„Der Aktienmarkt ist kein Casino, die Bank gewinnt nicht immer“
Fondsmanager Thomas Schüßler über Trump als Marktrisiko – und welche Sektoren jetzt am meisten Erträge bringen.
Die Presse: Der Bayer-Konzern hat zuletzt seine Dividende drastisch gekürzt. Haben Sie schon festgestellt, dass auch andere Unternehmen versuchen, Ausschüttungen zurückzuhalten?
Thomas Schüßler: Nein, die Gewinnentwicklung der Firmen ist derzeit ziemlich gut. Und damit sind die Dividenden in der Breite nicht kürzungsgefährdet. Es gibt einzelne, firmenspezifische Fälle. Firmen, die schon länger Probleme haben und irgendwann die Dividende kürzen. In der Breite steigen die Dividenden mit dem Gewinn.
Haben geopolitische Risiken, die im Moment vorherrschen, keinen Einfluss auf Ausschüttungen?
Das sind Risiken, die bisher zum Glück nicht materialisiert sind und sich deshalb bei den Firmen nicht niederschlagen. Im Augenblick sind das nur latente Risiken. Sie sind natürlich materiell, keine Frage, aber beeinflussen nicht die Gewinnsituation der meisten Firmen.
Haben Sie die Strategie bei Ihrem Fonds angepasst?
Nein, denn politische Börsen haben immer sehr kurze Beine, wie das Sprichwort so sagt. Und man reagiert nur in Extremsituationen auf solche Themen. Und dann auch nur, wenn man sieht, dass zum Beispiel die Positionierung mit einem zu hohen Risiko einhergeht.
Ist der chinesische Markt so ein hohes Risiko?
Wenn Sie beispielsweise 20 Prozent China im Fonds hätten, würde ich mir überlegen, ob das strukturell nicht ein zu großes Risiko ist. Aber sonst sehe ich keinen Grund, in meiner Allokation etwas zu ändern.
Abseits von China steht auch die US-Wahl an. Was bedeutet eine Wiederwahl von Trump?
Es wird mit China auf jeden Fall schwieriger, egal, wer die Wahl in den USA gewinnt. Das ist so ziemlich der einzige Punkt, in dem sich die Amerikaner einig sind, egal, ob es Biden oder Trump wird. Trump ist von der Rhetorik her schneller, aber seine militärische Bereitschaft zu intervenieren ist es nicht. Es macht einen großen Unterschied, wie man Themen anspricht. Und Trump ist dafür bekannt, dass er sehr überraschend agiert.
Trump reagiert aber auch unberechenbar bezüglich einzelner Firmen. Siehe Apple während seiner letzten Amtszeit.
Ja, das war schon in der ersten Amtszeit so. Würde er noch einmal gewählt werden, könnte man sich besser darauf einstellen, dann wäre das Überraschungselement nicht mehr so groß. Und er hat ein Faible für Diktatoren. Er ist offensichtlich ein großer Fan von Putin, und er kommt auch mit einem chinesischen Diktator einigermaßen zurecht. Ich sehe da nicht unbedingt die Riesenkonflikte.
Die Wahl hätte also keinen Einfluss auf die Kapitalmärkte.
Nicht, was China angeht. Natürlich hat die Wahl potenziell Einfluss auf die Kapitalmärkte. Für Europa könnte sich mehr ändern als für China.
Und ein Austritt aus der Nato unter Trump?
Wenn Trump aus der Nato austritt, dann ist das nicht gut für die europäischen Kapitalmärkte, oder? Dann erwarte ich, dass sich hier eine deutlich höhere Risikoprämie herausbildet. Zumindest wäre das zu befürchten. Und die ist jetzt nicht im Kurs eingepreist.
Passen Sie Ihre Strategie an solche Eventualitäten an?
Nein, ich verzichte nicht deswegen
auf amerikanische Aktien. Das ist ein latentes Risiko, nur ich will das nicht als Basisfall ansetzen. Aber es ist natürlich ein Risikofall.
Eine Option wäre, weniger in Europa zu investieren.
Da muss man sich klar sein, was daraus folgt. Es muss dort auch Alternativen geben. Das ist gar nicht so einfach, und das ist eigentlich nicht die Art, wie ich Fonds manage. Also geopolitische Überlegungen spielen bei mir eine untergeordnete Rolle. Man reagiert nur auf Extremausreißer. Europa ist sehr billig, die Kapitalmärkte sind nicht teuer. Amerika ist dafür in Teilen sehr, sehr teuer. Also es gibt auch andere Gründe, die dem wieder entgegenstehen.
Aus welchen Gründen lehnen Sie Investitionen ab?
Unser Fonds ist thematisch getrieben. Das Thema sind Dividenden, die Hälfte der Erträge soll aus Dividendenzahlungen stammen. Das heißt, ich brauche Firmen, die im Regelfall mindestens drei, vier Prozent Dividende ausschütten. Die müssen wir erst einmal finden. Das heißt, wenn eine Firma keine Dividende bezahlt, habe ich sie nicht. Mit niedrigen Dividenden tun wir uns auch sehr schwer.
Viele Technologieaktien haben niedrige Dividenden.
Deshalb habe ich nicht viel Technologiewerte. Firmen, die Dividenden kürzen, will ich auch nicht haben, sondern Firmen, deren Dividenden über die Zeit mit den Gewinnen wachsen. Auf dem Kapitalmarkt gibt es im Moment nur einen kleinen Teil, der so denkt.
Und wie definieren Sie Ihre Anleger?
Der Fonds ist über die Zeit ziemlich groß geworden. Die Kernanlegerschaft sind Privatkunden, die mit dem Fonds nicht unbedingt reich werden, aber die kapitalerhaltend investieren wollen. Zusätzlich dazu gibt es noch eine relativ hohe Ausschüttung.
Wie viel wird ausgeschüttet?
Wir schütten jedes Jahr so um die drei Prozent aus. Unsere Anleger wollen keine Achterbahnfahrt, sondern eine ruhige Wertentwicklung. Das Verlustrisiko soll niedrig sein, keine starken Rückschläge, eher eine ruhige Wertentwicklung. Unsere Anleger wollen auch in schlechteren Börsenphasen gut schlafen können.
Werden Anleger angesichts der Höchststände grundsätzlich risikofreudiger?
Im Augenblick wird ein Teil der Anleger wieder risikofreudiger. Das ist immer so, wenn Märkte steigen. Das bringt dem Aktienmarkt aber wenig. Wenn der Markt um 20 Prozent fällt, fühlen sich viele Investoren schlecht, werden vorsichtig. Wenn der Markt um 20 Prozent steigt, fühlen sich Investoren wiederum sehr gut, sie werden risikobreiter. Obwohl der Markt viel höher steht und das oft nicht der richtige Zeitpunkt für den Einstieg ist.
Und sie bleiben trotzdem lang investiert?
Auf dem Aktienmarkt ist es grundsätzlich gut, längerfristig zu investieren, also Aktien zu kaufen und zu halten. Mindestens fünf Jahre. Je länger man Aktien hält, desto weniger riskant sind sie. Aber da muss man eben durch dick und dünn.
In Österreich gibt es nur wenig Aktienbesitzer: Laut der letzten Erhebung sind es nur 14 Prozent.
In Deutschland ist die Zahl auch gering, es sind wohl 15 bis 20 Prozent. Das ist aber ungerechtfertigt wenig, denn Aktien sind auf lange Frist die beste Anlagemöglichkeit. Das zeigen sämtliche Studien, selbst wenn die Papiere zwischendurch verlieren. Der Fonds, den ich manage, ist sozusagen ein Einstiegsprodukt. Wer sich mit dem Risiko von Aktien schwertut, bekommt dadurch eine risikoreduzierte Möglichkeit, auf dem Aktienmarkt zu investieren. Auf eine Anlage in Aktien komplett zu verzichten ist falsch. Auch wenn die Märkte jetzt hoch stehen.
Haben sich Anleger zuletzt verändert? Auch weil sie wegen der langen Nullzinsphase verunsichert waren?
Anleger haben in den vergangenen Jahren vor allem auf Wachstumstitel gesetzt, nicht auf dividendenträchtige Aktien. In den vergangenen fünf, sechs Jahren wurde vor allem in große Techaktien investiert. Da gab es mehr Rendite.
Wir haben schon darüber gesprochen, dass im D-A-CH-Raum nur wenige investiert sind. Wie macht man den Kapitalmarkt attraktiver?
Die Wahrnehmung in Bezug auf die Finanzmärkte ist falsch. Der Aktienmarkt ist kein Casino, die Bank gewinnt nicht immer. Am Aktienmarkt teilzunehmen bedeutet, auch Anteil an einer produktiven Volkswirtschaft zu haben. Und das ist vielen Menschen leider nicht bewusst. Das Risikoverständnis der meisten Menschen entspricht nicht der Realität.
Welcher Sektor ist im Moment am ertragreichsten?
Es ist im Moment unklar, wie es weitergeht. Deshalb ist es wichtig, dass man diversifiziert investiert. Die Technologiewerte haben noch immer einen starken Rückenwind, sind aber auch relativ teuer. Auch in anderen, niedriger bewerteten Sektoren gibt es gute Titel, zum Beispiel Banken und Versicherungen. Und Industrietitel sind auch eine gute Alternative zu Technologiewerten.
Und in Bezug auf Dividenden?
Hohe Dividenden, die relativ sicher sind, gibt es im Finanzsektor. Versicherungen und Banken zahlen sehr hohe Dividenden aus, weltweit. Teilweise schütten auch Ölfirmen hohe Dividenden aus. Und Versorgeraktien zahlen viel, wachsen aber langsam. Es gibt auch im Pharma-Sektor interessante Titel, die sind nicht konjunkturabhängig. Man kann sich aus unterschiedlichen Sektoren ein breites Portfolio zusammenstellen. Dabei muss man immer abwägen: Setze ich mehr auf Kursgewinne oder auf Dividenden.
Wie kommt man dabei gegen die Schwergewichte, die glorreichen sieben, an?
Irgendwann stellt der Markt fest, dass es keine Monopole sind. Beispiel Tesla: Vor einem oder zwei Jahren hatte das Unternehmen fast eine Monopolstellung, da gab es kaum ernsthafte Konkurrenz. Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass das nicht stimmt, und Tesla sieht nun nur noch aus wie ein normaler Elektroautohersteller.
Sie sind also verwundbar.
Sie sind verwundbar, die Monopolstellung ist nicht fix. Heuer fallen einige von den großen Titeln, wenn man genau hinschaut. Aber andere steigen auch wieder.