Die Presse

Salzburg: Auch unangekünd­igte Revolution­en finden selten statt

Kay Michael Dankl hat das Amt des Salzburger Bürgermeis­ters letztlich doch recht klar verfehlt. Für Österreich­s Politik gibt es dennoch einiges zu lernen.

- VON FLORIAN ASAMER E-Mails an: florian.asamer@diepresse.com

Die Stadt Salzburg wird nach einer sechsjähri­gen ÖVP-Unterbrech­ung nun wieder von einem sozialdemo­kratischen Bürgermeis­ter regiert. Und doch nicht zum ersten Mal von einem Kommuniste­n mit dem Zusatz Plus. Also ist wieder die SPÖ in der Stadt an der Salzach am Ruder, wie all die restlichen Jahre seit der Jahrtausen­dwende. Der Spekulatio­nsskandal der Stadt Salzburg, den Langzeitbü­rgermeiste­r Heinz Schaden zu verantwort­en hatte und der seine SPÖ auch in den Jahren danach den Job im Schloss Mirabell gekostet hat, ist also von den Wählerinne­n und Wählern abgehakt.

Die Erleichter­ung war Spitzenkan­didat Bernhard Auinger in einer ersten Reaktion anzumerken. Persönlich (es war ja nicht sein erster Anlauf), aber auch für seine Partei. Eine Niederlage in der Stichwahl gegen einen Kandidaten aus dem linken Spektrum wäre in einer Phase, in der just soziale Themen (Inflation, Wohnungsno­t) dominieren, ein ziemlich beunruhige­ndes Vorzeichen für die SPÖ angesichts der im Herbst anstehende­n Nationalra­tswahl.

Auch unangekünd­igte Revolution­en finden also nicht statt, könnte man nun nach der doch recht deutlichen Stichwahln­iederlage von Kay-Michael Dankl und seinen Pluskommun­isten sagen. Und einen Strich unter die Aufregung zwischen Pferdeschw­emme und Mozartplat­z machen. Doch damit machte man es sich definitiv zu einfach. Die Kommuniste­n werden wohl ein lokales Phänomen bleiben, doch der politische Trend ist unübersehb­ar. Auf den Stimmzette­ln werden immer öfter lieber jene angekreuzt, die aus dem politische­n Einheitsbr­ei herausstec­hen. Sei es aufgrund ihres Programms oder sei es auch aufgrund ihrer Persönlich­keit.

Und hier muss man dem Kandidaten Dankl, ohne dass man auch nur das geringste Verständni­s für sein Antreten im Jahr 2024 unter dem Label KPÖ haben muss, auch ein Kompliment machen. Sein Auftreten war in vielerlei Hinsicht eine wohltuende Abwechslun­g. Was der etablierte­n Politik doch zu denken geben sollte, die oft zwischen langweilig­en Stehsätzen und aggressive­r Wadelbeiss­erei wenig Sinn für ein Dazwischen findet. Und das, obwohl gerade alle gerne die Mitte (was immer das auch sein mag) für sich reklamiere­n.

Doch der Erfolg Dankls ist auch ein Zeichen für die Lust am Tabubruch beim Wählen. Keine Liste ist zu originell, keine Position zu abwegig, kein historisch­er Konnex zu bedenklich, als dass dafür nicht genügend Proteststi­mmen zusammenko­mmen würden. In dieser Hinsicht hat die KPÖ plus das Neue mit dem Uralten lustvoll und ziemlich unverfrore­n kombiniert.

Und ja, Politik muss auf die Sorgen und Nöte der Menschen eingehen, natürlich. Allerdings kann das nicht bedeuten, dass sich Menschen in politische­n Ämtern buchstäbli­ch um jeden Einzefall bemühen sollen und diesen womöglich noch mit persönlich­en Spenden abmildern. Das ist etwa auf Bundeseben­e schon rein rechnerisc­h nicht mehr möglich, soviel verdient kein Bundeskanz­ler und keine Ministerin. Die Kunst des politische­n Handwerks liegt ja gerade darin, aus den individuel­len Problemen allgemeing­ültige Lösungen zu destillier­en. Und so, wenn schon nicht allen, so zumindest so vielen wie möglich zu helfen.

Das wird den politische­n Akteuren offenbar immer weniger zugetraut, obwohl die großzügige­n Hilfen in der Pandemie, Energiekri­se und Inflations­hausse ohnehin beinahe jeden Haushalt fanden. Die Umfragen für den Herbst lassen vermuten, dass die Regierende­n dafür keinen Dank in Form einer Wiederwahl erwarten können. Vielleicht lohnt es sich ja doch, mit mutigen Konzepten in den Wahlkampf zu gehen, die kontrovers sind, nicht sofort zu verstehen sind, nicht von vorneherei­n Mehrheiten verspreche­n, die dafür aber vielleicht gute Lösungen für komplexe Probleme bieten.

Mehr als verlieren kann man nicht. Allerdings sind die Wählerinne­n und Wähler dieser Tage gerne für Überraschu­ngen gut. Vielleicht zieht ja jemand diese Lehre aus der Salzburger Wahl. Es ist noch ein ganzes halbes Jahr bis zur Nationalra­tswahl im Herbst.

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