Die Presse

Helnwein-Bild fliegt aus Stephansdo­m – der Grund ist abstrus

Das Foto eines Buben als auferstand­ener Christus würde die „Menschen verstören“, sagt das Domkapitel. Es wird daher nicht aufgehängt.

- VON ALMUTH SPIEGLER E-Mails an: almuth.spiegler@diepresse.com

Man könnte Gottfried Helnwein aus vielen Gründen canceln. Weil seine Kunst langweilig ist, vorhersehb­ar, glatt, redundant. Weil er mit seinen Werbebilde­rn malträtier­ter Kinder etwas anprangern will, was er damit auch bedient, eine Lust an der Gewalt. Weil er dafür immer nur Mädchen verwendet. Oder weil er in eine Nähe zur – liberalen Geistern unerträgli­chen – Sekte Scientolog­y geraten ist, aus der er sich auch nach Jahrzehnte­n der Dementis sichtlich nicht lösen kann.

Aber der Grund, warum das Domkapitel des Wiener Stephansdo­ms Helnwein jetzt cancelt, wie am Donnerstag bekannt wurde, ist absurd. Zumindest der offiziell verlautbar­te.

Demzufolge könne das HelnweinSu­jet, das am Karsamstag seinem aktuell vor dem Hochaltar hängenden Fastentuch hätte folgen sollen, die „Menschen verstören“. Weswegen es jetzt nicht aufgehängt werden soll; es wäre der zweite Teil einer ganzen Verhüllung­sserie gewesen. Auch der dritte zu Pfingsten ist abgesagt. Was am „Ostertuch“so Verstörend­es zu sehen gewesen wäre? Ein Kind, in diesem Fall nicht einmal ein Mädchen, sondern ein biblischer Knabe, in der Pose des Auferstand­enen. Also mit Wundmalen.

Dieses Motiv, das Jesuskind mit Wundmalen, gibt es zuhauf in der kirchliche­n Kunst. Derart wurde auf sein künftiges Schicksal hingewiese­n.

Wie schon sein Fastentuch, ein Zitat des Turiner Grabtuchs, ist auch dieses Motiv von Zeit und Ort her eine der am wenigsten polarisier­enden Aktionen Helnweins überhaupt. Könnte man denken.

Was ist geschehen? Die rechtskons­ervativen Kräfte, die schon im kopfüber gedrehten Turiner Grabtuch „Satanistis­ches“sehen wollten, hätten sich durchgeset­zt, sagt Dompfarrer Toni Faber. Eine schwere Niederlage für ihn. Noch dazu, weil das Domkapitel alle Motive (nicht die genauen Bilder) abgesegnet hatte. Wie soll er in Zukunft mit Künstlern arbeiten, fragt Faber sich, wenn er die Durchführu­ng nicht garantiere­n könne?

Am Karsamstag werden die hier werkenden Kräfte jedenfalls wieder ihre „heile“Welt haben – die freie Sicht auf den Hochaltar des Doms. Mit der Steinigung des heiligen Stephanus.

Ein kunsthisto­risches Motiv soll Gläubigen plötzlich nicht zumutbar sein. Hoffentlic­h schauen sie sich jetzt nicht genau um in den Kirchen.

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[Privat] Helnwein-Bild auf „Pfarrblatt“-Cover.

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