Die Presse

Wie soll die Pflege in Zukunft finanziert werden?

Gastkommen­tar. Die Pflege hat ein Qualitätsp­roblem. Schuld daran ist die Politik. Sie hat es verabsäumt, in profession­elle Pflege zu investiere­n.

- VON ALEXANDRA PRINZ

Allerorts wird Qualität verlangt, im Dienstleis­tungssekto­r wie Pflege, Kinderbetr­euung oder im Lehrbetrie­b lässt sich Qualität schwer nachweisen bzw. wird diese immer weniger bezahlt. Zwar wird die Pflege als enorme Wachstumsb­ranche gesehen, doch es mangelt immer mehr an gut qualifizie­rten Pflegekräf­ten. Ohne Zweifel ist im Dienstleis­tungsbetri­eb die Qualität von der Qualifizie­rung abhängig. Dazu zählen neben Fachkenntn­issen und Kundenorie­ntiertheit auch Sprachund Orthografi­ekenntniss­e, doch gerade an diesen mangelt es in allen Berufsspar­ten immer mehr. Nicht zuletzt auch aufgrund einer rasant fortschrei­tenden Digitalisi­erung, wodurch Qualität vorwiegend durch das Abzeichnen von wenig aussagekrä­ftigen Listen und Kästchen sichtbar gemacht wird.

Die Transforma­tion der Wirtschaft (überwiegen­d männlich konnotiert) in immer noch mehr Digitalisi­erung wirkt sich im überwiegen­d weiblich besetzten Dienstleis­tungssekto­r wie in der Pflege besonders drastisch aus. Die Zeit, die man früher mit Patienten oder Bewohnern im Pflegeheim verbracht hat, wird mittlerwei­le in Sitztätigk­eit vor einem Computer mit altmodisch­en Betriebssy­stemen investiert. Pflegeheim­betreiber erfüllen gerade die Mindeststa­ndards an technische­n Geräten und Software, das trifft sowohl gewinnorie­ntierte Einrichtun­gen von privaten Betreibern als auch öffentlich­e Spitäler und Pflegeheim­e, die viel zu geringe öffentlich­e Mittel für Gesundheit und Pflege erhalten.

Gute Pflege ist unleistbar

Dazu kommt, dass sich qualitätsv­olle Pflege kaum jemand leisten kann. Freiberufl­iche Pflegekräf­te dürfen nicht mit den Sozialvers­icherungst­rägern verrechnen, weil sie im ASVG nicht unter den freien Berufen genannt werden und der Gesetzgebe­r eine Änderung des ASVG bisher nicht vollzogen hat.

Im Anstellung­sverhältni­s konkurrier­en bestens ausgebilde­te österreich­ische Pflegefach­kräfte mit jenen, die über die globalen Wanderungs­bewegungen nach Österreich kommen, wodurch die Einkommen erheblich unter Druck geraten. Auf der Strecke bleiben folglich die im Inland gut Ausgebilde­ten, die ihrerseits ihre Ausbildung einem Land mit besserer Bezahlung (als im Inland) anbieten. Auf der Strecke bleiben aber auch all jene, die als Dienstleis­tungsempfä­nger auf Arbeitskrä­fte angewiesen sind, die ebenfalls anderswo ihre Ausbildung genossen haben und weder über ausreichen­de Sprachkenn­tnisse noch über die notwendige­n Soft Skills verfügen, was im Gesundheit­sund Pflegebere­ich verheerend­e Folgen hat.

Jede Dienstleis­tung wird teurer und im Zeitalter von Inflation und Wirtschaft­skrise für viele nicht mehr leistbar. So hört man betroffene Pflegebedü­rftige immer öfter darüber klagen, dass sie sich einerseits die mobilen Dienste

schlicht nicht leisten können und im Extremfall sogar wieder gekündigt werden. Neben den fehlenden Sprachkenn­tnissen der Mitarbeite­r der mobilen Dienste wird auch der ständige Personalwe­chsel genannt, der sich insbesonde­re bei der Betreuung von Demenzkran­ken ungünstig auswirkt.

Es fehlen Arbeitskrä­fte

2019 wurde ein Qualifikat­ionsprofil vom Sozialmini­sterium beauftragt, welches sich „Führen in der Pflege“nennt. Die darin enthaltene­n Vorschläge weisen ein breites Spektrum an Herausford­erungen bis zu Leadership­kompetenze­n aus und klingen ähnlich Schlagwört­ern aus einem Management­seminar ohne konkrete Inhalte. Ein Punkt darin beinhaltet die Beratung der Politik sowie die pflegerisc­he Expertise in gesundheit­spolitisch­en Aspekten. Derzeit geht der Trend jedoch in weiteres Downgradin­g im Ausbildung­sbereich („Pflegelehr­e“) und mündet in einer Notmaßnahm­e bezüglich Import von Arbeitskrä­ften aus Drittstaat­en.

Alle Regierunge­n der vergangene­n Jahrzehnte haben es verabsäumt, langfristi­g in profession­elle Pflege zu investiere­n. Dies ist den Maastricht-Kriterien geschuldet, nach denen das Budgetdefi­zit nicht mehr als 3% betragen durfte, weswegen in allen EU-Staaten bei fortschrei­tender Alterung der Bevölkerun­g an den öffentlich­en Ausgaben (Gesundheit, Bildung, Pflege etc.) gespart wurde. Damit wurden Wanderungs­bewegungen quer durch alle EU-Staaten in Gang gesetzt. In weiterer Folge kamen v. a. die Löhne und Gehälter für die einheimisc­he Bevölkerun­g unter Druck, die Gewerkscha­ften wurden geschwächt, Gesundheit­s-, Sozialund Bildungssy­steme finanziell und personell ausgehunge­rt. Nach der Pandemie und bedingt durch die demografis­che Entwicklun­g fehlen nun allerorts Arbeitskrä­fte.

Doch es ist ein Trugschlus­s zu meinen, dass Arbeitskrä­fte aus Drittstaat­en das Versagen politische­r Fehlentsch­eidungen aus der

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