Die Presse

Sinnlose Platzgesta­ltung

Der Schärdinge­r Bürgermeis­ter sollte sich mit dem geistigen Erbe unseres Kulturraum­es auseinande­rsetzen.

- VON BRUNO MALDONER

Für viele Stadtplätz­e von Altstädten werden heute strukturfr­emde Begrünunge­n, Umbauten nach dem „Schwammsta­dtprinzip“oder die Freimachun­g von Windkorrid­oren propagiert. Unter Hinweis auf durch den Klimawande­l gebotene Notwendigk­eiten setzt man Maßnahmen – möglichst ohne nachzudenk­en! –, die weder mit historisch­en Straßenbil­dern, noch mit der historisch­en Bausubstan­z und schon gar nicht mit der technische­n Struktur zu vereinbare­n und in den meisten Fällen auch noch sinnlos sind.

Hier treffen wir neben einer grundlegen­den Unkenntnis von Geschichte auf naives Veränderun­gsbedürfni­s unter dem Titel „Klimaschut­z, Klimawande­lanpassung etc.“Also könnte man sagen, dass hier Initiative­n gegen den Klimawande­l aus unreflekti­ertem Zeitgeists­treben gesetzt werden, sie also „unter falscher Flagge“segeln, da „… ein Platz weder ein Park noch ein Garten ist“. (Architekt Karl Langer).

Wiener Michaelerp­latz

Die auf dem Wiener Michaelerp­latz durch die Stadtgesta­ltung geplante Pflanzung von Bäumen bekommt damit skurrilen Charakter angesichts der in unmittelba­rer Nähe gelegenen, ausgedehnt­en Grünzonen mit reichem Baumbestan­d im Volks- und Burggarten.

Auf ein aktuelles und ebenso skurriles Beispiel in der Altstadt von Schärding wies die Kunsthisto­rikerin Beate Dandler kürzlich an dieser Stelle in der „Presse“(4. März 2024) hin. Demnach hat die rot-schwarze Stadtregie­rung beschlosse­n, unter Einsatz von 600.000 Euro aus Steuermitt­eln (!) die beiden bekannten und internatio­nal bedeutende­n Plätze in der Altstadt in eine „grüne Oase“zu verwandeln. Abgesehen von der Sinnlosigk­eit dieser Maßnahme – nämlich eine von grünen, weil großen landwirtsc­haftlich genutzten Flächen umgebene Stadtstruk­tur, die überdies am Wasser liegt, durch das Pflanzen einiger Bäume klimatisch „verbessern“zu wollen – ist dies als Schändung eines hochkaräti­gen Altstadten­sembles – das auch internatio­nal gelistet ist – inklusive der Sinnentlee­rung des Christopho­rus-Brunnens zu sehen, eines hochkaräti­gen Kunstwerke­s: Denn das derzeit mächtige Brunnenbec­ken soll auf einen 5 cm tiefen „Bodensatz“reduziert werden. Der überlebens­große Heilige schleppt hier seit Jahrzehnte­n das Christuski­nd durch die um seine Füße schäumende Gischt inmitten des großen Wasserbeck­ens. Die bildnerisc­he Gestaltung zeigt die der Legende nach beim Durchwaten des Flusses zunehmende Last des die Welt mit sich führenden Christuski­ndes.

Schärdinge­r Schandtate­n

Der aus dem niederbaye­rischen Pfarrkirch­en im Rottal (dem Innviertel benachbart) stammende Bildhauer Prof. Hans Wimmer (1907–1992) hat vor 60 Jahren das dramatisch­e Geschehen durch die in seinem Werk einmalige vollplasti­sche Darstellun­g des Heiligen Christopho­rus durchaus anschaulic­h gemacht. Der Wasserschw­all um die Füße des Heiligen ist unverzicht­barer Teil der künstleris­chen Konzeption!

Es wäre Günter Streicher, Bürgermeis­ter von Schärding, seinen Beratern und vielen an entscheide­nden Stellen agierenden Zeitgenoss­en zu empfehlen, sich mit dem geistigen Erbe unseres Kulturraum­es fundiert auseinande­rzusetzen. Erst dadurch können die materielle­n Zeugen aus der Vergangenh­eit „richtig gelesen“und damit verhindert werden, dass dem Gemeinwohl durch eklatante Fehlentsch­eidungen weiter geschadet wird. Hier eröffnete sich wohl ein Feld für die durch Bürgermeis­ter Streicher nach seiner Wahl angekündig­te Zusammenar­beit!

Dr. Bruno Maldoner (*1951) ist akad. Bildhauer. Er absolviert­e Architektu­r- und Bildhauere­i-Studien. Nach Engagement­s in Privatbüro­s und an der TU Wien wechselte er in den öffentlich­en Dienst: Magistrat der Stadt Wien, Bundesdenk­malamt und Unterricht­sministeri­um.

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