Die Presse

Mit gepresstem Stroh zum ökologisch­en Haus

Auf den eigenen CO2-Fußabdruck achten und für gutes Wohnklima sorgen, lautet das Credo vieler Bauherren. Mit Stroh kommt man dem Ganzen durchaus ein gutes Stück näher. Über die Vor- und Nachteile von Strohballe­nhäusern.

- VON ANTONIE ECKHARDT

Bis jetzt gibt es nur sehr wenige Häuser, die mit einer Dämmung aus Stroh errichtet werden. Dieser Baustoff fristet (noch) ein Dornrösche­ndasein, obwohl Stroh gemeinsam mit Holz als eines der nachhaltig­sten und ökologisch­sten Materialie­n gilt. Doch welche Schritte sind notwendig, damit aus dem geernteten Ausgangsma­terial ein idealer Baustoff wird? Und welche Voraussetz­ungen braucht es dazu? Denn für ein solches Haus werden gepresste Ballen benötigt. Und Stroh ist nicht gleich Stroh.

„Es gibt dafür zwei Möglichkei­ten: Man kann das Stroh entweder direkt auf dem Feld verpressen, was aber den Nachteil hat, dass man wetterabhä­ngig ist, oder man lagert das Stroh in einer Halle – so machen wir es. Vor dem Pressen wird es noch gesiebt und der Feinstaub abgesaugt, dann nach Anforderun­g der Kunden in den Maßen 50, 80 oder 120 cm gepresst“, erklärt

Bio-Strohballe­nproduzent Reinhard Appeltauer von der Firma Sonnenklee. Was die Qualität betrifft, müsse das Stroh frei von sogenannte­m Beikraut, strohgelb und zertifizie­rt sein, weist Herbert Gruber, Obmann des Österreich­ischen Netzwerks für Strohballe­nbau (ASBN), auf die grundlegen­de Voraussetz­ung hin.

Schicht um Schicht

Für ein Haus aus lasttragen­dem Stroh brauche man wie für jedes Haus ein Fundament aus Beton oder Hohlblocks­teinen, damit es nicht mit der Bodenfeuch­tigkeit in Berührung kommt. „Man kann das Haus aber auch aufständer­n oder Streifenfu­ndamente aus Beton setzen“, erklärt Gruber. Ist das erledigt, werden „die Strohballe­n aufeinande­rgeschicht­et, mit Bambus vernagelt und mit Gurtenspan­nern komprimier­t – so lang, bis die Setzung der Ballen beendet ist. Die Gurten verbleiben dann im Bau“, erläutert Winfried Schmelz, Geschäftsf­ührer des gleichnami­gen Bauatelier­s.

Türen und Fenster werden ausgespart und mit einem „Blindrahme­n aus Holz versehen, der die Last aufnehmen muss“, weiß Appeltauer. Auf das fertige Haus wird ein Dachstuhl aus Holz gesetzt, der ebenfalls mit Stroh gedämmt wird. Damit sich keinerlei Feuchtigke­it einschleic­hen kann, wird das Gebäude innen mit Lehmputz und außen mit Kalkputz versehen, der direkt auf die Strohballe­n aufgetrage­n wird. Probleme mit der Statik gebe es erst bei mehr als drei Stockwerke­n, erklärt Appeltauer.

Warum es dann nicht mehr Häuser aus lasttragen­den Strohballe­n gibt, lässt sich mit den Vorurteile­n erklären, die in Bezug auf den Baustoff existieren. Öfters genannt werden Probleme mit Schimmel, Feuchtigke­it oder Brennbarke­it, die sogleich von den Strohbauex­perten entkräftet werden. Durch die Pressung komme es nicht zu Schimmelbi­ldung und die Innen- sowie Außenputze verhindert­en eindringen­de Feuchtigke­it. Zudem entspreche­n Strohballe­n der Brandschut­zklasse E90, das bedeutet, dass sie 90 Minuten lang einem Brand standhalte­n können.

Kein Matsch, keine Abfälle

Außerdem seien die Häuser sehr langlebig, die Strohballe­n haben eine Zertifizie­rung für mindestens 50 Jahre, halten aber durchaus länger. „Und allein die Baustelle ist ein Vergnügen: kein Dreck, kein Matsch, keine Abfälle, man riecht nur das Stroh und das Holz“, schwärmt Schmelz und hebt das gesunde Raumklima durch die bauphysika­lischen Eigenschaf­ten wie die Wärmespeic­herfähigke­it, Feuchtigke­itsregulie­rung und Schalldämm­ung hervor.

Und wie sieht es nun mit den Baukosten aus? Obwohl Stroh als natürliche­s Abfallprod­ukt der Landwirtsc­haft gilt und kostengüns­tiger sein sollte, ist eine Finanzieru­ng nicht niedriger als bei einem herkömmlic­hen Haus. „Das hängt in erster Linie damit zusammen, dass das Meiste händisch gemacht werden muss“, sagt Gruber. Ein weiteres Problem sei es, „überhaupt Firmen zu finden, die zum Beispiel Erfahrung mit Lehm- oder Kalkputz haben“, weiß Appeltauer. All die Vorteile hin, die Nachteile her – die Experten sind einig, dass Strohballe­nhäuser zwar sehr langsam, aber auch stetig an Bedeutung gewinnen werden.

 ?? [Bauatelier Schmelz] ?? Aus gepressten Ballen: Dieses zweigescho­ßige Wohnhaus mit ausgebaute­m Dachgescho­ß in Wien wurde mit Baustroh gedämmt.
[Bauatelier Schmelz] Aus gepressten Ballen: Dieses zweigescho­ßige Wohnhaus mit ausgebaute­m Dachgescho­ß in Wien wurde mit Baustroh gedämmt.

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