Tausche Putin gegen Autodieb
In der 4. Folge von sehnt sich ein Nelken tragender Dr. Feymann nach der alten Zeit zurück, als polnische Diebe deutsche Autos klauten.
In der Früh nahm mich der Chef auf die Seite und sagte: „Gleich kommt unser wichtigster Stammkunde: Dr. Feymann. Machen Sie einen guten Eindruck auf ihn.“– „Und wie mache ich das, Chef?“– „Nicken und lächeln. Bzw. lächeln und nicken. Die Reihenfolge überlasse ich Ihnen.“
Kaum war ich in das Begrüßungssystem eingeweiht, erschien der ominöse Dr. Feymann. Er trug einen karierten Anzug, Lederschuhe und hatte eine Nelke im Knopfloch. Dr. Feymann sah nicht nur merkwürdig aus, er hatte auch eine merkwürdige Art, alles zu betrachten. Alles verwunderte ihn. Er betrachtete verwundert unseren Stand. Dann nicht weniger verwundert den Chef. Und schließlich landete sein verwunderter Blick auf mir: „Wen haben wir denn da?“
„Der neue Verkäufer. Ist noch in Ausbildung“, sagte der Chef.
„Ausbildung. Ein gutes Wort. Kennt heute niemand mehr.“Dr. Feymann nahm mich genau ins Visier und flötete: „Du Apfel und Birnen kennen? Ist nicht leicht, muss man gut Kopf haben.“Er sprach laut und deutlich. Genauso wie man eben mit Debilen und Ausländern reden soll.
„Das ist wahr. Aber ich hoffe, es bald hinzubekommen“, antwortete ich in meinem flüssigsten Deutsch. Dr. Feymann wich verwundert zurück. „Aber der kann ja alles verstehen. Und sprechen tut er auch noch!“
„Jaja. Er redet den ganzen Tag. Die Leute mögen das“, murmelte der Chef.
Dr. Feymann beugte sich vor: „Dem Akzent nach tippe ich auf Deutschland. Auf Franken. Richtig?“Ich sah hinüber zum Chef, ob ich die Wahrheit sagen durfte. Der Chef zuckte die Achseln, als wollte er sagen: Die Wahrheit kommt sowieso früher oder später heraus.
„Eigentlich komme ich aus Polen.“„Unglaublich“, rief Dr. Feymann aus: „Das ist ja praktisch das Gegenteil von Deutschland, stimmt‘s?“
„Mich wundert nichts mehr“, bestätigte der Chef.
„Ist das wirklich wahr, dass die Polen seinerzeit so viele Autos geklaut haben?“, erkundigte sich Dr. Feymann sachlich.
„Allerdings“, stimmte ich zu: „Und vor allem deutsche. Sind schließlich die besten auf der Welt“. Wenn ich etwas im Leben gelernt hatte, dann niemals zu leugnen, dass die Erde eine Kugel ist. Warum sollte ich jetzt plötzlich damit anfangen?
Dr. Feymann machte mit seinem Finger eine Drehung, die den Markt einschloss: „Bevor Sie mich als einen Nazi abstempeln, möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich den polnischen Autodieben große Sympathie entgegenbringe. Sie sorgten für den sich natürlich ausgleichenden Austausch von Materialien und erinnerten unsere Konsumgesellschaft an eine alte Weisheit: Geh zu den Armen und hilf ihnen, sonst kommen sie hierher und helfen sich selbst. Ich würde die polnischen Autodiebe von damals sofort gegen den heutigen Terror, Kriege und Wahnsinnige wie Putin eintauschen. Von heute aus gesehen, muten sie geradezu wie ein romantisches Konzept an.“
Dr. Feymann blickte zum Chef: „Sieht sein Vorgesetzter das auch so?“
„Mich wundert nichts mehr“, zog sich der Chef aus der Affäre.
„Auch ich erkenne eine gewisse Romantik“, gab ich zu. „Und auch ich will im Gegenzug für Terror, Putin etc. die Autodiebe haben. Vor allem die beiden Exemplare, die mir letzten Sommer das Fahrrad geklaut haben.“ „Kronprinz und Co“ Von Radek Knapp