Können die Jungen das überhaupt?
Kommt die nächste Generation infrage, das Familienunternehmen zu führen, oder geht es in fremde Hände über?
Mehr als die Hälfte aller Unternehmen, zeigen die jüngsten Zahlen der KMU-Forschung Österreich, sind familiengeführt. 157.000 Unternehmen sind das, die rund 1,8 Millionen Menschen beschäftigen und einen Umsatz von mehr als 414 Milliarden Euro erwirtschaften. Im Jänner erhoben das Beratungsunternehmen EY und die LGT Bank Österreich, dass 60 Prozent dieser Unternehmen den Generationenwechsel und damit die Übergabe noch nicht geregelt haben.
Das mag überraschen – oder auch nicht, denn das Thema ist ein überaus emotionales. Unternehmer, die ihrem Verständnis nach die Geschäfte treuhänderisch für die Familie führen, tun sich mit den Gedanken an die Zukunft möglicherweise etwas leichter. Zu bedenken gibt es jedenfalls eine ganze Menge, wie auch Matthias Compes, Managing Partner bei Morgen Advisory Partners, sagt. Das Loslassen ist für viele Unternehmer schwierig.
Deshalb ist es eine gute Idee, eine Familienverfassung aufzusetzen – was, so die Zahlen von EY und LGT, nur in einem Fünftel der Unternehmen
passiert. 75 Prozent der befragten Unternehmen sind damit nicht vertraut. In Familienverfassungen können unter anderem Regeln darüber festgeschrieben werden, auf welchen Prinzipien Führung basieren soll und wie Anteile übergeben werden sollen.
Manche würden den Zeitpunkt gänzlich übersehen und wären dann schlicht nicht mehr in der Lage, eine neue Perspektive für sich – also für ein Leben ohne Aufgabe im Unternehmen – zu entwickeln. Was mache ich mit meinem Leben, kann also eine der schmerzlichen Fragen sein, sagt Compes, eine andere: „Können sie das überhaupt?“Gemeint sind die Kinder oder andere nachrückende Familienangehörige. Und: Wollen sie überhaupt? „Mit einem
Nein umzugehen ist nicht einfach, weil es ja um Familie geht“, sagt Compes, der CEO des Chemikalien-Distributors Brenntag für den D-A-CH-Raum war und Erfahrungen mit dem Betrieb seiner Familie sammelte. „Manche Kinder opfern sich auch, damit das Unternehmen ,in der Familie bleibt‘.“
Ganz aus der Hand geben
Eine andere Variante ist, ein familienfremdes Management zu engagieren. Dabei stellen sich andere Fragen: Was heißt das für die Kultur? Welche Kontrollmechanismen oder Aufsichtsstrukturen müssen geschaffen werden?
Zu überlegen ist auch ein Verkauf: Soll das Unternehmen auf einmal übergeben werden? Oder sollen es nur Anteile sein? Soll das schrittweise und über welchen Zeitraum erfolgen? Soll die Käuferin eine Strategin aus derselben oder einer benachbarten Branche sein oder ein Private Equity? „Diese neue Eigentumsstruktur kann für ein Familienunternehmen zumindest eine Zeit lang wie ein Bootcamp wirken“, sagt Compes.
Überhaupt sollte man sich die Käuferin gut ansehen, besonders wenn dem Verkäufer neben dem Kaufpreis beispielsweise wichtig ist, dass der oder die Standorte des Unternehmens erhalten bleiben. Compes rät dazu, mit anderen Unternehmern, die an die potenzielle Käuferin verkauft haben, auf ein Mittagessen zu gehen, um zu ergründen: Wie verhält sich die Käuferin, nachdem der Deal besiegelt ist? Das könne bei der Einschätzung gute Dienste leisten. Denn die unternehmerische Verantwortung beziehe für viele Unternehmer auch das Gemeinwesen – ein Wort, das Compes sympathischer findet als Stakeholder – ein: Was passiert bei einem Kauf rundherum, welche Auswirkungen hat er auf die Gemeinde, Zulieferer, Kunden?
Die Käuferin wiederum sollte sich darüber klar werden: Verstehe ich die Branche? Verstehe ich die Gründe, warum das betreffende Unternehmen aktuell so positioniert ist? Verstehe ich – wenn es um ein grenzüberschreitendes Engagement geht – die Kultur des Landes? Verstehe ich die Unternehmenskultur? Welche Rolle, welche Aufgabe hat der Unternehmer im Unternehmen?
Und wie laufen Entscheidungsprozesse ab?
Oder anders gesagt: Sie sollte gleich zu Beginn der Gespräche die Familie, das Unternehmen, die Branche, das Geschäft und das Geschäftsmodell, die Struktur und selbstverständlich die Verkaufsmotivation ergründen.
Und das kann für die Verkäufer durchaus schmerzlich sein. „Der Verkauf ist ein emotionaler Prozess“, sagt Compes. „Käufer stellen auch unangenehme Fragen.“Vor allem dann, wenn sie das Gefühl haben, im Unternehmen vieles verändern zu wollen oder zu müssen.
An die Kommunikation denken
Rechtzeitig sollten beide Seiten in dem Prozess, der in aller Regel sechs bis 24 Monate dauert (für die Due-Diligence-Prüfung allein ist mit sechs bis zwölf Wochen zu rechnen), die nötigen externen Prozessbegleiter und Spezialisten wie Rechtsanwalt oder Steuerberater dazuholen.
Und die Kommunikation sollte geplant sein – die interne wie externe: Was soll wann wie kommuniziert werden? Und was bedeutet der Verkauf für die Zukunft des Unternehmens?
Manche Kinder opfern sich auch, damit das Unternehmen ,in der Familie bleibt‘. Matthias Compes Managing Partner, Morgen Advisory