Was, wenn doch der Crash kommt?
Die Marktstimmung ist derzeit euphorisch. Weshalb eine Korrektur sogar willkommen wäre und wie sie für Zukäufe genutzt werden könnte, erklärt Marktstratege Heiko Böhmer.
Die Börseneuphorie kennt scheinbar keine Grenzen, zahlreiche Indizes erzielten neue Höchststände. In den USA ist künstliche Intelligenz (KI) ein großer Treiber. Beim deutschen Leitindex DAX wiederum profitieren etwa Versicherungskonzerne wie Allianz von höheren Zinsen. Denn Lebensversicherungen werden dann wieder attraktiver. Und das Softwareschwergewicht SAP kann mit seinem Cloud-Geschäft punkten.
Sollten Anleger sich nach den fulminanten Kurszuwächsen trotzdem auf eine Korrektur einstellen? Heiko Böhmer, Kapitalmarktstratege beim deutschen Vermögensverwalter Shareholder Value Management, will die aktuelle Marktentwicklung nicht überbewerten. „Allein die Tatsache, dass neue Rekordhochs erreicht wurden, muss nicht zwangsläufig zu einer Korrektur führen“, sagt Böhmer im Gespräch mit der „Presse“auf dem Wiener Fondskongress. Und selbst wenn es an den Börsen demnächst zu Rücksetzern käme, etwa weil die Sorge wegen einer möglichen weiteren Verschiebung der ersten Zinssenkung wächst, sei dies kein Grund, Aktien grundsätzlich zu meiden. „Dies wäre sogar eine gesunde Entwicklung und könnte für Zukäufe genutzt werden.“
US-Aktien sind teurer
Die grundsätzlich positive Marktmeinung spiegelt sich auch in der Anlagestrategie des Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen von Shareholder Value Management wider, in den Privatanleger ebenfalls investieren können. Dort lag die Aktienquote, die zwischen 40 und 100 Prozent schwanken kann, zuletzt bei knapp über 85 Prozent. Der Rest ist derzeit in Cash geparkt.
Ein wenig Vorsicht lässt man bei US-Technologieaktien walten, die besonders stark zugelegt haben. Im Fonds wurde die Gewichtung von Titeln wie z. B. Microsoft gesenkt, der Anteil europäischer Aktien auf zuletzt rund 76 Prozent des Fondsvermögens erhöht. Denn europäische Aktien sind deutlich günstiger bewertet. So lag das Kurs-GewinnVerhältnis
(KGV) beim MSCI Europe Index zuletzt bei rund 14,7 und beim S&P 500 bei 24,5. Damit weitete sich die Bewertungsdiskrepanz im Jahresvergleich aus. Vor zwölf Monaten, als der KI-Boom in den USA erst am Beginn stand, lag das KGV in Europa bei 13,4, beim USPendant bei 18,5.
Zudem setzt der Fonds in Europa verstärkt auf defensivere Unternehmen, um Kursschwankungen insgesamt zu verringern. Dazu zählen Investments in Finanztitel wie die Versicherungskonzerne Scor aus Frankreich und ASR Nederland. Banken kommen für Böhmer nicht infrage – er meint, deren Bilanzen seien schwer zu durchschauen. Wichtig sei bei der Aktienselektion auch, dass sich die Firmengewinne auf die nächsten fünf Jahre gut einschätzen lassen.
Weitere Kriterien sind etwa Dividendenzahlungen und Aktienrückkäufe. Aus all den Kennzahlen wird der hausinterne „Total Shareholder Value“berechnet, der vorgibt, ob eine Aktie teuer oder günstig
bewertet ist. „Dabei müssen nicht alle Kriterien erfüllt werden, es zählt die Gesamtbewertung.“
Flaute nach der Pandemie
Positiv fällt diese etwa für Sartorius Stedim Biotech aus. Dabei bekam der französische Pharma- und Laborausrüster den Wegfall des Coronageschäfts zunächst kräftig zu spüren, was auf dem Aktienkurs lastete. Kunden hatten während der Pandemie noch massiv Verbrauchsgüter für die Produktion
von Biotech-Wirkstoffen bestellt. Dieser Lagerüberhang wurde nach der Pandemie nur langsam abgebaut. Inzwischen bessere sich die Auftragslage allmählich wieder, sagt Böhmer. Den Kursrücksetzer habe man bereits im vergangenen Jahr für Zukäufe genutzt. „Das zugrundeliegende Unternehmenswachstum ist intakt.“
Selbst bei kleineren Firmen wird der Fonds fündig, so etwa bei der Schweizer Online-Apotheke DocMorris, die auch in Deutschland tätig ist. Dort löste Anfang Jänner das elektronische Rezept jenes auf Papier endgültig ab, davon könnte DocMorris profitieren, sagt Böhmer. Patienten könnten Rezepte vermehrt online einlösen, statt mit App oder Papierausdruck in eine Apotheke zu gehen. Vorbild sei etwa Schweden: „Dort schnellten die Online-Medikamentenkäufe nach Einführung des elektronischen Rezepts nach oben.“
Wie bei allen Geldanlagen sind jedoch auch bei diesem Produkt Verluste möglich.