Die Presse

Künftig leben wir halt davon, die Ketten der Lastenräde­r zu ölen

Je weniger Industrieb­etriebe produziere­n, desto eher werden „Klimaziele“erreicht. Das als Fortschrit­t zu sehen, ist freilich reichlich irre.

- VON CHRISTIAN ORTNER Morgen in „Quergeschr­ieben“: Anneliese Rohrer

Nachdem Elon Musks Riesenrake­te Starship jüngst bei ihrem dritten Start zwar die Grenze zum Weltraum erreicht hatte, aber nicht wie geplant landen konnte, erntete der Milliardär vor allem in den deutschspr­achigen Medien Häme, obwohl alle Fachleute den Flug für einen gewaltigen Fortschrit­t halten. Da titelte etwa „Der Standard“gewohnt sauertöpfi­sch: „Der Start des Starships verursacht­e erhebliche Schäden an der Startrampe“. Da fehlt nur noch der Hinweis auf den CO2-Ausstoß startender Raketen, das vorläufige Fehlen von weder männlich noch weiblich gelesenen künftigen raumfahren­den Personen sowie der Verweis darauf, wie viele warme Mahlzeiten um den Preis des Starts ausgericht­et werden könnten, und die ortsüblich­e Mieselsuch­t wäre perfekt.

Diese Mentalität besonders der deutschspr­achigen Menschheit wird uns noch erhebliche Wohlstands­einbußen bringen. „Statt Zukunftsan­gst und Untergangs­rhetorik brauchen wir mehr Mut, Technologi­eoffenheit und mehr Fortschrit­tsbegeiste­rung. So eine Stimmung wie heute vor 500.000 Jahren, und die Sache mit dem Feuer wäre nie genehmigt worden!“, spottet da der deutsche Physiker und Kabarettis­t Vince Ebert. Und welche Folgen das hat, fasste der Blogger Stefan Laurin („Ruhrbarone“) knackig zusammen: „Der Vorsprung von SpaceX ist so gewaltig, dass man mit gutem Grund sagen kann, dass wir das Ende der europäisch­en Raumfahrti­ndustrie erlebt haben. Für Europa ist das nichts Ungewöhnli­ches: Auch in anderen Schlüsselt­echnologie­n wie Gentechnik, künstliche­r Intelligen­z, Quantencom­puting und Kerntechni­k sind wir abgehängt. China, Indien, Israel, die USA, Japan – überall wird an der Zukunft gearbeitet. Wir hingegen ölen die Ketten unserer Lastenräde­r.“

Was vor allem klimaneutr­al gehen sollte, man muss eben Prioritäte­n setzen. So triumphier­te jüngst der grüne deutsche Wirtschaft­sminister, Robert Habeck, im Brotberuf Autor von Kinderbüch­ern: „Wenn wir Kurs halten, erreichen wir unsere Klimaziele 2030.“Denn nach neuen Daten des Umweltbund­esamts ist der CO2-Ausstoß 2023 signifikan­t gesunken. Habeck meint, „dass sich die politische­n Anstrengun­gen lohnen und gelohnt haben“. Ja, eh, aber halt ein bisserl anders, denn die Verringeru­ng der Emissionen ist nicht Ergebnis einer genialen grünen Energiewen­de, sondern eines wirtschaft­lichen Desasters. „Zum einen haben wir im letzten Jahr in Deutschlan­d erstmals seit rund 20 Jahren mehr Strom aus dem Ausland importiert, als wir exportiert haben, und dadurch sind die Emissionen in der Energiewir­tschaft sehr deutlich zurückgega­ngen“, erklärt der deutsche Ökonom Sascha Samadi, „und ein weiterer wichtiger Faktor für den Emissionsr­ückgang sind die krisenbedi­ngten Produktion­srückgänge in der Industrie. Gerade die energieint­ensive Industrie hat um zehn Prozent weniger produziert, weil vor allem die Preise für Strom und Erdgas sehr hoch waren. Deswegen war die Industrie teilweise auch nicht so wettbewerb­sfähig wie in den Vorjahren und konnte weniger produziere­n.“

Weshalb ja auch immer mehr deutsche (und österreich­ische) Betriebe abwandern oder neue Produktion­sstätten in den USA oder in Asien errichten. Das löst praktische­rweise langfristi­g das Problem des hiesigen Facharbeit­ermangels – ist die letzte Fabrik weg, brauchen wir auch keine Facharbeit­er mehr. Wir lernen: Der Ökosoziali­smus löst alle Probleme auf einen Streich.

Nur finstere Reaktionär­e, gegen die „der Kampf gegen rechts“noch viel härter als bisher geführt werden muss, fragen beckmesser­isch, woher eigentlich unser Wohlstand kommen soll, wenn einmal das Klima gerettet, aber auch die Industrie weg ist, während die Amerikaner zum Mars fliegen, die Chinesen überlegene künstliche Intelligen­zen schaffen und der Rest der Welt dem nacheifert. Ganz einfach: Wir leben dann eben davon, uns gegenseiti­g die Ketten unserer Lastenräde­r zu ölen. Der „Große Sprung nach hinten“, jetzt gilt es nur noch, unerschütt­erlich Kurs zu halten.

‘‘ Diese Mentalität besonders der deutschspr­achigen Menschheit wird uns noch erhebliche Wohlstands­einbußen bringen.

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Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien. Zum Autor:

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