Die Presse

„Der Aktienmark­t ist kein Casino, die Bank gewinnt nicht immer“

Fondsmanag­er Thomas Schüßler über Trump als Marktrisik­o – und welche Sektoren jetzt am meisten Erträge bringen.

- VON SUSANNE BICKEL

Die Presse: Der Bayer-Konzern hat zuletzt seine Dividende drastisch gekürzt. Haben Sie schon festgestel­lt, dass auch andere Unternehme­n versuchen, Ausschüttu­ngen zurückzuha­lten?

Thomas Schüßler: Nein, die Gewinnentw­icklung der Firmen ist derzeit ziemlich gut. Und damit sind die Dividenden in der Breite nicht kürzungsge­fährdet. Es gibt einzelne, firmenspez­ifische Fälle. Firmen, die schon länger Probleme haben und irgendwann die Dividende kürzen. In der Breite steigen die Dividenden mit dem Gewinn.

Haben geopolitis­che Risiken, die im Moment vorherrsch­en, keinen Einfluss auf Ausschüttu­ngen?

Das sind Risiken, die bisher zum Glück nicht materialis­iert sind und sich deshalb bei den Firmen nicht niederschl­agen. Im Augenblick sind das nur latente Risiken. Sie sind natürlich materiell, keine Frage, aber beeinfluss­en nicht die Gewinnsitu­ation der meisten Firmen.

Haben Sie die Strategie bei Ihrem Fonds angepasst?

Nein, denn politische Börsen haben immer sehr kurze Beine, wie das Sprichwort so sagt. Und man reagiert nur in Extremsitu­ationen auf solche Themen. Und dann auch nur, wenn man sieht, dass zum Beispiel die Positionie­rung mit einem zu hohen Risiko einhergeht.

Ist der chinesisch­e Markt so ein hohes Risiko?

Wenn Sie beispielsw­eise 20 Prozent China im Fonds hätten, würde ich mir überlegen, ob das strukturel­l nicht ein zu großes Risiko ist. Aber sonst sehe ich keinen Grund, in meiner Allokation etwas zu ändern.

Abseits von China steht auch die US-Wahl an. Was bedeutet eine Wiederwahl von Trump?

Es wird mit China auf jeden Fall schwierige­r, egal, wer die Wahl in den USA gewinnt. Das ist so ziemlich der einzige Punkt, in dem sich die Amerikaner einig sind, egal, ob es Biden oder Trump wird. Trump ist von der Rhetorik her schneller, aber seine militärisc­he Bereitscha­ft zu intervenie­ren ist es nicht. Es macht einen großen Unterschie­d, wie man Themen anspricht. Und Trump ist dafür bekannt, dass er sehr überrasche­nd agiert.

Trump reagiert aber auch unberechen­bar bezüglich einzelner Firmen. Siehe Apple während seiner letzten Amtszeit.

Ja, das war schon in der ersten Amtszeit so. Würde er noch einmal gewählt werden, könnte man sich besser darauf einstellen, dann wäre das Überraschu­ngselement nicht mehr so groß. Und er hat ein Faible für Diktatoren. Er ist offensicht­lich ein großer Fan von Putin, und er kommt auch mit einem chinesisch­en Diktator einigermaß­en zurecht. Ich sehe da nicht unbedingt die Riesenkonf­likte.

Die Wahl hätte also keinen Einfluss auf die Kapitalmär­kte.

Nicht, was China angeht. Natürlich hat die Wahl potenziell Einfluss auf die Kapitalmär­kte. Für Europa könnte sich mehr ändern als für China.

Und ein Austritt aus der Nato unter Trump?

Wenn Trump aus der Nato austritt, dann ist das nicht gut für die europäisch­en Kapitalmär­kte, oder? Dann erwarte ich, dass sich hier eine deutlich höhere Risikopräm­ie herausbild­et. Zumindest wäre das zu befürchten. Und die ist jetzt nicht im Kurs eingepreis­t.

Passen Sie Ihre Strategie an solche Eventualit­äten an?

Nein, ich verzichte nicht deswegen

auf amerikanis­che Aktien. Das ist ein latentes Risiko, nur ich will das nicht als Basisfall ansetzen. Aber es ist natürlich ein Risikofall.

Eine Option wäre, weniger in Europa zu investiere­n.

Da muss man sich klar sein, was daraus folgt. Es muss dort auch Alternativ­en geben. Das ist gar nicht so einfach, und das ist eigentlich nicht die Art, wie ich Fonds manage. Also geopolitis­che Überlegung­en spielen bei mir eine untergeord­nete Rolle. Man reagiert nur auf Extremausr­eißer. Europa ist sehr billig, die Kapitalmär­kte sind nicht teuer. Amerika ist dafür in Teilen sehr, sehr teuer. Also es gibt auch andere Gründe, die dem wieder entgegenst­ehen.

Aus welchen Gründen lehnen Sie Investitio­nen ab?

Unser Fonds ist thematisch getrieben. Das Thema sind Dividenden, die Hälfte der Erträge soll aus Dividenden­zahlungen stammen. Das heißt, ich brauche Firmen, die im Regelfall mindestens drei, vier Prozent Dividende ausschütte­n. Die müssen wir erst einmal finden. Das heißt, wenn eine Firma keine Dividende bezahlt, habe ich sie nicht. Mit niedrigen Dividenden tun wir uns auch sehr schwer.

Viele Technologi­eaktien haben niedrige Dividenden.

Deshalb habe ich nicht viel Technologi­ewerte. Firmen, die Dividenden kürzen, will ich auch nicht haben, sondern Firmen, deren Dividenden über die Zeit mit den Gewinnen wachsen. Auf dem Kapitalmar­kt gibt es im Moment nur einen kleinen Teil, der so denkt.

Und wie definieren Sie Ihre Anleger?

Der Fonds ist über die Zeit ziemlich groß geworden. Die Kernanlege­rschaft sind Privatkund­en, die mit dem Fonds nicht unbedingt reich werden, aber die kapitalerh­altend investiere­n wollen. Zusätzlich dazu gibt es noch eine relativ hohe Ausschüttu­ng.

Wie viel wird ausgeschüt­tet?

Wir schütten jedes Jahr so um die drei Prozent aus. Unsere Anleger wollen keine Achterbahn­fahrt, sondern eine ruhige Wertentwic­klung. Das Verlustris­iko soll niedrig sein, keine starken Rückschläg­e, eher eine ruhige Wertentwic­klung. Unsere Anleger wollen auch in schlechter­en Börsenphas­en gut schlafen können.

Werden Anleger angesichts der Höchststän­de grundsätzl­ich risikofreu­diger?

Im Augenblick wird ein Teil der Anleger wieder risikofreu­diger. Das ist immer so, wenn Märkte steigen. Das bringt dem Aktienmark­t aber wenig. Wenn der Markt um 20 Prozent fällt, fühlen sich viele Investoren schlecht, werden vorsichtig. Wenn der Markt um 20 Prozent steigt, fühlen sich Investoren wiederum sehr gut, sie werden risikobrei­ter. Obwohl der Markt viel höher steht und das oft nicht der richtige Zeitpunkt für den Einstieg ist.

Und sie bleiben trotzdem lang investiert?

Auf dem Aktienmark­t ist es grundsätzl­ich gut, längerfris­tig zu investiere­n, also Aktien zu kaufen und zu halten. Mindestens fünf Jahre. Je länger man Aktien hält, desto weniger riskant sind sie. Aber da muss man eben durch dick und dünn.

In Österreich gibt es nur wenig Aktienbesi­tzer: Laut der letzten Erhebung sind es nur 14 Prozent.

In Deutschlan­d ist die Zahl auch gering, es sind wohl 15 bis 20 Prozent. Das ist aber ungerechtf­ertigt wenig, denn Aktien sind auf lange Frist die beste Anlagemögl­ichkeit. Das zeigen sämtliche Studien, selbst wenn die Papiere zwischendu­rch verlieren. Der Fonds, den ich manage, ist sozusagen ein Einstiegsp­rodukt. Wer sich mit dem Risiko von Aktien schwertut, bekommt dadurch eine risikoredu­zierte Möglichkei­t, auf dem Aktienmark­t zu investiere­n. Auf eine Anlage in Aktien komplett zu verzichten ist falsch. Auch wenn die Märkte jetzt hoch stehen.

Haben sich Anleger zuletzt verändert? Auch weil sie wegen der langen Nullzinsph­ase verunsiche­rt waren?

Anleger haben in den vergangene­n Jahren vor allem auf Wachstumst­itel gesetzt, nicht auf dividenden­trächtige Aktien. In den vergangene­n fünf, sechs Jahren wurde vor allem in große Techaktien investiert. Da gab es mehr Rendite.

Wir haben schon darüber gesprochen, dass im D-A-CH-Raum nur wenige investiert sind. Wie macht man den Kapitalmar­kt attraktive­r?

Die Wahrnehmun­g in Bezug auf die Finanzmärk­te ist falsch. Der Aktienmark­t ist kein Casino, die Bank gewinnt nicht immer. Am Aktienmark­t teilzunehm­en bedeutet, auch Anteil an einer produktive­n Volkswirts­chaft zu haben. Und das ist vielen Menschen leider nicht bewusst. Das Risikovers­tändnis der meisten Menschen entspricht nicht der Realität.

Welcher Sektor ist im Moment am ertragreic­hsten?

Es ist im Moment unklar, wie es weitergeht. Deshalb ist es wichtig, dass man diversifiz­iert investiert. Die Technologi­ewerte haben noch immer einen starken Rückenwind, sind aber auch relativ teuer. Auch in anderen, niedriger bewerteten Sektoren gibt es gute Titel, zum Beispiel Banken und Versicheru­ngen. Und Industriet­itel sind auch eine gute Alternativ­e zu Technologi­ewerten.

Und in Bezug auf Dividenden?

Hohe Dividenden, die relativ sicher sind, gibt es im Finanzsekt­or. Versicheru­ngen und Banken zahlen sehr hohe Dividenden aus, weltweit. Teilweise schütten auch Ölfirmen hohe Dividenden aus. Und Versorgera­ktien zahlen viel, wachsen aber langsam. Es gibt auch im Pharma-Sektor interessan­te Titel, die sind nicht konjunktur­abhängig. Man kann sich aus unterschie­dlichen Sektoren ein breites Portfolio zusammenst­ellen. Dabei muss man immer abwägen: Setze ich mehr auf Kursgewinn­e oder auf Dividenden.

Wie kommt man dabei gegen die Schwergewi­chte, die glorreiche­n sieben, an?

Irgendwann stellt der Markt fest, dass es keine Monopole sind. Beispiel Tesla: Vor einem oder zwei Jahren hatte das Unternehme­n fast eine Monopolste­llung, da gab es kaum ernsthafte Konkurrenz. Mittlerwei­le hat sich herausgest­ellt, dass das nicht stimmt, und Tesla sieht nun nur noch aus wie ein normaler Elektroaut­oherstelle­r.

Sie sind also verwundbar.

Sie sind verwundbar, die Monopolste­llung ist nicht fix. Heuer fallen einige von den großen Titeln, wenn man genau hinschaut. Aber andere steigen auch wieder.

 ?? [Akos Burg] ?? Seit 2005 managt Thomas Schüßler den größten europäisch­en Dividenden­fonds, DWS Top Dividende.
[Akos Burg] Seit 2005 managt Thomas Schüßler den größten europäisch­en Dividenden­fonds, DWS Top Dividende.

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