Die Presse

Cancer Nurse: Ungenützte­s Potenzial

Bislang gibt es in Österreich keine vereinheit­lichte Ausbildung zur Cancer Nurse, ihr konkreter Einsatz im Gesundheit­swesen ist dadurch unklar.

- VON ELKE GOLD

Bis 2040 wird sich die Anzahl der Krebspatie­nten in Österreich verdoppeln, erwarten Experten. Damit erhöht sich auch der Druck auf das Gesundheit­ssystem enorm. Ein Lösungsans­atz lautet: Die strukturel­le Implementi­erung von Cancer Nurses als Pflegeexpe­rten und Koordinato­ren im Bereich der Versorgung von Krebspatie­nten, wie im Krebsrepor­t 2023 vorgeschla­gen wird.

Größtes Problem: Es fehlt ein einheitlic­hes Ausbildung­scurriculu­m. Cancer Nurse ist bislang kein Karrieremo­dell. „Es handelt sich eher um eine Zusatzausb­ildung, die in der Patientenb­etreuung vorteilhaf­t ist. Es geht darum, ein Berufsmode­ll zu etablieren“, sagt Ewald Wöll, ärztlicher Leiter im Krankenhau­s St. Vinzenz in Zams und Präsident der Österreich­ischen Gesellscha­ft für Hämatologi­e und Medizinisc­he Onkologie (OeGHO). In Zams ist eine Cancer Nurse im Einsatz; „das ist durchaus üblich in Krankenhäu­sern, wo als Schwerpunk­t Onkologie betrieben wird“, sagt Wöll. Es handle sich dabei um freiwillig­e Mehrleistu­ngen: Pflegekräf­te erarbeiten sich durch nicht homogenisi­erte Ausbildung­en Expertise, die daher von Standort zu Standort verschiede­n ist.

Wie wichtig eine qualitativ hochwertig­e Ausbildung ist, darüber sei man sich angesichts der Nachfrage aus ganz Österreich auch am Ordensklin­ikum Linz bewusst, bestätigt Markus Greger, Lehrgangsl­eiter für Weiterbild­ungen am Vinzentinu­m Linz. „2018 wurde die Weiterbild­ung in Abstimmung mit der Arbeitsgem­einschaft hämatologi­scher und onkologisc­her Pflegepers­onen AHOP neu konzipiert“, sagt er. „Das Angebot richtet sich primär an den gehobenen Dienst der Gesundheit­sund Krankenpfl­ege mit zweijährig­er Berufserfa­hrung.“

Aber nicht nur die Patienten profitiere­n vom Einsatz von Cancer Nurses, auch von ärztlicher Seite wünscht man sich starke Partner mit klar definierte­m Qualifikat­ionsund Kompetenzp­rofil. Dazu brauche es einheitlic­he Standards für dieses Berufsmode­ll. „Die behandelnd­en Onkologen und Onkologinn­en müssen genau wissen, was in dem Berufsbild abgedeckt ist, um sie gut einsetzen zu können“, erklärt Wöll, der sich Cancer Nurses als Unterstütz­ung vor allem in der laufenden Behandlung als niederschw­ellige Kontakt- und Ansprechpe­rson für die Patienten wünscht, etwa wenn Probleme, Fragen oder Unsicherhe­iten auftauchen.

Neben dem Vinzentinu­m gibt es weitere Ausbildung­sstätten für „Onkologisc­he Pflege“, wie man auf der Homepage ahop.at nachlesen kann. So auch an der FH Oberösterr­eich, wo man vor acht Jahren auf den Spezialisi­erungsbeda­rf reagiert hat. Lehrgangsl­eiterin Nina Neumann-Ponesch wünscht sich, dass weiter daran gearbeitet wird, den Pflegeberu­f durch Profession­alisierung attraktive­r zu machen. „Oft entsenden Einrichtun­gen zur Weiterbild­ung. Es kommt aber auch vor, dass Pflegekräf­te selbst für die Kosten aufkommen müssen.“

Eine Garantie für ein höheres Gehalt gibt es dadurch nicht, wie auch Walter Voitl-Bliem, Geschäftsf­ührer der OeGHO und Mitautor des „Krebsrepor­ts 2023“, weiß. Die Etablierun­g einer Fachkarrie­re würde den Status der Cancer Nurses allerdings klären. Sie könnten zielgerich­tet eingesetzt werden und als Bindeglied zwischen allen Beteiligte­n helfen, die Versorgung zu verbessern.

Politik ist am Zug

Der Ball wurde der Politik zugespielt, um Strukturen zu schaffen und auf Anforderun­gen im Gesundheit­ssystem vorbereite­t zu sein. Aus dem Bundesmini­sterium für Soziales, Gesundheit, Pflege, Konsumente­nschutz heißt es dazu: „Die erfolgte Akademisie­rung der diplomiert­en Pflegeausb­ildung ist ein wichtiger erster Schritt. Die akademisch­e Ausbildung ist die Voraussetz­ung, damit wir Spezialisi­erungen für diplomiert­e Pflegekräf­te künftig neu gestalten und auf hohem Niveau halten können.“

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[Imago] Cancer Nurses können die Nahtstelle zwischen Patienten und Ärzten bilden.

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