Die Presse

Rumreisen und Rum suchen

Eine Tour durch die Rumshops auf der Karibikins­el offenbart die innige Beziehung der Barbadier zu ihrem Getränk, das wohl hier erfunden wurde. Wer aber zu viel getrunken hat, darf nie den Bartender verantwort­lich machen.

- VON DUYGU ÖZKAN

Der Name ist Programm. Das Programm ist grün, der Name lautet: Kermitt’s Bar. Ein ebenerdige­s Gebäude in Hellgrün, Dunkelgrün, Giftgrün und Gelbgrün. Es ist Nachmittag in Pegwell, einer Nachbarsch­aft in Christ Church, südlich von Bridgetown, und es ist vor allem eins: heiß. Einige wenige Gäste haben sich in das Innere der Bar geflüchtet, wo im TV ein Abenteuerf­ilm aus den 1990ern läuft und wo jemand mit einem Billardsto­ck hineinund hinausgeht, scheinbar ohne Ziel. Hinter der Theke reihen sich Rumflasche­n in allen Größen, der Bartender – ebenfalls in Grün gekleidet – hantiert mit ein paar Gläsern. „Wenn jemand auf Barbados eine wilde Nacht hatte“, sagt Marc McCollin mit der nötigen Ernsthafti­gkeit, als er Kermitt’s Bar betritt, „dann ist die Person selbst dafür verantwort­lich. Es ist nicht der Bartender schuld.“

Aroma von Vanille und Zitrus

Denn hier funktionie­rt es so: Die Gäste der Rumshops kaufen sich den Rum und das dazugehöri­ge Mixgetränk, etwa Cola, und mischen sich auf den Bänken rund um die Bar ihre Getränke selbst. Aber heute wird ohnehin nicht gemischt. Marc schnappt sich zwei kleine Flaschen, einen weißen und einen goldenen Rum, und setzt sich auf die Bank neben der Bar: Jetzt wird verkostet. „Was fühlt ihr?“, fragt er und lässt zuerst den weißen Rum riechen. Eine scherzt: „Vor allem Angst.“Es brennt ein weauf der Zunge, aber es schmeckt auch leicht nach Vanille und Citrus. „Natürliche Herstellun­g“, sagt Marc.

Barbados gilt als Geburtsort des Rums. Die zahlreiche­n Rumshops – 1500 an der Zahl – auf der karibische­n Insel zeugen von der innigen Beziehung der Insulaner zu ihrem Getränk. Wer auf Barbados urlaubt, besucht gern eine Destilleri­e (beispielsw­eise vom Unternehme­n Mount Gay, wo seit über 300 Jahren Rum hergestell­t wird), doch seltener einen der

Rumshops, wo das Getränk konsumiert, wo gegessen wird und wo die lokale Bevölkerun­g anzutreffe­n ist. Gern beim Dominospie­l.

Eine Katze gehört dazu

„Nur wenig Rum aus Barbados wird exportiert“, sagt Reiseführe­r Marc, ein alterslose­r, freundlich­er Herr in weißem T-Shirt und Strohhut. Er stammt selbst aus Barbados, verbrachte viele Jahre in Großbritan­nien, doch das Heimweh zog ihn wieder auf die Insel. Marc schenkt einige Tropfen der nächsten Flasche in das Glas, diesmal ist es eine goldene Flüssigkei­t der Marke Old Brigand, die leicht nach Honig schmeckt. Die meisten Rumsorten seien Verschnitt­e – Blends –, erzählt Marc. „Das Blending ist eine Kunst.“Ja, es sei bisweilen auch chemisch. Und manche würden dem Getränk auch Karamell beifügen, um die Farbe konsistent zu halten. Aber das könne nicht über diese Kunst, und vor allem nicht über die reiche Rumgeschic­hte der Insel hinwegnig täuschen, sagt der Reiseführe­r und Touristike­r. Während die Hitze die noch wenigen Gäste an diesem Nachmittag träge über diverse Rumnoten sinnieren lässt, streift eine Katze durch die Beine aller Anwesenden. Eine Katze, betont Marc, gehöre eigentlich zu jedem Rumshop dazu. Und einen weiteren wolle er uns noch zeigen.

Würzig, aber nicht scharf

Unterwegs nach Saint George geht es vorbei an einstöckig­en Häusern im karibische­n Stil, an Zuckerrohr­feldern, an Schülergru­ppen in Uniform. Die beliebte In De Hole Bar befindet sich östlich der Hauptstadt Bridgetown, hier gibt es eine überdachte Terrasse und die obligatori­sche Katze, diesmal ein gestreifte­r Tiger. Marc stellt drei Sorten der Marke Mount Gay auf den Tisch, die Flasche Black Barrel wird traditione­ll im Kupferbren­nkessel hergestell­t. Es schmeckt recht würzig, die Bewertunge­n fallen unterschie­dlich aus. „Du magst, was du magst“, sagt Marc diplomatis­ch. Es gebe kein „Das ist besser als das andere“. Der zweite Rum namens Eclipse ist zwar jung, aber nicht scharf. Und bei der dritten Flasche, Silver, erzählt er, dass seit der Einführung dieser Sorte die Wodkaverkä­ufe stark zurückgega­ngen seien. Die Liebhaber dieser Sorte waren offenbar dieselben wie die Wodkafans.

In die überdachte Terrasse bringt die Kellnerin zwischendu­rch Frittierte­s: Fish Cakes (kleine, runde Bälle), vegetarisc­he Samosas, Hendlhaxen. Sie liefern die nötige Unterlage, sollte man sich doch länger hier aufhalten. In anderen Rumshops wiederum kann man sich das Essen selbst mitnehmen. Manche haben warme Küche, andere Karaoke, wiederum andere einen Billardtis­ch oder mehrere Fernseher. Oder eben Domino. In allen aber wird viel geredet, werden die Neuigkeite­n des Alltags ausgetausc­ht.

Wer neben Rum noch auf der Suche nach weiteren Attraktion­en

auf der Insel ist, wird um das Geburtshau­s der Sängerin Rihanna nicht herumkomme­n. Dort navigiert uns Marc durch die Straße, das Haus selbst sticht architekto­nisch aus den anderen Häusern nicht hervor, ist aber insgesamt schön renoviert für all die Touristenb­ilder, die hier entstehen. Auf dem Dach hantiert ein Handwerker mit Kabeln herum, und mehr gibt es eigentlich nicht zu sehen. Am Ende der Straße: der nächste Rumshop, eine weiße, sympathisc­he Hütte mit einem aufgemalte­n bunten Hahn. „Made in Barbados“steht in großen Lettern daneben. In Bridgetown lassen sich indessen hübsche Seitengass­en entdecken, vor allem wuselt es rund um den Bridgetown-Market, und es findet sich sicherlich etwas, was man nicht braucht, aber unbedingt haben möchte.

So interessan­t die Geschichte des Rums auch ist, wer nach Barbados reist, tut dies wahrschein­lich wegen der Sandstränd­e, der Sonne, der Erholung. Wer sich im Sandals Royal Barbados all inclusive einbucht, kann jeden Tag zwischen zahlreiche­n Restaurant­s, Cafés und Imbissen wählen, ohne die Geldbörse ständig mitschlepp­en zu müssen (Adults only und für Paare – durchaus gewöhnungs­bedürftig, aber sicherlich nicht langweilig). Es gibt Pool-Landschaft­en, einen direkten Zugang zum Strand mit weißem Sand, Bars, Bowling, Tennis, Kajak, Tauchen und anderen Sportmögli­chkeiten. In anderen Worten: Man kann sich mittags die jamaikanis­ch frittierte­n Hühnchen zum Strand holen, und wenn man gut drauf ist, die Piña Colada gleich dazu. Dass am Ende alles mit Sand und Sonnencrem­e an den Fingern pickt, muss auch sein, es sind die Spuren des Müßiggangs. Einmal ordentlich abrubbeln, und hinein in das Karibische Meer.

 ?? [Özkan] ?? Die Piña Colada kann man mitnehmen, in eigenen To-goBechern; der Strand von Sandals Royal Barbados.
[Özkan] Die Piña Colada kann man mitnehmen, in eigenen To-goBechern; der Strand von Sandals Royal Barbados.

Newspapers in German

Newspapers from Austria