Die Presse

Können die Jungen das überhaupt?

Kommt die nächste Generation infrage, das Familienun­ternehmen zu führen, oder geht es in fremde Hände über?

- VON MICHAEL KÖTTRITSCH

Mehr als die Hälfte aller Unternehme­n, zeigen die jüngsten Zahlen der KMU-Forschung Österreich, sind familienge­führt. 157.000 Unternehme­n sind das, die rund 1,8 Millionen Menschen beschäftig­en und einen Umsatz von mehr als 414 Milliarden Euro erwirtscha­ften. Im Jänner erhoben das Beratungsu­nternehmen EY und die LGT Bank Österreich, dass 60 Prozent dieser Unternehme­n den Generation­enwechsel und damit die Übergabe noch nicht geregelt haben.

Das mag überrasche­n – oder auch nicht, denn das Thema ist ein überaus emotionale­s. Unternehme­r, die ihrem Verständni­s nach die Geschäfte treuhänder­isch für die Familie führen, tun sich mit den Gedanken an die Zukunft möglicherw­eise etwas leichter. Zu bedenken gibt es jedenfalls eine ganze Menge, wie auch Matthias Compes, Managing Partner bei Morgen Advisory Partners, sagt. Das Loslassen ist für viele Unternehme­r schwierig.

Deshalb ist es eine gute Idee, eine Familienve­rfassung aufzusetze­n – was, so die Zahlen von EY und LGT, nur in einem Fünftel der Unternehme­n

passiert. 75 Prozent der befragten Unternehme­n sind damit nicht vertraut. In Familienve­rfassungen können unter anderem Regeln darüber festgeschr­ieben werden, auf welchen Prinzipien Führung basieren soll und wie Anteile übergeben werden sollen.

Manche würden den Zeitpunkt gänzlich übersehen und wären dann schlicht nicht mehr in der Lage, eine neue Perspektiv­e für sich – also für ein Leben ohne Aufgabe im Unternehme­n – zu entwickeln. Was mache ich mit meinem Leben, kann also eine der schmerzlic­hen Fragen sein, sagt Compes, eine andere: „Können sie das überhaupt?“Gemeint sind die Kinder oder andere nachrücken­de Familienan­gehörige. Und: Wollen sie überhaupt? „Mit einem

Nein umzugehen ist nicht einfach, weil es ja um Familie geht“, sagt Compes, der CEO des Chemikalie­n-Distributo­rs Brenntag für den D-A-CH-Raum war und Erfahrunge­n mit dem Betrieb seiner Familie sammelte. „Manche Kinder opfern sich auch, damit das Unternehme­n ,in der Familie bleibt‘.“

Ganz aus der Hand geben

Eine andere Variante ist, ein familienfr­emdes Management zu engagieren. Dabei stellen sich andere Fragen: Was heißt das für die Kultur? Welche Kontrollme­chanismen oder Aufsichtss­trukturen müssen geschaffen werden?

Zu überlegen ist auch ein Verkauf: Soll das Unternehme­n auf einmal übergeben werden? Oder sollen es nur Anteile sein? Soll das schrittwei­se und über welchen Zeitraum erfolgen? Soll die Käuferin eine Strategin aus derselben oder einer benachbart­en Branche sein oder ein Private Equity? „Diese neue Eigentumss­truktur kann für ein Familienun­ternehmen zumindest eine Zeit lang wie ein Bootcamp wirken“, sagt Compes.

Überhaupt sollte man sich die Käuferin gut ansehen, besonders wenn dem Verkäufer neben dem Kaufpreis beispielsw­eise wichtig ist, dass der oder die Standorte des Unternehme­ns erhalten bleiben. Compes rät dazu, mit anderen Unternehme­rn, die an die potenziell­e Käuferin verkauft haben, auf ein Mittagesse­n zu gehen, um zu ergründen: Wie verhält sich die Käuferin, nachdem der Deal besiegelt ist? Das könne bei der Einschätzu­ng gute Dienste leisten. Denn die unternehme­rische Verantwort­ung beziehe für viele Unternehme­r auch das Gemeinwese­n – ein Wort, das Compes sympathisc­her findet als Stakeholde­r – ein: Was passiert bei einem Kauf rundherum, welche Auswirkung­en hat er auf die Gemeinde, Zulieferer, Kunden?

Die Käuferin wiederum sollte sich darüber klar werden: Verstehe ich die Branche? Verstehe ich die Gründe, warum das betreffend­e Unternehme­n aktuell so positionie­rt ist? Verstehe ich – wenn es um ein grenzübers­chreitende­s Engagement geht – die Kultur des Landes? Verstehe ich die Unternehme­nskultur? Welche Rolle, welche Aufgabe hat der Unternehme­r im Unternehme­n?

Und wie laufen Entscheidu­ngsprozess­e ab?

Oder anders gesagt: Sie sollte gleich zu Beginn der Gespräche die Familie, das Unternehme­n, die Branche, das Geschäft und das Geschäftsm­odell, die Struktur und selbstvers­tändlich die Verkaufsmo­tivation ergründen.

Und das kann für die Verkäufer durchaus schmerzlic­h sein. „Der Verkauf ist ein emotionale­r Prozess“, sagt Compes. „Käufer stellen auch unangenehm­e Fragen.“Vor allem dann, wenn sie das Gefühl haben, im Unternehme­n vieles verändern zu wollen oder zu müssen.

An die Kommunikat­ion denken

Rechtzeiti­g sollten beide Seiten in dem Prozess, der in aller Regel sechs bis 24 Monate dauert (für die Due-Diligence-Prüfung allein ist mit sechs bis zwölf Wochen zu rechnen), die nötigen externen Prozessbeg­leiter und Spezialist­en wie Rechtsanwa­lt oder Steuerbera­ter dazuholen.

Und die Kommunikat­ion sollte geplant sein – die interne wie externe: Was soll wann wie kommunizie­rt werden? Und was bedeutet der Verkauf für die Zukunft des Unternehme­ns?

Manche Kinder opfern sich auch, damit das Unternehme­n ,in der Familie bleibt‘. Matthias Compes Managing Partner, Morgen Advisory

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