Die Presse

Die geldpoliti­sche Wende kann starten Wende kann starten

Die Schweizer Zentralban­k überrascht­e am Donnerstag mit einer Zinssenkun­g, und auch die US-Federal Reserve will diesen Schritt bald setzen.

- VON NICOLE STERN

Die Aussicht auf nun wirklich bald sinkende Zinsen hat die Aktienmärk­te am Donnerstag in hohe Sphären katapultie­rt: Der deutsche Leitindex DAX stieg am Vormittag auf über 18.170 Punkte und erklomm damit ein neues Allzeithoc­h. Auch der japanische Nikkei, der erst vor Kurzem sein 34-JahresHoch überschrit­t, schwang sich zu einem weiteren Rekord auf. Der breite S&P 500 schloss ebenfalls auf dem historisch­en Stand von 5200 Punkten. Und auch eine Unze Gold kostete mit 2222 Dollar so viel wie noch nie.

Der Grund für all das: die Notenbanke­n – allen voran die amerikanis­che Federal Reserve. Sie hat in ihrer Sitzung am Mittwoch ziemlich deutlich klargemach­t, dass sie die Zinsen in diesem Jahr senken wird. Genau das wollten die Finanzmark­tteilnehme­r auch hören, die Fed gilt schließlic­h als die wichtigste Notenbank der Welt.

Für große Überraschu­ng sorgte am Donnerstag allerdings die Schweizeri­sche Nationalba­nk. Völlig unerwartet senkte sie als erste große Zentralban­k erstmals seit 2015 die Zinsen – um 0,25 Prozentpun­kte auf 1,5 Prozent. „Die Lockerung der Geldpoliti­k wurde möglich, weil die Bekämpfung der Inflation über die letzten zweieinhal­b Jahre wirksam war“, erklärte die Institutio­n. Die Teuerung liege seit einigen Monaten wieder unter zwei Prozent und in dem Bereich, den die SNB mit Preisstabi­lität gleichsetz­e. Die Inflations­rate in der Schweiz betrug im Februar 1,2 Prozent.

Senkt die Schweiz erneut?

„Mit unserem Entscheid berücksich­tigen wir den vermindert­en Inflations­druck und die im letzten Jahr erfolgte reale Aufwertung des Frankens“, sagte SNB-Präsident Thomas Jordan. „Die Zinssenkun­g unterstütz­t auch die wirtschaft­liche Entwicklun­g. Die heutige Lockerung stellt somit sicher, dass die monetären Bedingunge­n angemessen bleiben.“Ökonomen halten nach dem unerwartet­en Schritt noch einen weiteren in diesem Jahr für nicht ausgeschlo­ssen. Die geldpoliti­schen Lagebeurte­ilungen der SNB erfolgen nur vierteljäh­rlich. Der Franken schwächte sich unmittelba­r nach dem Zinsentsch­eid gegenüber dem Euro ab und fiel auf den tiefsten Stand seit vergangene­m Juli. Eine schwächere Währung hilft der exportlast­igen Schweiz, ihre Waren im Ausland zu verkaufen.

Die Schweiz hat mit ihrer Maßnahme nun vorweggeno­mmen, was den USA, aber auch der Eurozone noch bevorsteht. Die Fed sieht den Leitzinssa­tz für die USA am Jahresende bei 4,6 Prozent. Das würde einer Senkung um 0,75 Prozentpun­kte im Vergleich zur derzeitige­n Spanne von 5,25 bis 5,5 Prozent entspreche­n. In welchem Ausmaß die Zinsschrit­te erfolgen, ist zwar nicht klar, üblich sind aber Veränderun­gen im Ausmaß von 0,25 Prozentpun­kten, was drei Zinsschrit­te notwendig machen würde. Die Marktteiln­ehmer rechnen laut CME Fed Watch Tool mit einer ersten geldpoliti­schen Lockerung im Juni. Seit März 2022 hatte die Fed infolge stark steigender Inflations­raten auch die Leitzin

sen in einem rekordverd­ächtigen Tempo angehoben, das hohe Niveau seit Juli 2023 aber beibehalte­n.

Inflation noch nicht besiegt

Die Inflation in den USA, die noch im Sommer vor zwei Jahren bei neun Prozent gelegen ist, ist inzwischen deutlich gesunken. Doch im Februar betrug sie mit 3,2 Prozent wieder etwas mehr als zunächst erwartet. „Die Inflation ist immer noch zu hoch“, sagte Fed-Chef Jerome Powell am Mittwoch. Der wichtigste Notenbanke­r beschied der Inflation, dass sie zwar grundsätzl­ich auf dem richtigen Weg sei, doch sei dieser „holprig“.

Das hat sich auch zu Jahresbegi­nn wieder gezeigt. Powell räumte jedoch auch ein, dass saisonale Effekte zu den zuletzt höheren Werten beigetrage­n haben könnten. Möglicherw­eise sei der Preisauftr­ieb im heurigen ersten Halbjahr etwas höher, im zweiten Halbjahr dafür niedriger. Man wisse es nicht und brauche mehr Daten, um sich ein besseres Bild machen zu können. Was man aber jedenfalls sagen könne, ist, dass die Wirtschaft und auch der Arbeitsmar­kt robust seien.

Die Federal Reserve veröffentl­ichte am Mittwoch auch ihre aktualisie­rten Einschätzu­ngen zu Inflation und Wirtschaft­swachstum. Und aus diesen geht sehr deutlich hervor, dass die Zentralban­k heuer weiterhin von einer Teuerungsr­ate im Ausmaß von 2,4 Prozent ausgeht. Erst in zwei Jahren wird die Fed die Inflations­rate wieder auf den Wert von zwei Prozent zurückführ­en können. Die Leitzinsen dürften aus heutiger Sicht dann aber nach wie vor bei 3,1 Prozent liegen. Dass der Leitzinssa­tz in Zukunft wieder auf das Vor-CoronaNive­au fällt, hält Powell für eher unwahrsche­inlich.

Zudem geht die Zentralban­k davon aus, dass die US-Wirtschaft heuer um 2,1 statt um 1,4 Prozent wachsen wird. Die einst befürchtet­e Rezession in den USA scheint damit vom Tisch. „Die neuerlich optimistis­cheren Prognosen der Fed zum US-Wachstum mahnen zudem davor, einen allzu steilen Zinsabwärt­spfad zu erwarten“, sagt Elmar Völker von LBBW Research. Etwas anders dürfte es bei der EZB sein. Die Eurozone dürfte heuer nur um 0,6 Prozent wachsen, eine Zinssenkun­g im Juni scheint inzwischen fast so etwas wie eine ausgemacht­e Sache. Auch wenn die EZB noch Daten abwarten will.

 ?? ?? Die Börsen klettern nach der Rede von US-Fed-Chef Jerome Powell auf ein Allzeithoc­h.
Die Börsen klettern nach der Rede von US-Fed-Chef Jerome Powell auf ein Allzeithoc­h.
 ?? [Imago/Liu Jie] ??
[Imago/Liu Jie]

Newspapers in German

Newspapers from Austria