Gerichtlicher Boxenstopp
Ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs könnte die Welt der Verkaufsautomaten grundlegend verändern. Wenn nicht der Verwaltungsgerichtshof das Gesetz weiter auslegt.
Für Automaten gilt das Öffnungszeitengesetz nicht. Gemäß § 51 Abs. 1 Gewerbeordnung (GewO) ist das Aufstellen eines Automaten der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde vorab anzuzeigen. Genau das hat der Betreiber der sogenannten Ackerboxen 2019 getan. Er hat der Bezirkshauptmannschaft Spital an der Drau die Aufstellung seiner ersten „Ackerbox“, eines umgebauten Schiffscontainers als begehbaren Selbstbedienungsautomaten für regionale Produkte des täglichen Bedarfs, angezeigt und diesen und in der Folge weitere solcher Container betrieben.
Nach einer anonymen Anzeige eines Handelsbetriebs änderte die BH ihre Meinung und sprach im August 2021 eine Verwaltungsstrafe wegen Übertretung des Öffnungszeitengesetzes aus, da zwei Ackerboxen auch samstags und sonntags benutzbar waren. Das Landesverwaltungsgericht Kärnten wies im Mai 2022 eine Beschwerde dagegen ab, da der Container nicht unter den Automatenbegriff des Öffnungszeitengesetzes falle. Das Gericht verwies auf die Gesetzesmaterialen, wonach Automatentankstellen ebenfalls keine Automaten seien. Dass das Öffnungszeitengesetz auf Tankstellen auch nicht anzuwenden ist, schien das Gericht nicht weiter zu beschäftigen.
„Denkmöglich“richtig
Der Geschäftsführer der Ackerboxen beschwerte sich beim Verfassungsgerichtshof. Dieser führte aus, dass keines der drei angeführten verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte (nämlich Freiheit der Erwerbstätigkeit, Gleichheitsgrundsatz, Freiheit der Erwerbsausübung) verletzt sei (E 1604/ 2022-13, „Die Presse“hat berichtet). Um das zu begründen, brauchte der VfGH lediglich eine gute Seite Text. Zentrale Aussage: Es sei „zumindest denkmöglich“, dass das LVwG mit seiner Automateneinschätzung Recht haben könnte.
Normalerweise wäre damit die Sache entschieden. In diesem Fall hat der Beschwerdeführer jedoch noch die Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof beantragt. Es liegt jetzt also am VwGH, zu prüfen, ob nicht zumindest sonstige Rechte verletzt wurden. Würde die restriktive Argumentation des LVwG Bestand haben, hätte dies massive Auswirkungen auf die gesamte Automatenlandschaft Österreichs.
Begehbarer Automat
Gemäß der „zumindest denkmöglichen“Automateninterpretation der Klagenfurter Verwaltungsrichter habe der Gesetzgeber bei Automaten nach § 2 Ziffer 1 ÖffnungszeitenG an Apparate wie Zigarettenund Kaugummiautomaten gedacht. Diese müssten von den Kunden zudem vollständig selbstständig bedient werden. Eine Art begehbaren Automaten wie die Ackerbox hätte der historische Gesetzgeber einfach nicht im Sinn gehabt. Deshalb seien die Ackerboxen eher etwas wie Verkaufscontainer im Selbstbedienungsbetrieb. Wer solch ein enges mechanischtechnisches Verständnis von Automaten hat, spricht wohl jeder Art von modernen Selbstbedienungsautomaten die eigentliche Automateneigenschaft ab – und somit das Recht, rund um die Uhr benutzbar zu sein.
Die Regierungsvorlage zu § 52 GewO bezieht sich in ihren Erläuterungen zum Automatenrecht übrigens nicht auf etwaige mechanische oder technische Notwendigkeiten. Daneben ist es dem Gesetzgeber auch egal, ob die Auswahl der Ware vor dem Zahlen oder danach erfolgt. Vergleicht man etwa die Schritte bei neueren Zigarettenautomaten, so ist zuerst eine Altersüberprüfung mittels Bankomatkarte durchzuführen. Anschließend wählt man das Produkt, und dann wird mittels Bankkarte oder Bargeld bezahlt. Ähnlich läuft es in den beanstandeten Ackerboxen ab: Zuerst erhält man mittels Bankomatkarte Zutritt, dann wählt man das Produkt, zahlt am Terminal und verlässt den Container.
Samstags keine Zigaretten?
Warum das eine ein Automat ist und das andere nicht, ist nicht nachvollziehbar. Es bleibt daher zu hoffen, dass zumindest der VwGH diese Gleichheit für „denkmöglich“hält. Sonst dürfte wohl auch ein Großteil der Automaten im öffentlichen Raum – Zigaretten-, Foto-, Getränke-, Essens- oder Handyzubehörautomaten – nur noch an Montagen bis Freitagen von 6 bis 21 Uhr und an Samstagen von 6 bis 18 Uhr im Gesamtausmaß von 72 Stunden betrieben werden. Ob das dann politisch noch „denkmöglich“ist, wäre wohl zu bezweifeln.