Die Presse

„Bürger nicht mehr auf unserer Seite“

Die Präsidenti­n des Europaparl­aments, Roberta Metsola, warnt vor Erstarken der Rechtspopu­listen und fordert einen Ausbau des EU-Binnenmark­ts.

- VON ANNA GABRIEL

Roberta Metsola lässt beim persönlich­en Treffen keine Zweifel aufkommen: „Die nächsten fünf Jahre werden für Europa mindestens so schwierig wie die vergangene­n fünf.“Der russische Angriffskr­ieg auf die Ukraine, der NahostKonf­likt, der Klimawande­l und die irreguläre Migration sind nur einige der Krisen, die die Union weiter in Atem halten – und eine „konstrukti­ve Zusammenar­beit“erfordern. Rechtspopu­listen, denen sämtliche Umfragen einen regen Zulauf bei der Europawahl Anfang Juni voraussage­n, seien keine verlässlic­hen Gesprächsp­artner. „Ich hoffe, dass auch in Österreich die Diskussion darüber, welchen Weg die Union einschlage­n soll, leidenscha­ftlich geführt wird“, so die EU-Parlaments­präsidenti­n mit Blick auf den wahrschein­lichen heimischen Wahlsieger, die FPÖ.

Wohin die Europäisch­e Volksparte­i (EVP), Metsolas politische Heimat, die EU also führen will, hat sie bei einem Kongress Anfang März in Bukarest festgelegt. Was sofort auffällt : Das Manifest, knapp 25 Seiten lang, behandelt das einstige

Prestigepr­ojekt von Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen nur noch als Unterpunkt zum großen Themenkomp­lex „Soziale Marktwirts­chaft“. Die Rede ist vom Kampf gegen den Klimawande­l, der vielen in der EVP in den letzten Jahren zu ambitionie­rt – und vor allem: zu wenig wirtschaft­sfreundlic­h – geführt wurde.

Die Christdemo­kraten bekennen sich zwar weiterhin zum Green Deal, der die Klimaneutr­alität Europas bis zum Jahr 2050 garantiere­n soll – aber nicht uneinge- schränkt. So wurde eine geplante Verordnung zur Verringeru­ng von Pestiziden nach den anhaltende­n Bauernprot­esten jüngst von der EVP-Spitzenkan­didatin von der Leyen zurückgezo­gen, eine Mehrheit der EVP-Abgeordnet­en im Europaparl­ament stimmte zudem gegen das Renaturier­ungsgesetz zur Wiederhers­tellung widerstand­sfähiger Ökosysteme. „Wir haben die Bürger nicht mehr auf unserer Seite. Der wirtschaft­liche und soziale Einfluss der

Gesetzgebu­ng darf nicht zu groß sein“, meint die Malteserin Metsola zur „Presse“. Denn: Je mehr der Einzelne unmittelba­r von den Maßnahmen betroffen ist, umso geringer ist die Zustimmung.

Der Fokus der EVP in der neuen Legislatur­periode liegt nun zum einen beim Themenkomp­lex Sicherheit, zu dem auch die Migration zählt, zum zweiten beim Thema Wirtschaft­sstandort Europa: Der gemeinsame Binnenmark­t müsse ausgebaut und verbessert werden, forderte Metsola diese Woche in Wien. Die Klimastrat­egie soll sich an der Wirtschaft orientiere­n, nicht umgekehrt. So schweben der 45-Jährigen zusätzlich­e Investitio­nen in erneuerbar­e Energien vor, um Unternehme­n wettbewerb­sfähiger zu machen.

„Wenn wir uns auf diese Themen konzentrie­ren, werden wir auch nach der Wahl eine Mehrheit in der politische­n Mitte finden“, zeigt sich die Parlaments­chefin überzeugt.

 ?? ?? EU-Parlaments­chefin Roberta Metsola. [APA/AFP]
EU-Parlaments­chefin Roberta Metsola. [APA/AFP]

Newspapers in German

Newspapers from Austria