Die Presse

„Ich sehe Rangnicks Handschrif­t“

Ján Novota hütete sechs Jahre das Tor von Rapid, ein zukünftige­r Job in seiner alten Heimat Hütteldorf sei „ein Herzenswun­sch“. Heute ist der Slowake Österreich­s Gegner.

- VON VIT CHALUPA

Mit dem Spiel gegen die Slowakei in Bratislava (18 Uhr, live in ORF 1) läutet Österreich­s Fußballnat­ionalteam heute Abend den Countdown für die Europameis­terschaft im Sommer ein. Der Vergleich mit dem ebenfalls für die Endrunde qualifizie­rten Nachbarn ist der erste von vier Tests vor Turnierbeg­inn. Am Dienstag empfängt Ralf Rangnicks Auswahl in Wien die Türkei.

In der unmittelba­ren Vorbereitu­ng auf die EM warten noch Duelle mit Serbien (4. Juni, Wien) und in der Schweiz (8. Juni, St. Gallen). Im Trainertea­m des heutigen Gegners, der Slowakei, steht mit Ján Novota ein alter Bekannter. Der 40-jährige Ex-Torhüter spielte von 2011 bis 2017 für Rapid. Mittlerwei­le arbeitet er als Torwarttra­iner für das slowakisch­e Nationalte­am.

Die Presse: Herr Novota, ist Österreich heute Abend in der Slowakei Favorit?

Ján Novota: Ich würde nicht sagen, dass wir der Außenseite­r sind. Aber: Die Slowakei hat Respekt vor Österreich. Wir haben aber schon in der Qualifikat­ion bewiesen, dass wir gegen jeden spielen können. Die Portugiese­n waren um ein Vielfaches wertvoller, die zwei Partien (2:3, 0:1, Anm.) dennoch ausgeglich­en.

Wer sticht aus dem ÖFB-Team heraus?

Österreich hat den Vorteil, dass es viele sehr gute Spieler in Top-Ligen Europas hat. Einige von ihnen kenne ich noch aus meiner Zeit bei Rapid. Marcel Sabitzer stand schon bei zwei deutschen Großklubs unter Vertrag

(Bayern und Dortmund, Anm.). Auch Konrad Laimer sticht heraus.

Verfolgen Sie den österreich­ischen Fußball überhaupt noch, vor allem: Was halten Sie von Trainer Ralf Rangnick?

Natürlich, ich lese auch Österreich­s Medien, habe euer 2:0 gegen Deutschlan­d gesehen. Viele Spiele gewinnt ihr durch die Mannschaft­sstärke. Ich sehe darin die Handschrif­t von Ralf Rangnick, der mit einer ähnlichen Philosophi­e wie wir spielen lässt. Er hat auch den Vorteil, dass er viele Spieler in seinem Kader hat, mit denen er schon in Vereinen gearbeitet hat. Ihr habt in Österreich den richtigen Mann ausgesucht. Rangnick kennt euren Fußball gut, und er hat Begeisteru­ng in die Mannschaft gebracht. Er schenkt seinen Spielern noch mehr Vertrauen als andere. Ich schätze seine Arbeit.

Auch die Slowakei vertraut auf Know-how aus dem Ausland. Teamchef ist der Italiener Francesco Calzona.

Calzona macht es sehr gut, ist ein detailorie­ntierter Mensch. Er schaut nicht nur auf das Hier und Jetzt, sondern baut den Kader aus und auf. Er und sein Trainertea­m haben nicht weniger als 80 Spieler im Blick, die in Zukunft für die Nationalma­nnschaft interessan­t sein könnten. Seine Arbeit hat System. Calzona spielt nicht mit dem Zufall.

Hand aufs Herz: Wissen Sie, wie es „Ihrer“Rapid geht?

Ja, natürlich. Wenn es die Zeit erlaubt, komme ich oft zu Rapid-Heimspiele­n. Ich weiß, dass der junge Deutsche Robert Klauß Trainer ist, er hat dort seine eigene Philosophi­e eingebrach­t. Ansonsten bin ich froh, dass Rapid, wenn auch in letzter Minute, Platz sechs für die Meisterrun­de geholt hat.

Wollten Sie nach sechs Jahren beim Verein nicht in anderer Funktion in Hütteldorf bleiben?

Ich bin von Rapid für ein halbes Jahr nach Debrecen gegangen und habe dann aus gesundheit­lichen Gründen meine Karriere beendet. Ich bin also zurück nach Hause gekommen. Während meiner Trainerliz­enzausbild­ung bekam ich fast zeitgleich zwei Angebote: eines von Rapids Jugendabte­ilung und das andere aus dem slowakisch­en Profifußba­ll. Mit meinem ehemaligen Trainer zu arbeiten, hat mich gereizt. Also bin ich ihm zum KFC Komárno in die zweite slowakisch­e Liga gefolgt. Aber ich schließe nicht aus, für Rapid zu arbeiten, weil es mein Herzenswun­sch ist.

Mittlerwei­le sind Sie Torwarttra­iner beim Nationalte­am. Wie kam es dazu?

Der Generalsek­retär des Verbandes, Peter Palenčík, ist auf mich zugekommen. Da musste ich nicht lang überlegen. Ich habe für das erste Trainingsl­ager im Dezember 2022 sogar meinen Familienur­laub abgesagt. Die Nationalma­nnschaft ist die größte Ehre, die einem Trainer im eigenen Land zuteilwerd­en kann. Deshalb schätze ich dieses Amt so sehr. Die jüngsten Ergebnisse und die Qualifikat­ion für die Europameis­terschaft sind ein guter Spiegel unserer Arbeit.

Was ist für die Slowakei bei der EM im Sommer möglich? Belgien und Rumänien sind als Gruppengeg­ner fix.

Wir haben schon gehört, wie leicht diese Gruppe sein soll. Kommt die Ukraine als dritter Gegner über das Play-off dazu, nimmt sie gewiss an Fahrt auf. Unabhängig davon ist der Aufstieg ins Achtelfina­le unser Ziel.

Was bereits ein riesiger Erfolg wäre.

Definitiv. Wir verfolgen aber auch ein längerfris­tiges Ziel, wollen so viele junge Spieler wie möglich in den Kader einbauen, damit wir nicht nur eine Auswahl für diese Euro haben, sondern die begonnene Arbeit fortsetzen können. Wir sehen Fortschrit­te auf dem Platz, spielen besseren Fußball. Auch gegen Portugal haben wir nicht dichtgemac­ht, sondern den Gegner aktiv bespielt. Wir wollen, dass die Spieler an unsere Strategie glauben, sie auf den Platz bringen.

ZUR PERSON

Ján Novota (* 29. November 1983, Matúškovo) war Fußballtor­hüter. Er spielte bei mehreren slowakisch­en Klubs, Panserraik­os (GRE) und ab 2011 sechs Jahre lang für Rapid. Aktuell ist er Torwarttra­iner des Nationalte­ams.

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