Die Renaissance eines Landguts
Zwischen den Hügeln des Val d’Orcia und im Gebiet des Brunello liegt ein uraltes Anwesen, das zum exklusiven Ort für Gäste wurde: Castiglion del Bosco.
Wenn süß das Mondlicht auf den Hügeln schläft“, Shakespeare, von dem das Zitat stammt, muss einfach dort gewesen und inspiriert worden sein. Die Toskana ist der Sehnsuchtsort von Dichtern und Denkern, Heimat von Genies wie Galilei, Michelangelo, Da Vinci, Donatello, Machiavelli, Puccini, Boccaccio, Modigliani. In den 1960er-Jahren war es für Schöngeister cool, sich einen alten Bauernhof in der Toskana herzurichten, anstatt an der Küste zu braten. Die Liebe zu diesem Landstrich ist bis heute ungebrochen. Egal, wie oft man hier war – ein
Blick auf den hügeligen, Zypressen-verbrämten Horizont, und die Sehnsucht hat ihr Ziel gefunden.
Man sollte immer wieder neue Aussichtspunkte anpeilen in der hügelbebauten Toskana. Es muss ja nicht unbedingt San Gimignano sein, das schon seit Ende des 19. Jahrhundert ein fixer Stopp im Zuge der „Grand Tour“war, der Bildungsreise für die höhere Gesellschaft, und das seit 1990, zum UnescoWeltkulturerbe ernannt, die Massen anzieht. So viele kleine Dörfer, die von der Vereinigung I borghi più belli d’Italia zu den schönsten Italiens gekürt wurden, machen die Wahl nach dem Lieblingsplatz schwer. Wie Anghiari mit seinen zehn Meter hohen Mauern, das autofreie Barga, Pitigliano mit dem einstigen jüdischen Ghetto, die Medici-Festung Volterra oder Poppi mit seiner berühmten Burg.
Von Bauernhäusern zu Villen
Nicht zu vergessen Montepulciano inmitten von Weinbergen. Mit einem Glas Vino Nobile di Montepulciano auf der Piazza Grande ist die Welt noch in Ordnung. In Sichtweite liegt ein interessantes Anwesen, mitten im Val d’Orcia, dem Unesco-geschützten Naturpark. 1996 von Massimo und Chiara Ferragamo erworben, ist Castiglion del Bosco heute ein Luxusresort mit einem Borgo, einem historischen Dorf mit Kapelle und 900 Jahre alter Burgruine. Und mit elf Villen, auf den Resten alter Bauernhäuser aus dem 17. und 18. Jahrhundert errichtet.
Die strengen Vorschriften eines Kulturerbes erlauben zwar einen Golfplatz (der einzige private in Italien), aber keine asphaltierten Straßen, Baumaterial und Stil müssen dem historischen Erbe entsprechen, die Landschaft muss unberührt bleiben. Ausgenommen die Weinberge: Nachdem viele Bauernhöfe in der Gegend verlassen worden waren, gab es in den 1970ern etwa 25 Winzer, die hier die Weingärten bewirtschafteten, heute produzieren mehr als 200 Winzer den berühmten Brunello di Montalcino.
Dank dem Schutz des Val d’Orcia durch die Unesco wird hier die Epoche der Renaissance lebendig erhalten und erlebbar gemacht durch ein außergewöhnliches Abbild einer historischen Landschaft. Schon vor Tausenden von Jahren wurde das Gebiet von den Etruskern besiedelt, die für Rom so wichtige Handelsstraße Via Francigena durch das Val d’Orcia belebte die Gegend. Und als der Stadtstaat Siena im 13. und 14. Jahrhundert an Macht gewann, entstand endgültig die charakteristische Landschaft, die noch heute so aussieht wie auf einem Gemälde von Ambrogio Lorenzetti (um 1339) im Rathaus von Siena.
Leer und pittoresk
Besonders hier, aber auch in anderen Teilen der Toskana kann man dieser Zauberlandschaft nachspüren: „Paese fantasma“nennt man sie, die „Geisterdörfer“, die sich in idyllischen Regionen, irgendwo in abgelegenen Tälern oder an Berghängen, verstecken. Mehr als 20 davon allein in der Toskana. Heute sind es pittoreske Ruinen, die man mit ein wenig Fantasie hurtig bevölkern kann. Die einstigen Bewohner wurden durch Erdbeben vertrieben, durch eine verschwindende Bergbauindustrie arbeitslos gemacht, durch Abwanderung der Jugend in die Städte verlassen.
Unvermeidlich: Siena. Am besten mit Führung und anschließendem Dolce far niente auf dem muschelförmigen Platz, einem ständigen Freilufttheater. Und am besten außerhalb der Hauptreisezeit. Es gibt Geisterführungen, bei denen man in schmalen Gassen von Spuk und Werwölfen hört. Von dem mystischen Fluss „Diana“unter Siena, der nie gefunden wurde. Vom angeblich flaggenschwingenden und türenknarrenden Geist der heiligen Katharina, deren Kopf und ein Finger höchst bizarr in der Basilica Cateriniana di San Domenica ausgestellt sind. Und wie sich die komplizierten Verschränkungen und Verbindungen, Feindschaften und Freundschaften der verschiedenen Contrade erklären lassen kann, der 17 Stadtteile, die jährlich zwei Mal am Palio teilnehmen. Ungeheure Summen (bis zu 500.000 Euro, so wird gemunkelt) wechseln da zwischen Teilnehmern und Jockeys. Es ist übrigens nicht so wichtig, zu gewinnen, wie den Lieblingsgegner verlieren zu sehen – mit allen Mitteln. Und das alles für drei Rennrunden, für 90 Sekunden Aufregung und ein Seidentuch.