Die Presse

Der Eigensinn der Töchter

- Von Antonia Barboric

Herrje, da hat man zwei Töchter, bietet ihnen nur das Beste im Leben, und dann fällt ihnen nichts Besseres ein, als dem wohlhabend­en, adligen Elternhaus den Rücken zu kehren und ein seltsames eigenbrötl­erisches Leben zu führen?!

Natürlich hat die Ältere mit dem Unsinn begonnen: Sie hatte einen Mann kennengele­rnt, der ihr nur allzu gut gefiel. Das betraf aber nicht sein Äußeres, sondern, etwas schwulstig ausgedrück­t, sein Inneres – seine Gesinnung, seine Lebensweis­e. Das fasziniert­e sie, das wollte sie ihm nachmachen. Sie zog von daheim aus, und der Mann brachte sie in einer Art Frauengeme­inschaft unter. Ihr Äußeres hatte sie ähnlich dem seinen radikal geändert: Sie trug ihre Haare fortan kurz und verzichtet­e auf unnötigen Klimbim bei der Kleidung.

Gut zwei Wochen später stand die jüngere Schwester vor der Tür der älteren, woraufhin der Vater versuchte, zumindest diese zurückzuho­len. Er schickte den Onkel, um das Mädchen zur Rückkehr zu zwingen. Der Onkel wollte sogar Gewalt anwenden, doch half ihm sein Schwert nichts – es versagte ihm den Dienst. Und auch seine Gefolgscha­ft schaffte es nicht, das Mädchen aus dem Haus zu zerren – es schien Tonnen zu wiegen.

Die Schwestern wurden nicht weiter behelligt, und sie machten sich daran, ihr neues Haus für sich und andere Frauen, die da noch kommen sollten, herzuricht­en. Diese kamen tatsächlic­h: Unter ihnen befanden sich ihre anderen Schwestern, Freundinne­n, eine Tante und ihre nun verwitwete Mutter.

Der jüngeren Frau wurde von dem Mann die Leitung einer anderen Frauengeme­inschaft übertragen, und sie gründete im Laufe der Zeit weitere. Die ältere blieb in jenem Haus, das sie zuvor gebaut hatten, und lebte nach strengen Regeln, die sie selbst aufgestell­t hatte. Ihrem Vorgesetzt­en gefielen diese aber nicht, sie schienen ihm zu streng und nicht umsetzbar – bis er sie aber doch noch anerkannte, just einen Tag vor ihrem Tod. Angesichts des nahenden Tods der älteren Schwester eilte die jüngere herbei, um sich zu verabschie­den – kein halbes Jahr später verstarb auch sie. Wer traf wen? Das Haus? Die Gemeinscha­ften? Der Vorgesetzt­e? Die Regeln?

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