Aus dem Ausland ins Pflegesystem
Österreich braucht dringend Pflegekräfte aus dem Ausland. Der Integrationsfonds hat dafür nun eigene Programme gestartet. Doch immer noch dauern die Nostrifizierungen zu lang.
Sie hat 14 Jahre Berufserfahrung. Sie hat ein Diplom. Und ja, sie würde gern in Österreich arbeiten, denn zu Hause sitzen, das hält sie nicht mehr aus. Allerdings fehlt ihr der Bescheid, der ihr bestätigt, dass ihre Qualifikation hier anerkannt wird. Das alles erzählt eine diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin aus Tunesien, während sie mit neun weiteren Kursteilnehmern in einem Seminar des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) sitzt. Der Kurs über das Leben und Arbeiten in Österreich ist speziell auf Fachkräfte aus dem Gesundheitsund Pflegebereich ausgelegt bzw. auf jene, die es noch werden wollen.
Davon braucht Österreich nämlich jede Menge. Die Gesundheit Österreich GmbH geht in ihrer aktuellen Prognose von einem Bedarf an rund 200.000 Pflegekräften bis 2050 aus. Ohne Arbeitskräfte aus dem Ausland ist das kaum zu schaffen. Eine ähnliche Situation gibt es auch in anderen Branchen. Aus diesem Grund hat der ÖIF vor einem halben Jahr das Integrationsservice für Fachkräfte gestartet. Bis Jahresende soll es, so der Plan des zuständigen Integrationsministeriums, zehntausend Beratungskontakte geben.
Deutschkenntnisse notwendig
Das Ganze funktioniert über mehrere Schienen. Etwa über die individuelle Beratung. Heute hat Ivana Vidovic einen Termin. Sie stammt aus Kroatien, ist Ärztin für Innere Medizin und lebt seit 2020 in Österreich. Bis Oktober ist sie noch in Karenz, dann will sie zu arbeiten beginnen, sobald sie einen Betreuungsplatz für ihre Kinder gefunden hat. Vor der Karenz, sagt sie, habe sie in Österreich schon in einer Apotheke gearbeitet. Als Ärztin beginnen konnte sie nicht, weil ihre Nostrifizierung noch nicht abgeschlossen war. Das alles erzählt Vidovic in fast perfektem Deutsch. Das ist wenig überraschend, denn ausländische Fachkräfte aus dem
Gesundheits- und Pflegebereich müssen für ihre Nostrifizierung in Österreich fortgeschrittene Sprachkenntnisse (Niveau B2) vorweisen.
Aus diesem Grund gibt es nun in sechs Bundesländern spezielle Sprachkurse, die vom ÖIF finanziert werden. Das ist auch berufsbegleitend möglich, da etwa diplomierte Pflegekräfte aus dem Ausland, die bereits erste Deutschkenntnisse haben, nach ihrer Ankunft in Österreich als Pflegefachassistenten arbeiten dürfen. Vorgesehen sind dann vier Tage Arbeit pro Woche, ein Tag Deutschkurs. Auch einen kostenlosen Online-Fachsprachenkurs „Deutsch lernen für die Pflege“gibt es. Die Teilnehmer müssen dafür bereits wissen, was ein Fachbegriff in ihrer Muttersprache inhaltlich bedeutet, im Kurs lernen sie dann die deutschen Wörter dafür.
Während fortgeschrittene Sprachkenntnisse nicht in allen Branchen von so großer Bedeutung seien, wäre das bei der Pflege anders, sagt Julian Hadschieff, Eigentümer
der Humanocare-Unternehmensgruppe, der um den großen Personalbedarf weiß. Neben der Arbeit im Team sei eine entsprechende Kommunikationsfähigkeit auch für die zu pflegenden Personen wichtig.
Die meist von den Unternehmen direkt angeworbenen Personen kommen mittels Rot-WeißRot-Karte ins Land. 2023 wurden mehr als 8000 davon erteilt, rund 600 im Gesundheits- und Sozialwesen. Die Teilnehmer der ÖIF-Seminare kommen aus den unterschiedlichsten Ländern. Heute sind etwa Personen aus Makedonien, Tunesien, der Ukraine und Kolumbien anwesend. „Viele Menschen, die nach Österreich kommen, um in der Pflege zu arbeiten, kommen von weit her“, berichtet Sonja Ziganek, Leiterin der Integrationsprogramme im ÖIF. Viele stammen von den Philippinen, aus Kolumbien, Marokko und Tunesien.
Prozesse beschleunigen
Fast alle Seminarteilnehmer erzählen, dass sie vor allem darunter leiden, dass es so lang dauert, bis ihnen ihre Qualifikationen angerechnet werden. Ihre Bekannten seien deswegen lieber nach Deutschland gegangen, sagt eine Teilnehmerin. Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP), die heute zu Besuch beim Integrationsservice ist, wisse um das Problem, erklärt sie. Mittels Anrechnungsstipendium fördere man die zukünftigen Arbeitnehmer bereits im Nostrifikationsprozess, damit sie etwa Übersetzungen ihrer Dokumente bezahlen könnten. Bildungsminister Martin Polaschek und Arbeitsminister Martin Kocher haben außerdem angekündigt, dass Nostrifizierungen ausländischer Abschlüsse künftig stärker nach Schablone ablaufen sollen und weniger anhand von aufwendigen Einzelfallprüfungen.
Raab ist wichtig, zwischen „illegaler Zuwanderung ins Sozialsystem“und „qualifizierter Zuwanderung in den Arbeitsmarkt“zu unterscheiden, wie sie sagt. Auf „Presse“-Nachfrage, ob nicht auch unter den irregulär Eingewanderten potenzielle Mitarbeiter für die Pflege seien, erklärt sie, das sei auch aufgrund der mangelnden Alphabetisierung nur vereinzelt der Fall.