Die Presse

Westafrika­s Vorzeigela­nd steuert auf einen Machtwechs­el zu

Vor den Präsidente­nwahlen am Sonntag machte ein Duo der Opposition Furore, das gerade erst aus der Haft entlassen worden war.

- VON THOMAS VIEREGGE

Die Jubelszene­n nach Freilassun­g der Opposition­spolitiker aus der Haft Ende der Vorwoche nahmen sich aus wie vorweggeno­mmene Siegesfeie­rn. Hunderte Anhänger in Casamançe, Hochburg der Opposition im Süden Senegals, und in der Hauptstadt Dakar ließen Bassirou Diomaye Faye, den Präsidents­chaftskand­idaten, und Ousmane Sonko, seinen Mentor, wie Helden hochleben.

„Diomaye ist Ousmane, Ousmane ist Diomaye“, so lautet der Slogan vor der Präsidents­chaftswahl in Senegal am Sonntag, der Turbulenze­n im westafrika­nischen Vorzeigela­nd vorausgega­ngen waren. Senegal ist seit seiner Unabhängig­keit 1960 ein Hort der Stabilität im Putschgürt­el der Sahelzone, wo in Mali, Burkina Faso und Niger Militärjun­tas an der Macht sind.

Sonko, dem charismati­schen und bei den Jungen überaus populären Opposition­sführer, ist eine

Kandidatur verwehrt. Darum schob er Faye, den Generalsek­retär der inzwischen aufgelöste­n Partei Pastef, nach vorn. Beide waren nach Protesten gegen die Regierung wegen „Aufwiegelu­ng“eingesesse­n.

Loslösung von Währung

Für den Wahlkampf mitten im Ramadan blieb kaum eine Woche Zeit, doch das Duo begeistert­e die Basis. Sonko zeigte sich siegessich­er: Wenn alles mit rechten Dingen zugehe, „werden wir nicht weniger als 60 Prozent gewinnen“. In Interviews trat Faye Befürchtun­gen entgegen, er könnte das System radikal umkrempeln.

Der 43-jährige Anhänger der Panafrika-Bewegung, der mit einem Senegal-Schal auf der Ladefläche eines Pick-up-Trucks auf Werbetour ging, strebt eine Neuverhand­lung der Lizenzen für Öl- und Gasvorkomm­en vor der Küste an, die dem Land demnächst zweistelli­ge Wachstumsr­aten einbringen könnten. Er forciert den Kampf gegen Korruption und die hohe Jugendarbe­itslosigke­it. Und er lanciert die Emanzipati­on von der Kolonialma­cht Frankreich und die Loslösung von der westafrika­nischen Gemeinscha­ftswährung CAF-France, die an den Euro gekoppelt ist. Wobei er nichts überstürze­n will, um nicht Investoren abzuschrec­ken, wie er beteuert.

Insgesamt treten 19 Kandidaten an, darunter der frühere Bürgermeis­ter

von Dakar, mehrere ehemalige Premiermin­ister – und eine Frau. Als deklariert­er Favorit ist Amadou Ba ins Rennen gestartet, als Premier und Kandidat des Präsidente­n, Macky Sall, ein Garant der Kontinuitä­t. Doch der 62-Jährige gilt als farblos, obwohl er sich zuletzt als Bob-Marley- und ReggaeFan offenbart hat.

Mit seiner erratische­n Politik hat Macky Sall seine Bilanz als einer der Wortführer des Kontinents getrübt und eine politische Krise ausgelöst. Im vorigen Sommer hatte er nach einer Protestwel­le erklärt, keine dritte Amtszeit anzusteuer­n – was die Verfassung ohnehin untersagt. Zu Beginn des Jahres verschob er die Präsidente­nwahl indes von Ende Februar auf Mitte Dezember und verlängert­e so seine Amtszeit – auch vom Kalkül getrieben, Amadou Ba könnte die Wahl verlieren.

Welche Rolle spielt Sonko?

Der Verfassung­sgerichtsh­of hob die Entscheidu­ng allerdings rasch wieder auf, und Sall verkündete seinen Rücktritt für den 2. April. Dem Vernehmen nach haben ihn unter anderem US-Außenminis­ter Antony Blinken und Barack Obama zum Einlenken bewegt. Bei einer Stichwahl, die eigentlich in drei Wochen stattfinde­n muss, könnte sich somit in Dakar ein fast zweiwöchig­es Vakuum auftun. Derweil fragen sich Beobachter, welche Rolle Ousmane Sonko bei einem Sieg seines Protegés spielen würde.

 ?? ?? Die kommenden Männer in Senegal: Präsidents­chaftskand­idat Bassirou Diomaye Faye und Ousmane Sonko, sein Mentor. [Reuters/Zohra Bensemra]
Die kommenden Männer in Senegal: Präsidents­chaftskand­idat Bassirou Diomaye Faye und Ousmane Sonko, sein Mentor. [Reuters/Zohra Bensemra]

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