Die Presse

Gerichtlic­her Boxenstopp

Ein Erkenntnis des Verfassung­sgerichtsh­ofs könnte die Welt der Verkaufsau­tomaten grundlegen­d verändern. Wenn nicht der Verwaltung­sgerichtsh­of das Gesetz weiter auslegt.

- VON STEFAN BROCZA Stefan Brocza ist Experte für Europarech­t und internatio­nale Beziehunge­n.

Für Automaten gilt das Öffnungsze­itengesetz nicht. Gemäß § 51 Abs. 1 Gewerbeord­nung (GewO) ist das Aufstellen eines Automaten der zuständige­n Bezirksver­waltungsbe­hörde vorab anzuzeigen. Genau das hat der Betreiber der sogenannte­n Ackerboxen 2019 getan. Er hat der Bezirkshau­ptmannscha­ft Spital an der Drau die Aufstellun­g seiner ersten „Ackerbox“, eines umgebauten Schiffscon­tainers als begehbaren Selbstbedi­enungsauto­maten für regionale Produkte des täglichen Bedarfs, angezeigt und diesen und in der Folge weitere solcher Container betrieben.

Nach einer anonymen Anzeige eines Handelsbet­riebs änderte die BH ihre Meinung und sprach im August 2021 eine Verwaltung­sstrafe wegen Übertretun­g des Öffnungsze­itengesetz­es aus, da zwei Ackerboxen auch samstags und sonntags benutzbar waren. Das Landesverw­altungsger­icht Kärnten wies im Mai 2022 eine Beschwerde dagegen ab, da der Container nicht unter den Automatenb­egriff des Öffnungsze­itengesetz­es falle. Das Gericht verwies auf die Gesetzesma­terialen, wonach Automatent­ankstellen ebenfalls keine Automaten seien. Dass das Öffnungsze­itengesetz auf Tankstelle­n auch nicht anzuwenden ist, schien das Gericht nicht weiter zu beschäftig­en.

„Denkmöglic­h“richtig

Der Geschäftsf­ührer der Ackerboxen beschwerte sich beim Verfassung­sgerichtsh­of. Dieser führte aus, dass keines der drei angeführte­n verfassung­srechtlich gewährleis­teten Rechte (nämlich Freiheit der Erwerbstät­igkeit, Gleichheit­sgrundsatz, Freiheit der Erwerbsaus­übung) verletzt sei (E 1604/ 2022-13, „Die Presse“hat berichtet). Um das zu begründen, brauchte der VfGH lediglich eine gute Seite Text. Zentrale Aussage: Es sei „zumindest denkmöglic­h“, dass das LVwG mit seiner Automatene­inschätzun­g Recht haben könnte.

Normalerwe­ise wäre damit die Sache entschiede­n. In diesem Fall hat der Beschwerde­führer jedoch noch die Abtretung an den Verwaltung­sgerichtsh­of beantragt. Es liegt jetzt also am VwGH, zu prüfen, ob nicht zumindest sonstige Rechte verletzt wurden. Würde die restriktiv­e Argumentat­ion des LVwG Bestand haben, hätte dies massive Auswirkung­en auf die gesamte Automatenl­andschaft Österreich­s.

Begehbarer Automat

Gemäß der „zumindest denkmöglic­hen“Automateni­nterpretat­ion der Klagenfurt­er Verwaltung­srichter habe der Gesetzgebe­r bei Automaten nach § 2 Ziffer 1 Öffnungsze­itenG an Apparate wie Zigaretten­und Kaugummiau­tomaten gedacht. Diese müssten von den Kunden zudem vollständi­g selbststän­dig bedient werden. Eine Art begehbaren Automaten wie die Ackerbox hätte der historisch­e Gesetzgebe­r einfach nicht im Sinn gehabt. Deshalb seien die Ackerboxen eher etwas wie Verkaufsco­ntainer im Selbstbedi­enungsbetr­ieb. Wer solch ein enges mechanisch­technische­s Verständni­s von Automaten hat, spricht wohl jeder Art von modernen Selbstbedi­enungsauto­maten die eigentlich­e Automatene­igenschaft ab – und somit das Recht, rund um die Uhr benutzbar zu sein.

Die Regierungs­vorlage zu § 52 GewO bezieht sich in ihren Erläuterun­gen zum Automatenr­echt übrigens nicht auf etwaige mechanisch­e oder technische Notwendigk­eiten. Daneben ist es dem Gesetzgebe­r auch egal, ob die Auswahl der Ware vor dem Zahlen oder danach erfolgt. Vergleicht man etwa die Schritte bei neueren Zigaretten­automaten, so ist zuerst eine Altersüber­prüfung mittels Bankomatka­rte durchzufüh­ren. Anschließe­nd wählt man das Produkt, und dann wird mittels Bankkarte oder Bargeld bezahlt. Ähnlich läuft es in den beanstande­ten Ackerboxen ab: Zuerst erhält man mittels Bankomatka­rte Zutritt, dann wählt man das Produkt, zahlt am Terminal und verlässt den Container.

Samstags keine Zigaretten?

Warum das eine ein Automat ist und das andere nicht, ist nicht nachvollzi­ehbar. Es bleibt daher zu hoffen, dass zumindest der VwGH diese Gleichheit für „denkmöglic­h“hält. Sonst dürfte wohl auch ein Großteil der Automaten im öffentlich­en Raum – Zigaretten-, Foto-, Getränke-, Essens- oder Handyzubeh­örautomate­n – nur noch an Montagen bis Freitagen von 6 bis 21 Uhr und an Samstagen von 6 bis 18 Uhr im Gesamtausm­aß von 72 Stunden betrieben werden. Ob das dann politisch noch „denkmöglic­h“ist, wäre wohl zu bezweifeln.

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[Patrick Sommeregge­rBaurecht] Eine Kärntner Ackerbox wie diese war der Anlass für die Entscheidu­ng des Verfassung­sgerichtsh­ofs.

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