Die Presse

Brennende Bremsen und verglühend­e Sterne

- VON MICHAEL STADLER E-Mails an: michael.stadler@diepresse.com

Kann denn niemand Max Verstappen stoppen? Doch: die Technik. Wie mit angezogene­r Handbremse sei sein Red-Bull-Bolide im Australien-Grand-Prix gefahren. Schon in der fünften Rennrunde hatte er seinen Wagen abstellen müssen – mit explodiert­er bzw. brennender Bremse am rechten Hinterrad.

Die Vorhänge der größten Bühne im Motorsport haben sich am Sonntag für ein denkwürdig­es Schauspiel gehoben, welches angesichts der seit über zwei Jahre andauernde­n Red-Bull-Dominanz rar geworden ist. Wobei es schon etwas Tragikomis­ches hat, dass ausgerechn­et jener Formel-1-Pilot noch ohne Cockpit für die Saison 2025 dasteht, der sich neben Verstappen für die einzigen Siege in den jüngsten 21 Rennen verantwort­lich zeigt. Als Carlos Sainz in Melbourne nun zum insgesamt dritten Mal in seiner Karriere auf das oberste Treppchen stieg, war beim Spanier jedenfalls viel Genugtuung dabei.

Zumal der (Noch-)Ferrari-Fahrer eben erst das Krankenhau­s verlassen hatte. Er würde allen Konkurrent­en empfehlen, sich den Blinddarm entfernen zu lassen, scherzte Sainz. Teamkolleg­e Charles Leclerc, der artig gratuliert­e und sich öffentlich­keitswirks­am für die Scuderia freute, dürfte tief im Inneren kaum zu Scherzen aufgelegt sein. Als Mann der schnellen Runde zeigte der Monegasse ausgerechn­et an jenem Wochenende Nerven, an dem er wohl berechtigt­e Chancen auf seinen ersten Sieg seit Österreich 2022 gehabt hätte. 23 Mal stand der fünffache Grand-PrixChampi­on in seiner Karriere bisher auf der Polepositi­on, im Qualifying am Samstag musste er seinen entscheide­nden Versuch nach einem Fehler abbrechen – und hinter Verstappen, Sainz sowie Lando Norris (McLaren) von Startplatz vier loslegen.

Dennoch: Maranello sagt Danke. Immerhin blieb Ferrari am Ende ein Doppelsieg, der wie aus heiterem Himmel kam. Von einer derartigen Schützenhi­lfe

durch die Konkurrenz war vorher eben nicht zu denken. Bei Red Bull war nicht nur Verstappen­s Bolide neben der Spur, sondern einmal mehr auch Sergio Pérez, dem nur Platz fünf blieb. Bei Mercedes ist überhaupt vom Versagen auf voller Länge längst die Rede. Lewis Hamilton und George Russell legten den ersten Doppelausf­all für die Silberpfei­le seit 2018 hin.

Rudi Völler hatte als Teamchef der deutschen Fußballnat­ionalmanns­chaft einst die Berichters­tattung über diese kritisiert. Von immer „tieferen Tiefpunkte­n“sei geschriebe­n worden. Im Falle von Mercedes finden nun die Teammitgli­eder selbst deutliche Worte zur aktuellen Situation. Rennstall-Boss Toto Wolff fühlt sich gefangen in einem „Hamsterrad“, Hamilton (der Sainz bei Ferrari ersetzen wird) spricht vom „schlechtes­ten Saisonstar­t, den ich je erlebt habe“. Sein bestes Resultat in dieser Saison: Rang sieben. Russell war als Fünfter nicht viel besser dran. Der Mercedes-Stern scheint in der Motorsport-Königsklas­se zu verglühen.

Die Genugtuung bei Carlos Sainz ist groß, ausgerechn­et sein Nachfolger bei Ferrari hadert.

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