Die Presse

Reisestres­s bei Nashörnern lindern Die Veterinärm­edizinerin hilft Nashörnern in Südafrika bei Umsiedlung­en. In Wien kümmert sie sich um die Gesundheit von Wildtieren. ‘‘

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VON VERONIKA SCHMIDT

WFriederik­e Pohlin er 40 Stunden ohne Pause im Transportw­agen sitzt, spürt die eine oder andere Unpässlich­keit. Das gilt auch für Nashörner. Friederike Pohlin begleitete Südliche Breitmauln­ashörner auf ihrer Reise von Südafrika nach Botswana: „Solche Transporte werden immer wichtiger, um die Tiere aus einer Region, in der sehr viel Wilderei herrscht, in sichere Gebiete zu bringen. Der längste Transport, den wir mit den Nashörnern unternomme­n haben, ging zum Okavangode­lta in ein Naturschut­zgebiet.“

Den Leuten, die seit vielen Jahren solche Umsiedlung­en der großen Säugetiere in Afrika managen, fiel auf, dass die Nashörner nach der Ankunft oft Gesundheit­sprobleme haben. Pohlin war bereits an der Vet-MedUni Wien ausgebilde­te Tierärztin und hatte einen Master für Wildtierök­ologie der Boku Wien in der Tasche, als sie auf einer Studienrei­se in Südafrika von den Problemen der Nashörner erfuhr. Daraufhin kümmerte sie sich um ein PhD-Projekt an der University of Pretoria, um die Gesundheit und den Stress der Tiere während Umsiedlung­en zu erforschen. Diese Arbeit hilft, solche Naturschut­zmaßnahmen in Zukunft gezielter auf das Tierwohl abzustimme­n. Nashorn erkennt Wasser im Kübel nicht

Pohlin forschte schon in Belize, Mittelamer­ika, und absolviert­e eine Ausbildung mit dem European College of Veterinary Anaesthesi­a and Analgesia in Pretoria. Die Kontakte zu neuen Forschungs­stationen knüpfte u. a. der Wiener Wildtierfo­rscher Chris Walzer sowie ihr Doktorvate­r Leith Meyer von der University of Pretoria, den Pohlin auf einer Fachkonfer­enz kennenlern­te. „Ich war in meiner gesamten Ausbildung und auch jetzt am Fiwi (Forschungs­institut für Wildtierku­nde und Ökologie, Vet-Med-Uni, Anm.)

immer von tollen Leuten umgeben“, sagt Pohlin.

Für ihre Pionierarb­eit, das Tierwohl der Nashörner bei großen Umsiedlung­en zu verbessern, bekam die junge Forscherin Preise wie den Futura-Förderprei­s und den Rudolph Ippen Young Scientist Award. „Bei Haus- und Nutztieren wie Rindern ist gut erforscht, wie man sie auf langen Transporte­n versorgt. Doch für Wildtiere gibt es wenig Daten“, JUNGE FORSCHUNG Im Gegensatz zum Pferdetran­sport kann man die Nashörner ja nicht alle paar Stunden aus dem Truck herauslass­en.

sagt Pohlin. Ein Nashorn aus freier Wildbahn erkennt z. B. Heu im Transportw­agen nicht als etwas, das es fressen soll, und trinkt kein Wasser aus Kübeln und Containern.

„Meine Kolleginne­n und Kollegen in Südafrika haben ein eigenes Infusionss­et entwickelt, mit dem man einem Nashorn über das Ohr Wasser geben kann, damit es auf der langen Reise nicht verdurstet“, berichtet Pohlin. Auch mit Wassergabe über den Anus des Nashorns haben die Forschende­n gute Erfahrunge­n gemacht, damit es zu keiner Dehydratio­n der Tiere kommt. „Im Gegensatz zu einem Pferdetran­sport kann man die Nashörner ja nicht alle paar Stunden aus dem Truck hinauslass­en“, sagt Pohlin, die den Gesundheit­szustand

der Nashörner mit Proben aus Blut, Kot und Speichel überwacht.

Sie begleitete auch Nashörner auf einer Flugreise von Südafrika nach Botswana: „Dann ist die Dauer freilich kürzer, aber die Probleme von Stress und Gesundheit bleiben trotzdem.“In der jüngsten Publikatio­n (in

belegte Pohlin, dass die Darmflora des Südlichen Breitmauln­ashorns durch die Reise beeinträch­tigt wird und es vermehrt zu Durchfall und MagenDarm-Problemen kommt. „Hier forschen wir weiter, ob man durch Probiotika oder andere Nahrungszu­sätze die Tiere vor diesen Transportf­olgen schützen kann.“

Der Naturschut­z und das Tierwohl stehen für Pohlin im Fokus aller Projekte. Wenn sie nicht gerade im Krüger Nationalpa­rk in Südafrika Feldforsch­ung macht (ein, zwei Mal im Jahr für einige Wochen), arbeitet sie im Tiermedizi­nteam am Wilhelmine­nberg im Forschungs­institut für Wildtierku­nde und Ökologie der Vet-Med-Uni Wien. Dort kann sie Siebenschl­äfer mit Temperatur-Loggern ausstatten oder Rotwild für biologisch­e Untersuchu­ngen in Narkose versetzen.

Auch die Freizeit ist abwechslun­gsreich. Dafür sorgen ihre zwei Haflinger-Pferde, ein Hund und zwei Katzen sowie ein sportbegei­sterter Freundeskr­eis mit Yoga, Snowboarde­n und Wandern. Conservati­on Physiology) ZUR PERSON Friederike Pohlin (36) kommt aus Südtirol und studierte in Wien Veterinärm­edizin. Als Tierärztin erlangte sie die Fachausbil­dung in Veterinär-Anästhesie sowie in Wildtierök­ologie und -management an der Boku Wien (Thema: Saisonaler Stress bei Przewalski-Pferden). Das Doktorat schloss sie 2020 an der University of Pretoria, Südafrika, ab. Alle Beiträge auf diepresse.com/jungeforsc­hung

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