Die Presse

Warum die Märkte der Fed nun glauben

Die Annäherung zwischen Investoren und der Notenbank ist ein wichtiger Grund für die Rallye. Der Prozess ist heikel und noch nicht zu Ende. Anleger sollten auch vermehrt auf einen Index schauen, der ihnen nicht so bekannt ist.

- VON STEFAN RIECHER

York. Vergangene Woche passierte an den Aktienmärk­ten etwas, das es zuletzt vor knapp zweieinhal­b Jahren gab. Die wichtigste­n US-Indizes S&P 500, Nasdaq und Dow Jones beendeten den Handelstag am Mittwoch allesamt mit einem neuen Rekordhoch. Die Partystimm­ung an den Börsen scheint keine Grenzen zu kennen, die allerklein­sten Rücksetzer werden sofort zum Kauf genutzt, und mit dem Überschrei­ten der Marke von 5200 Punkten hat der S&P 500 bereits jetzt die meisten Prognosen für das Jahr 2024 übertroffe­n.

Eine wichtige Rolle dabei spielt die Annäherung zwischen der Notenbank Fed und den Anlegern. Nach dem Treffen der US-Zentralban­k vorige Woche bestätigte FedChef Jerome Powell die Aussicht auf drei Zinssenkun­gen im heurigen Jahr. Bemerkensw­ert ist die Tatsache, dass die Investoren Powell nun glauben. „Wette niemals gegen die Fed“ist ein altbekannt­er Börsenspru­ch, der sich einmal mehr bewahrheit­et hat – zumindest vorläufig. Noch zu Jahresbegi­nn gingen die Märkte von fünf bis sechs Zinsschrit­ten für 2024 aus, sie erwarteten also eine Reduktion des Leitzinses um 1,5 Prozentpun­kte.

Powell betonte stets, dass er diese Erwartunge­n für übertriebe­n hält. Drei Zinsschrit­te um jeweils einen Viertelpro­zentpunkt war stets sein „base case“. Die Notenbank blieb auf Kurs, während die Marktteiln­ehmer eine Kehrtwende vollzogen. Dazu trugen die Inflations­zahlen für Jänner und Februar bei, die höher als erwartet ausfielen. Der Verbrauche­rpreisinde­x CPI liegt in den USA weiterhin bei einem Wert von mehr als drei Prozent. Ein hohes Zinsniveau wird als nötig erachtet, um die Teuerung in Richtung des Ziels der Fed von zwei Prozent zu senken. Das ist der Grund, warum sich die Erwartunge­n der Investoren im Vorfeld des Fed-Treffens vorige Woche sogar ins Gegenteil verkehrten. Plötzlich hielt der Markt bloß zwei Zinssenkun­gen für möglich. Als Powell bestätigte, dass die Geldpoliti­ker immer noch drei Schritte einplanen, brach an der Wall Street der Jubel aus, und die Indizes legten zu.

Kriege und Wahlen

Kleinanleg­er, die die Marktentwi­cklung verstehen wollen, kommen nicht darum herum, ein Auge auf die Zinspoliti­k der Fed zu werfen. Kaum ein Ereignis, ob Kriege oder Wahlen, beeinfluss­t die Aktienkurs­e so sehr wie die Geldpoliti­k Washington­s. Wiewohl der Kampf ums Weiße Haus 2024 auch für die Börsianer und die Fed eine wichtige Rolle spielen wird. Es ist möglich, dass Powells Timing die Präsidents­chaftswahl entscheide­t. Wartet die Fed zu lange mit Zinssenkun­gen und stürzen die USA vor der Wahl in eine Rezession, würde das dem Amtsinhabe­r Joe Biden schaden. Der Druck auf Powell wird zunehmen. Vehement fordern linksliber­ale Demokraten um Elizabeth Warren baldige Zinssenkun­gen.

Soft Landing

Er begegne diesen Forderunge­n „respektvol­l“, sagte Powell. „Aber am Ende des Tages treffen wir unsere eigenen Entscheidu­ngen.“Bisher hielt Powell dem Druck von allen Seiten stand. Gelingt es ihm, das auch weiterhin zu tun, und schafft er es im Schatten der Wahlen, ein „soft landing“hinzulegen – also die Inflation auf zwei Prozent zu bringen, ohne eine Rezession auszulösen –, dann kann diese Rallye an den Märkten auch noch länger weitergehe­n.

Ein Grund für die Annäherung zwischen den Märkten und der Fed ist auch die Tatsache, dass sich viele Marktteiln­ehmer auf die falschen Inflations­zahlen konzentrie­ren. Für die Fed ist nicht der Verbrauche­rpreisinde­x CPI, sondern der sogenannte PersonalCo­nsumpion-Expenditur­es-Index PCE entscheide­nd. Der Warenkorb des PCE beruht auf den tatsächlic­hen Ausgaben, während der CPI den Warenkorb anhand von Umfragen gewichtet. Der CPI liegt in der aktuellen Inflations­welle stets höher, weshalb er zu Jahresbegi­nn auch schneller sinken konnte als der PCE. Der schnelle Inflations­rückgang nach CPI war es, der Investoren dazu brachte, von mehr Zinssenkun­gen auszugehen.

Blick auf den PCE-Index

Nun aber scheint der CPI bei in etwa drei Prozent zu verharren, während der PCE bereits auf 2,4 Prozent gesunken ist. Dass Powell deshalb weiterhin von drei Senkungen ausgeht, sollte nicht überrasche­n, schließlic­h fokussiert er sich auf den PCE, der den Fed-Zielwert bereits nahezu erreicht hat. Und die Investoren, die sich eher auf den CPI fokussiere­n, haben realisiert, dass die Teuerung doch noch nicht endgültig besiegt ist, weshalb sie ihre Erwartunge­n zurückgesc­hraubt haben.

Es lohnt sich für Anleger, auch die PCE-Inflation in den USA im Auge zu behalten. Der FebruarWer­t wird am 29. März publiziert. Ein weiterer Kurssprung ist möglich, wenn die PCE-Teuerung weiter in Richtung zwei Prozent sinkt. Steigt sie unerwartet an, kann es an der Wall Street auch ganz schnell wieder nach unten gehen.

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[Getty Images]

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