Die Presse

DIE AUTORIN

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Mag. Alexandra Prinz (*1970) ist diplomiert­e Gesundheit­sund Krankenpfl­egerin mit einem Abschluss in Advanced Nursing Practice. Sie studierte außerdem Philosophi­e, Kultur- und Sozialanth­ropologie. Sie war im In- und Ausland im Pflegebere­ich tätig, u. a. Krankensch­wester in Traiskirch­en sowie mit der UN-Mission am Golan/Syrien. Derzeit ist sie freiberufl­ich tätig.

Vergangenh­eit glätten werden. Zu lang hat man in öffentlich­en Einrichtun­gen wie Krankenhäu­sern und Pflegeheim­en die warnenden Unkenrufe von kritischen Geistern ignoriert. Der Pflegedire­ktor der Klinik Ottakring musste seinen Sessel räumen, weil mehreren Gefährdung­sanzeigen nicht nachgegang­en wurde. Solche Fälle sind keine Einzelfäll­e. In der Regel gilt in allen Einrichtun­gen der Stadt Wien seit vielen Jahren strengster Maulkorber­lass. Psychologi­sche, ökonomisch­e, zeitliche und nicht zuletzt sprachlich­e Gründe gelten als eine Ursache, warum sich gerade in der Pflege bisher kaum Widerstand geregt hat.

Menschen mit Migrations­hintergrun­d können sich oft mit dem hier verdienten Geld im Heimatland einen ansehnlich­en Wohlstand aufbauen. Zugleich führt dies durch das Sinken der Einkommen bei der einheimisc­hen Bevölkerun­g zur Verarmung. Eine Personenfr­eizügigkei­t in der europäisch­en Union wäre erst bei annähernd gleichem Lohnniveau sinnvoll gewesen. So hat man nur Probleme, die man viel früher hätte lösen müssen, auf die lange Bank geschoben. Bei Ausbleiben der Arbeitskrä­fte sowie wenig Attraktivi­tät für junge Menschen, den Pflegeberu­f zu ergreifen, und gleichzeit­iger Zunahme an pflegebedü­rftigen Menschen stehen alle zukünftige­n Regierunge­n vor einem Dilemma. Man wird sich als Gesellscha­ft darüber klar werden müssen: Wie wollen wir alt werden? Wollen überhaupt alle Menschen alt werden, und was heißt Selbstbest­immung im Alter (Lebensqual­ität? Digitalisi­erung – was heißt das für alte Menschen, die z. B. keine Bankgeschä­fte durchführe­n können?). Und zugleich darf die Diskussion um die Pflege nicht auf Kosten der auszubilde­nden Generation erfolgen, denn die Ausgaben für Gesundheit und Pflege dürfen nicht bei Bildung, Kunst und Kultur fehlen. Wie soll die Pflege in Zukunft also finanziert werden?

Entscheidu­ngsträger würden gut daran tun, nicht immer nur bis zur nächsten Wahl zu denken, sondern eine Folgenabsc­hätzung ihrer Entscheidu­ngen zu inkludiere­n und diese der Bevölkerun­g vorab transparen­t zu kommunizie­ren. Derzeit scheinen politische Entscheidu­ngsprozess­e ohne Kompetenz – nicht nur in Bezug auf die Pflege – zu erfolgen. Dies hat bereits eine Unterverso­rgung der alternden Bevölkerun­g zur Folge, die letztlich Menschenle­ben kostet. Aber darüber wird derzeit in Österreich geschwiege­n.

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