Die Presse

Feier der Macht der Frauen

Marin Alsop dirigierte das RSO Wien. Als Solistin glänzte die gewohnt temperamen­tvolle Patricia Kopatchins­kaja.

- VON MARION EIGL

Dieser Gestus, dieser Charakter: In der Solokadenz zu Beginn schimmert eindeutig Antonio Vivaldi durch. Der italienisc­he Komponist Aureliano Cattaneo, Jahrgang 1974, verbirgt in seinem Violinkonz­ert „Not Alone We Fly?“seine Vorbilder nicht, und doch ist die Musik ganz klar im Heute geboren. Ein CDProjekt hat Cattaneo mit der Geigerin Patricia Kopatchins­kaja zusammenge­führt, sie regte ihn dazu an, dieses Violinkonz­ert, mittlerwei­le sein zweites, für sie zu schreiben. Der Titel ist aus einem Gedicht der amerikanis­chen Lyrikerin Emily Dickinson. Drei Zeilen daraus legte Kopatchins­kaja am Ende sprechsing­end über die Violinstim­me, bevor sie das Werk mit einem intensiven Blick ins Publikum ausklingen ließ.

Gewohnt hingebungs­voll, alle Aufmerksam­keit magnetisch auf sich ziehend, präsentier­te die charismati­sche Geigerin das jüngst in Essen uraufgefüh­rte Stück erstmals im Wiener Konzerthau­s. Dieses ist einer der Auftraggeb­er neben dem ORF Radio-Symphonieo­rchester Wien, das unter der Leitung seiner Chefdirige­ntin Marin Alsop spielte.

Viel Schlagwerk im Orchester auch bei „Woman of the Apocalypse“des schottisch­en Komponiste­n James MacMillan: ein über weite Strecken martialisc­hes, dunkles Tongemälde in fünf Sätzen, inspiriert von religiösen Themen. Marin Alsop hat schon 2012 die Uraufführu­ng in Santa Cruz geleitet. Ihre Arbeit am Pult zeichnet sich stets durch Sorgfalt, Konzentrat­ion und Leidenscha­ft aus. Den Abend leitete sie mit einer euphorisch­en Ansage ein: Das Programm feiere die Macht der Frauen. Daumen hoch. Und zur Bekräftigu­ng gleich noch einmal.

Zögerlich, dann eruptiv: „No na“

Hannah Eisendle, geboren 1993 in Wien, moderierte ihr neues Stück „No na“nur kurz an. Denn sie will in erster Linie Bilder evozieren, ohne allzu Konkretes vorzugeben. Die atmosphäri­schen Szenerien wechseln im Laufe der 15 Minuten. Zunächst tastend, zögerlich, später lasziv, eruptiv. Das Resultat: spannend! Das RSO Wien meisterte die jeweiligen Aufgaben souverän.

Das älteste Werk war aus dem Jahr 2013: Roxanna Panufniks „Two Composers, Four Hands“für Doppelstre­ichorchest­er, verfasst anlässlich der 100. Geburtstag­e von Andrzej Panufnik (Roxannas Vater) und Witold Lutosławsk­i – die beiden bildeten während des Zweiten Weltkriegs in Warschau ein legendäres Klavierduo. Vielleicht das emotionals­te Stück des Abends. Viel Begeisteru­ng.

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