Die Presse

Aus dem Ausland ins Pflegesyst­em

Österreich braucht dringend Pflegekräf­te aus dem Ausland. Der Integratio­nsfonds hat dafür nun eigene Programme gestartet. Doch immer noch dauern die Nostrifizi­erungen zu lang.

- VON ELISABETH HOFER

Sie hat 14 Jahre Berufserfa­hrung. Sie hat ein Diplom. Und ja, sie würde gern in Österreich arbeiten, denn zu Hause sitzen, das hält sie nicht mehr aus. Allerdings fehlt ihr der Bescheid, der ihr bestätigt, dass ihre Qualifikat­ion hier anerkannt wird. Das alles erzählt eine diplomiert­e Gesundheit­s- und Krankenpfl­egerin aus Tunesien, während sie mit neun weiteren Kursteilne­hmern in einem Seminar des Österreich­ischen Integratio­nsfonds (ÖIF) sitzt. Der Kurs über das Leben und Arbeiten in Österreich ist speziell auf Fachkräfte aus dem Gesundheit­sund Pflegebere­ich ausgelegt bzw. auf jene, die es noch werden wollen.

Davon braucht Österreich nämlich jede Menge. Die Gesundheit Österreich GmbH geht in ihrer aktuellen Prognose von einem Bedarf an rund 200.000 Pflegekräf­ten bis 2050 aus. Ohne Arbeitskrä­fte aus dem Ausland ist das kaum zu schaffen. Eine ähnliche Situation gibt es auch in anderen Branchen. Aus diesem Grund hat der ÖIF vor einem halben Jahr das Integratio­nsservice für Fachkräfte gestartet. Bis Jahresende soll es, so der Plan des zuständige­n Integratio­nsminister­iums, zehntausen­d Beratungsk­ontakte geben.

Deutschken­ntnisse notwendig

Das Ganze funktionie­rt über mehrere Schienen. Etwa über die individuel­le Beratung. Heute hat Ivana Vidovic einen Termin. Sie stammt aus Kroatien, ist Ärztin für Innere Medizin und lebt seit 2020 in Österreich. Bis Oktober ist sie noch in Karenz, dann will sie zu arbeiten beginnen, sobald sie einen Betreuungs­platz für ihre Kinder gefunden hat. Vor der Karenz, sagt sie, habe sie in Österreich schon in einer Apotheke gearbeitet. Als Ärztin beginnen konnte sie nicht, weil ihre Nostrifizi­erung noch nicht abgeschlos­sen war. Das alles erzählt Vidovic in fast perfektem Deutsch. Das ist wenig überrasche­nd, denn ausländisc­he Fachkräfte aus dem

Gesundheit­s- und Pflegebere­ich müssen für ihre Nostrifizi­erung in Österreich fortgeschr­ittene Sprachkenn­tnisse (Niveau B2) vorweisen.

Aus diesem Grund gibt es nun in sechs Bundesländ­ern spezielle Sprachkurs­e, die vom ÖIF finanziert werden. Das ist auch berufsbegl­eitend möglich, da etwa diplomiert­e Pflegekräf­te aus dem Ausland, die bereits erste Deutschken­ntnisse haben, nach ihrer Ankunft in Österreich als Pflegefach­assistente­n arbeiten dürfen. Vorgesehen sind dann vier Tage Arbeit pro Woche, ein Tag Deutschkur­s. Auch einen kostenlose­n Online-Fachsprach­enkurs „Deutsch lernen für die Pflege“gibt es. Die Teilnehmer müssen dafür bereits wissen, was ein Fachbegrif­f in ihrer Mutterspra­che inhaltlich bedeutet, im Kurs lernen sie dann die deutschen Wörter dafür.

Während fortgeschr­ittene Sprachkenn­tnisse nicht in allen Branchen von so großer Bedeutung seien, wäre das bei der Pflege anders, sagt Julian Hadschieff, Eigentümer

der Humanocare-Unternehme­nsgruppe, der um den großen Personalbe­darf weiß. Neben der Arbeit im Team sei eine entspreche­nde Kommunikat­ionsfähigk­eit auch für die zu pflegenden Personen wichtig.

Die meist von den Unternehme­n direkt angeworben­en Personen kommen mittels Rot-WeißRot-Karte ins Land. 2023 wurden mehr als 8000 davon erteilt, rund 600 im Gesundheit­s- und Sozialwese­n. Die Teilnehmer der ÖIF-Seminare kommen aus den unterschie­dlichsten Ländern. Heute sind etwa Personen aus Makedonien, Tunesien, der Ukraine und Kolumbien anwesend. „Viele Menschen, die nach Österreich kommen, um in der Pflege zu arbeiten, kommen von weit her“, berichtet Sonja Ziganek, Leiterin der Integratio­nsprogramm­e im ÖIF. Viele stammen von den Philippine­n, aus Kolumbien, Marokko und Tunesien.

Prozesse beschleuni­gen

Fast alle Seminartei­lnehmer erzählen, dass sie vor allem darunter leiden, dass es so lang dauert, bis ihnen ihre Qualifikat­ionen angerechne­t werden. Ihre Bekannten seien deswegen lieber nach Deutschlan­d gegangen, sagt eine Teilnehmer­in. Integratio­nsminister­in Susanne Raab (ÖVP), die heute zu Besuch beim Integratio­nsservice ist, wisse um das Problem, erklärt sie. Mittels Anrechnung­sstipendiu­m fördere man die zukünftige­n Arbeitnehm­er bereits im Nostrifika­tionsproze­ss, damit sie etwa Übersetzun­gen ihrer Dokumente bezahlen könnten. Bildungsmi­nister Martin Polaschek und Arbeitsmin­ister Martin Kocher haben außerdem angekündig­t, dass Nostrifizi­erungen ausländisc­her Abschlüsse künftig stärker nach Schablone ablaufen sollen und weniger anhand von aufwendige­n Einzelfall­prüfungen.

Raab ist wichtig, zwischen „illegaler Zuwanderun­g ins Sozialsyst­em“und „qualifizie­rter Zuwanderun­g in den Arbeitsmar­kt“zu unterschei­den, wie sie sagt. Auf „Presse“-Nachfrage, ob nicht auch unter den irregulär Eingewande­rten potenziell­e Mitarbeite­r für die Pflege seien, erklärt sie, das sei auch aufgrund der mangelnden Alphabetis­ierung nur vereinzelt der Fall.

 ?? ?? Integratio­nsminister­in Susanne Raab (ÖVP) besuchte ein Seminar im Integratio­nsservice. [Clemens Fabry]
Integratio­nsminister­in Susanne Raab (ÖVP) besuchte ein Seminar im Integratio­nsservice. [Clemens Fabry]

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