bei Gas tappen sogar sieben von zehn im Dunkeln.

Floater statt Ballonprei­se

Selbst wenn die Preise für Bestandsku­nden gesenkt werden, profitiere­n nicht alle. Wer sich nicht kümmert, bezahlt oft weiter „extreme Preise“, sagt E-ControlChe­fvolkswirt Johannes Mayer. Denn viele Unternehme­n verrechnen weiterhin „Ballonprei­se“von 50 bis 60 Cent und bieten dann großzügige Rabatte an. Nicht alle Kunden wissen, dass sie aktiv zustimmen müssen, um davon zu profitiere­n. „Wir müssen daher damit rechnen, dass zehn Prozent der Kunden selbst bei den jüngsten Preissenku­ngen zurückblei­ben.“Darum plädiert die Behörde für „echte“Senkungen der Preise je Kilowattst­unde anstelle der intranspar­enten Rabatte. Der sicherste Weg zu billigeren Strom- und Gaspreisen ist jedoch ohnedies der Lieferante­nwechsel.

Mayer bricht dabei auch eine Lanze für sogenannte Floater-Tarife, bei denen der Energiepre­is automatisc­h mit den Preisen an der Börse mitschwank­t. In Hochpreisp­hasen sind solche Tarife natürlich riskanter als Verträge mit fixen Preisen. Aber selbst im Jahr 2022, auf dem Höhepunkt der Energiepre­iskrise, wären heimische Kunden mit einem Floater relativ günstig davongekom­men. Im Schnitt hätten sie knapp über 26 Cent je Kilowattst­unde bezahlt, 2023 waren es noch zehn Cent.

Aktuell liegt man mit Floatern oft so niedrig, dass nicht einmal mehr die Strompreis­kostenbrem­se der Regierung greift. Händler an der Börse rechnen auch für 2025 mit weiter fallenden Preisen. Angesichts dieser Entwicklun­g müsse der Bund „natürlich überdenken, ob es noch staatliche Hilfsmaßna­hmen braucht“, so Urbantschi­tsch.

Ökonomen des Wifo machten kürzlich auch mangelnden Wettbewerb unter Landesener­gieversorg­ern für die hohen Strompreis­e verantwort­lich. „Dieses strukturel­le Problem haben wir seit der Liberalisi­erung“, sagt auch Mayer. Viele internatio­nale Anbieter hätten sich rasch an die hohen Margen in Österreich gewöhnt. Aber es gebe genug Lieferante­n, die gute Preise böten. Man müsse sie nur suchen – und zu ihnen wechseln.

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