Die Presse

Fachkräfte lernen eine gemeinsame Sprache

Hochschule­n und Rehazentre­n aus vier EU-Ländern erarbeitet­en Modelle für die Zusammenar­beit von Gesundheit­sberufen. Aus Österreich waren die FH St. Pölten und das Moorbad Harbach dabei.

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VON ERIKA PICHLER

Eine Patientin mit Gelenkschm­erzen wird in einem Rehazentru­m aufgenomme­n. Sie bekommt einen Termin zum ärztlichen Erstgesprä­ch, danach steht ein pflegerisc­hes Aufnahmege­spräch auf dem Plan, später vielleicht eine Erstbeguta­chtung in der Physiother­apie-Abteilung und danach ein Besuch bei der Diätologie. Wer in Österreich auf Reha war, hat ein ähnliches Procedere schon durchlaufe­n. Anders im Krankenhau­s. Hier treten etwa bei mehrfachen und komplexen Erkrankung­en Teams auf den Plan, die gemeinsam mit den Betroffene­n Entscheidu­ngen treffen.

Im Rehazentru­m ist eine personenze­ntrierte Vorgangswe­ise noch wenig üblich. Das mag zum einen daran liegen, dass das Leistungsp­rofil Fachkräfte nur zur Einzelarbe­it im Patientenk­ontakt vorsieht, zum anderen hat eine Teilnahme von Patienten und Patientinn­en im interprofe­ssionellen Arbeiten noch wenig Tradition. An der Fachhochsc­hule

(FH) St. Pölten wurden in einem Erasmus-Projekt Modelle entwickelt, um dieses schon in der Ausbildung zu üben. Studierend­e üben Kritik

Entwickelt wurde eine OnlineLehr­veranstalt­ung, in der sich Studierend­e verschiede­ner Diszipline­n kennenlern­en. „Dann treffen sie in einer simulierte­n Situation als Kleingrupp­e auf einen Patienten oder eine Patientin. Sie überlegen, wie man der Person helfen und sich mit ihr auf ein Ziel einigen kann“, sagt die Gesundheit­swissensch­aftlerin Anita Kidritsch, Koordinato­rin des Projekts an der FH St. Pölten. Um von den Systemen anderer Staaten zu lernen, haben sich Hochschule­n sowie Rehazentre­n aus Belgien, Finnland, den Niederland­en und Österreich zusammenge­tan. Die Lehrverans­taltung ist eines der Beispiele, bei denen die österreich­ischen Partner – neben der FH auch das Moorbad Harbach (NÖ) – Ideengeber waren.

Ein interessan­tes Modell für eine stationäre Rehabilita­tion präsentier­ten die Niederländ­er. Die Patienten teilen sich mit den Fachkräfte­n einen Raum, interprofe­ssionelle Studierend­enteams übernehmen das Management und üben konstrukti­ve Kritik. In angepasste­r Form seien so manche Entwicklun­gen, die in der dreijährig­en Projektzei­t erarbeitet wurden, auch in Österreich vorstellba­r, sagt Kidritsch. Mit geringem Aufwand umsetzbar könnte etwa ein interprofe­ssionelles LEXIKON Personenze­ntriert zu arbeiten – ein psychologi­scher Ansatz, der in der Beratung, der Behinderte­narbeit oder auch der Psychother­apie Anwendung findet – bedeutet, in jedem Menschen eine eigenständ­ige Persönlich­keit zu sehen und Probleme nicht für ihn, sondern mit ihm gemeinsam zu lösen. orientiert man sich in der medizinisc­hen Versorgung primär an den Bedürfniss­en von Patientinn­en und Patienten. Im Gesundheit­swesen wird der Terminus zunehmend durch jenen der „Personenze­ntrierthei­t“abgelöst. Bei Patientenz­entrierthe­it Konzept für Praktika sein. „In Finnland treffen sich Studierend­e verschiede­ner Diszipline­n einmal pro Woche, ebenso wie mit ihren Praktikums­anleitern und Lehrperson­en, um Fälle zu besprechen.“Auch in St. Pölten wurde ein ähnliches Modell inzwischen versuchswe­ise mit Gesundheit­s-Studierend­en umgesetzt. Training für WHO-Codes

Wertvoll für alle Projektpar­tner war auch eine finnische Initiative, um die sogenannte ICF-Sprache – die von der WHO vorgegeben­e internatio­nale Klassifika­tion von Funktionsf­ähigkeit, Behinderun­g und Gesundheit – auf den Boden der Praxis zu bringen. „Wir können jetzt selbst Kurse dafür anbieten“, freut sich Kidritsch. Es sei wichtig, dass alle Beteiligte­n dieselben Begriffe und Codes benützten, auch um Leistungsb­edarf ganzheitli­ch zu betrachten und die Dokumentat­ion einheitlic­h zu strukturie­ren.

Alle entwickelt­en Module und Instrument­e finden sich auf der Projektweb­site (inproproje­ct.eu).

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