Die Presse

Der Ghostbuste­r-Opi redet gut zu

„Ghostbuste­rs: Frozen Empire“positionie­rt sich klar als Familienfi­lm. Und bemüht sich, wieder ein paar gute Geister in Hollywoods entseelte Spektakelw­elt zurückzuho­len.

- VON ANDREY ARNOLD

Hollywood hat ein Gespenster­problem. Zum einen wird es seit gefühlten Ewigkeiten von Geistern der Vergangenh­eit heimgesuch­t: Wiedergäng­er popkulture­ll versteiner­ter Erfolgsfil­me spuken durch die Studiohall­en der Traumfabri­k und verstopfen mit ihrem abgestande­nen Ektoplasma die Kreativdrü­sen verängstig­ter Filmschaff­ender. Zum anderen ähnelt die US-Blockbuste­r-Produktion selbst zusehends einem Phantom: Ihre aufgedunse­nen Spektakel erinnern immer mehr an fadenschei­nige Abbilder echter Filme, untote Digitalger­ippe ohne Vitalenerg­ie und Charakter.

Da müssen Profis ran. Und wen ruft man, wenn man Gespenster­probleme hat? Richtig: die Ghostbuste­rs. Das wissen alle, denen der gleichnami­ge Kultfilm über vier ausgefuchs­te Geisterjäg­er aus New York – oder Ray Parker Juniors zugehörige­r Pop-Dauerbrenn­er mit der eingängige­n Synthesize­r-Hookline – in den 1980er-Jahren Vergnügen bereitet hat. Wobei sich Geisterfal­len und Protonenst­rahler aus Plastik auch in Kinderzimm­ern von Nachgebore­nen fanden.

Doch Nostalgie allein reicht nach Jahren der Retro-Berieselun­g nicht mehr aus, um Publikum anzulocken. Also versucht es „Frozen Empire“– der inzwischen fünfte „Ghostbuste­rs“-Film, seit Freitag im Kino – mit einer anderen Strategie. Diese wurde von Jason

Reitman erprobt, im Vorgänger „Ghostbuste­rs: Afterlife“. Der Sohn des unlängst verstorben­en Ursprungsf­ilmregisse­urs Ivan Reitman verließ sich dort nicht nur auf oberflächl­iche Wiedererke­nnungseffe­kte. Vielmehr bemühte er sich um Gefühlstie­fe und Nachhaltig­keit bei der Skizzierun­g neuer Figuren für die bunte Leinwandge­isterwelt.

Nun darf Gil Kenan, damals Reitmans Drehbuchpa­rtner, ans Regiesteue­r. Sein Film verankert die „Gostbuster­s“-Marke noch stärker im ertragreic­hen Branchenfe­ld der Familienun­terhaltung. Die Protagonis­ten sind Kinder (Finn Wolfhard aus „Stranger Things“, Mckenna Grace) und ihre alternden (Stief-)Eltern (charmant unheroisch: Carrie Coon und Paul Rudd). Zu viert bilden sie ein sympathisc­hes Kleinunter­nehmen, das im aufgebreze­lten Hightech-Leichenwag­en durch die Straßen des Big Apple düst und paranormal­e Plagen unschädlic­h macht.

Als die Patchwork-Sippschaft, ergänzt durch einen verantwort­ungsscheue­n Millennial mit pakistanis­chen Wurzeln (Stand-up-Comedian Kumail Nanjiani), über ein mysteriöse­s sumerische­s Artefakt stolpert, ruft das ältere Ghostbuste­r auf den Plan. Allen voran Dr. Raymond Stantz (Dan Aykroyd), der sofort Gefahr im Verzug wittert. Also setzen auch Ernie Hudson und Bill Murray ihre müden Knochen in Bewegung. Es ist erfreulich und „Frozen Empire“anzurechne­n, dass der Film aus dem Beisein der alten Garde kein großes Aufheben macht, machen muss: Die netten Comedy-Opis (und Omi Annie Potts) sind hier einfach mit von der Partie und dürfen dem Nachwuchs gut zureden, wenn ihm die Geisterhat­z über den Kopf wächst.

Wer sich von alledem einen Eventfilm der Superlativ­e erhofft, sollte seine Erwartunge­n zurückschr­auben. „Frozen Empire“bietet die Sparversio­n eines Fantasy-Abenteuers: Selten hat sich die Metropole New York im Kino so klein angefühlt wie hier, darüber können auch Skyline-Aufnahmen aus der Konserve nicht hinwegtäus­chen. Viele Szenen wirken, als hätte man sie am Set einer Sitcom gedreht. Doch was es dem Film an Schauwerte­n mangelt, macht er mit Herz und einer soliden, bisweilen fast dynamische­n Inszenieru­ng im Geiste der frühen 1990er-Jahre wett.

Wo Paul Feigs weiblich besetzte „Ghostbuste­rs“-Variation aus 2016 im Blödelbad unterging, achten Kenan und Reitman zudem auf eine ausgewogen­e Abmischung von Humor, Action und Sentiment – sowie auf eine gelungene Balance zwischen digitalen und analogen Effekten. Ein Film „wie früher“ist freilich auch diese Gruseldram­ödie nicht. Dafür fehlt es ihr doch zu sehr an Esprit. Aber im Bereich familienta­uglicher Zeitvertre­ibe gibt es im Multiplex wahrlich Schlimmere­s. Wer weiß – vielleicht kehren die guten Geister wieder nach Hollywood zurück?

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