Historisch und geografisch verengter Fokus
„Ist betrunkenes Betragen kulturell erlernt?“von Anne-Catherine Simon, 15.3.
Die biologischen Veränderungen des Menschen durch Trunkenheit sind unbestritten, im Diskurs steht die Frage, inwieweit damit auch „ausschweifende“Verhaltensweisen grundgelegt oder solche kulturell bedingt sind. Die These, psychische Enthemmung stelle ein spezifisch westliches Phänomen betrunkenen Betragens dar, leidet offensichtlich an einem historisch
geografisch verengten Fokus: Ein Blick auf den Alten Orient und besonders auf das Alte Israel in die zahlreichen romanhaften Lehrerzählungen der Hebräischen Bibel reicht zur Widerlegung. Ja, Alkohol kann einen großen Beitrag zu einem gelingenden Leben bieten, kann Fülle und Freude bringen und so zu einem „Lebenswasser“für den Menschen werden, sofern er ihn mäßig und zur rechten Zeit trinkt. Die Erzählungen verdeutlichen aber auch eindringlich, wie der Mensch durch zu viel Alkohol sich selbst, die Gemeinschaft mit dem Nächsten (und auch eine Verbindung zu Gott) gefährden kann. Beispielhaft seien genannt : das Gastmahl Belschazzars, bei dem in Weinlaune ein verhängnisvoller Befehl zum Frevel letztlich im berühmten Unheilsorakel „mene mene tekel u-parsin“mündet und das Unheil seinen Lauf nimmt ; oder das Gastmahl des General Holofernes, der in Trunkenheit Opfer seiner Triebe wird und nicht nur seine Sinne, sein Gesicht, sondern im wahrsten Sinn des Wortes auch seinen Kopf verliert. Solche Erzählungen inspirier(t)en auch die größten Künstler zu zeitlosen Werken! Anton Aaron Burger, 1220 Wien