Die Presse

VfGH ortet Willkür: Polizei darf nicht zur Abschrecku­ng DNA-Probe ziehen

Landesverw­altungsger­icht Vorarlberg ließ erkennungs­dienstlich­e Maßnahmen ohne ausreichen­de Prüfung auf Gesetzmäßi­gkeit durchgehen.

- VON BENEDIKT KOMMENDA

Es war zwar Winter, aber bildlich gesprochen war die Atmosphäre aufgeheizt: Anlässlich einer Demonstrat­ion in der Vorarlberg­er Landeshaup­tstadt Bregenz gerieten eine Frau und die Polizei aneinander. Während ein Strafverfa­hren wegen versuchten Widerstand­s gegen die Staatsgewa­lt noch anhängig ist, hat der Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) zur Frage der „erkennungs­dienstlich­en Behandlung“der Frau ein Machtwort gesprochen: Er ortet Willkür, geübt allerdings nicht direkt von der Polizei, sondern vom Landesverw­altungsger­icht, indem es eine Beschwerde der Frau dagegen abwies.

Die Frau war zufällig an den Rand einer Demonstrat­ion gekommen: Sie wollte über einen Kreisverke­hr nach Hause fahren, wurde aber von Polizisten daran gehindert; nachdem ein Uniformier­ter ihr bedeutet hatte, sie könne ihre Fahrt wie geplant fortsetzen, hießen andere sie umdrehen, damit sie mit dem Auto nicht in den Demonstrat­ionszug kam. Dass sie sich der Anordnung zuerst widersetzt­e und auf einen Polizisten zufuhr, trug ihr das Strafverfa­hren ein.

Abstrich strenger geregelt

Anlässlich der Beschuldig­tenvernehm­ung wurden nicht nur Fotos von ihr gemacht, sondern ihr auch die Fingerabdr­ücke abgenommen und ein Mundhöhlen­abstrich durchgefüh­rt – alles gegen ihren Willen, weil sie sich schuldlos fühlte. Was dabei übersehen wurde: Für die DNA-Probe gelten strengere Voraussetz­ungen.

Sie darf nur gemacht werden, wenn der Verdacht einer mit mindestens einem Jahr Haft bedrohten Straftat besteht (dieses Kriterium war erfüllt) und wenn nach Art der Tat oder der Persönlich­keit des Betroffene­n zu befürchten ist, er werde gefährlich­e Angriffe begehen und dabei Spuren hinterlass­en, die seine Wiedererke­nnung anhand der genetische­n Daten ermögliche­n würden. Beim versuchten Anfahren eines Polizisten, dessen die Frau verdächtig­t werde, seien freilich unmöglich DNA-Spuren am Fahrzeug zu sichern, merkt dazu Robert Haupt, der Anwalt der Frau, spitz an. Das Verwaltung­sgericht hielt sich aber gar nicht mit einer Prüfung auf, ob die Behörde die erforderli­che Abwägung vorgenomme­n hatte. Sondern meinte nur, die „zu erwartende Präventivw­irkung vermag die bekämpfte Maßnahme zu rechtferti­gen“.

Das ist für den VfGH zu wenig. Da sich aus der Entscheidu­ng des Gerichts nicht ergebe, dass der Mundhöhlen­abstrich den gesetzlich­en Voraussetz­ungen entsprach, sei sie mit „Willkür“belastet, die Betroffene daher in ihrem Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt (E 3481/2022). In diesem Punkt hob der VfGH die Entscheidu­ng auf. Davon abgesehen trat er die Beschwerde an den Verwaltung­sgerichtsh­of ab.

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