Die Presse

Die Schweiz will die Hamas verbieten, streitet aber um Details

- VON DUYGU ÖZKAN

Mit dem angekündig­ten Hamas-Verbot betritt die Schweiz politische­s und rechtliche­s Neuland. Auch wenn sich Bern einig zeigt über das Verbot selbst, gibt es offenbar Differenze­n bei der Auslegung. Kritiker fürchten um die mögliche Vermittler­rolle des neutralen Landes.

Die politische Landschaft war sich einig. Nur wenige Tage nach dem Massaker der radikalisl­amischen Hamas am 7. Oktober kündigte Bern die Prüfung eines möglichen Hamas-Verbotes an – der Vorstoß war ein Novum. Denn normalerwe­ise schlägt die Schweiz diesen Weg nur ein, wenn entspreche­nde Verbote und Sanktionen der Vereinten Nationen vorliegen, auf die das Land verweisen kann. Das ist die geltende Rechtslage und sie betrifft bisher zwei Terrororga­nisationen: den sogenannte­n Islamische­n Staat und al-Qaida. Die Verbote sind fünf Jahre lang gültig und werden nach Prüfung verlängert.

Mit der Hamas betreten Parlament und Regierung politische­s und rechtliche­s Neuland. Wurden jedoch nach dem 7. Oktober nach außen Einigkeit und Entschloss­enheit vermittelt, waren diese intern nicht gegeben. Wie die „NZZ am Sonntag“berichtet, hat der Bundesrat die erste Gesetzesvo­rlage abgeschwäc­ht, auf Betreiben des Verteidigu­ngsdeparte­ments unter Viola Amherd. Ursprüngli­ch sah die Version des Bundesamte­s für Polizei, Fedpol, vor, dass das Verbot sowohl die Hamas samt Nebenorgan­isationen als auch ihr ideologisc­h nahestehen­de Organisati­onen betreffen solle. Das Verteidigu­ngsdeparte­ment verlangte die Streichung der erweiterte­n Definition. Denn dadurch könnten auch Organisati­onen wie die libanesisc­he Hisbollah unter das Verbotsges­etz fallen. Darüber hinaus gab es offenbar Bedenken, dass Länder wie die Türkei ein Verbot der kurdischen PKK begehren könnten.

„Sollte das Gesetz in dieser Form angenommen werden, würde sich die Schweiz klar als israelfreu­ndlich und iranfeindl­ich positionie­ren“, zitiert die „NZZ“das Verteidigu­ngsdeparte­ment aus den entspreche­nden Unterlagen; zudem wird vor humanitäre­n und diplomatis­chen Konsequenz­en gewarnt. Das Departemen­t stützt sich auf Experten, etwa des Nachrichte­ndienstes.

Zusätzlich­es Instrument für Bundesrat

Auf Druck des Departemen­ts wurden die entspreche­nden Formulieru­ngen schließlic­h gestrichen. Im aktuellen Entwurf soll die Hamas samt Nebenorgan­isationen verboten werden (ebenfalls mit einer fünfjährig­en Frist), doch der Bundesrat soll eine Art zusätzlich­es Instrument erhalten. Er kann Organisati­onen verbieten, ohne vorherige Abstimmung im Parlament. Ob das Gesetz nun so kommt, und nach welchen Kriterien der Bundesrat selbst aktiv werden kann, ist offen, denn die Prüfung dauert noch an.

Die Abschwächu­ng des Fedpol-Entwurfes haben Parteien wie die FDP und SVP stark kritisiert – die nationalko­nservative SVP verlangt schon seit Längerem ein Verbot der radikalisl­amischen Organisati­on. Kritik, und zwar allgemein am Verbot selbst, kommt hingegen von Hilfsorgan­isationen und Diplomaten. Die neutrale Schweiz verspiele damit eine mögliche Rolle als Friedensve­rmittler in Nahost, heißt es etwa. „Die Rolle als Vermittler­in im Sinne eines Friedenspr­ozesses war nie gegeben“, konterte hingegen schon vergangene­n Oktober Außenminis­ter Ignazio Cassis (FDP) auf entspreche­nde Anfragen. Zur Hamas bestünden ohnehin keine Gesprächsk­anäle.

Mit dem Hamas-Verbot stellt sich für die Schweizer Öffentlich­keit auch die Frage, wie und ob die Terrororga­nisation ihre Finanzen über die Alpenrepub­lik abwickelt. Dem Nachrichte­ndienst sind offenbar keine derartigen Aktivitäte­n bekannt, doch Justizmini­ster Beat Jans von den Sozialdemo­kraten wies bei der Pressekonf­erenz zum Hamas-Verbot explizit auf die Terrorismu­sfinanzier­ung hin. Mit dem Verbot müssten Banken jegliche Dienstleis­tung mit Hamas-Bezug zwingend melden – heute erfolgt eine Meldung nur, wenn ein Verdacht besteht. Das Ermessen liegt bei der Bank. Mit dem Verbot könne die Schweiz auch rascher und gezielter Einreiseve­rbote von gefährlich­en Personen durchsetze­n, so Jans weiter. Vereinfach­t würden auch die Strafverfa­hren.

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