Brennende Bremsen und verglühende Sterne
Kann denn niemand Max Verstappen stoppen? Doch: die Technik. Wie mit angezogener Handbremse sei sein Red-Bull-Bolide im Australien-Grand-Prix gefahren. Schon in der fünften Rennrunde hatte er seinen Wagen abstellen müssen – mit explodierter bzw. brennender Bremse am rechten Hinterrad.
Die Vorhänge der größten Bühne im Motorsport haben sich am Sonntag für ein denkwürdiges Schauspiel gehoben, welches angesichts der seit über zwei Jahre andauernden Red-Bull-Dominanz rar geworden ist. Wobei es schon etwas Tragikomisches hat, dass ausgerechnet jener Formel-1-Pilot noch ohne Cockpit für die Saison 2025 dasteht, der sich neben Verstappen für die einzigen Siege in den jüngsten 21 Rennen verantwortlich zeigt. Als Carlos Sainz in Melbourne nun zum insgesamt dritten Mal in seiner Karriere auf das oberste Treppchen stieg, war beim Spanier jedenfalls viel Genugtuung dabei.
Zumal der (Noch-)Ferrari-Fahrer eben erst das Krankenhaus verlassen hatte. Er würde allen Konkurrenten empfehlen, sich den Blinddarm entfernen zu lassen, scherzte Sainz. Teamkollege Charles Leclerc, der artig gratulierte und sich öffentlichkeitswirksam für die Scuderia freute, dürfte tief im Inneren kaum zu Scherzen aufgelegt sein. Als Mann der schnellen Runde zeigte der Monegasse ausgerechnet an jenem Wochenende Nerven, an dem er wohl berechtigte Chancen auf seinen ersten Sieg seit Österreich 2022 gehabt hätte. 23 Mal stand der fünffache Grand-PrixChampion in seiner Karriere bisher auf der Poleposition, im Qualifying am Samstag musste er seinen entscheidenden Versuch nach einem Fehler abbrechen – und hinter Verstappen, Sainz sowie Lando Norris (McLaren) von Startplatz vier loslegen.
Dennoch: Maranello sagt Danke. Immerhin blieb Ferrari am Ende ein Doppelsieg, der wie aus heiterem Himmel kam. Von einer derartigen Schützenhilfe
durch die Konkurrenz war vorher eben nicht zu denken. Bei Red Bull war nicht nur Verstappens Bolide neben der Spur, sondern einmal mehr auch Sergio Pérez, dem nur Platz fünf blieb. Bei Mercedes ist überhaupt vom Versagen auf voller Länge längst die Rede. Lewis Hamilton und George Russell legten den ersten Doppelausfall für die Silberpfeile seit 2018 hin.
Rudi Völler hatte als Teamchef der deutschen Fußballnationalmannschaft einst die Berichterstattung über diese kritisiert. Von immer „tieferen Tiefpunkten“sei geschrieben worden. Im Falle von Mercedes finden nun die Teammitglieder selbst deutliche Worte zur aktuellen Situation. Rennstall-Boss Toto Wolff fühlt sich gefangen in einem „Hamsterrad“, Hamilton (der Sainz bei Ferrari ersetzen wird) spricht vom „schlechtesten Saisonstart, den ich je erlebt habe“. Sein bestes Resultat in dieser Saison: Rang sieben. Russell war als Fünfter nicht viel besser dran. Der Mercedes-Stern scheint in der Motorsport-Königsklasse zu verglühen.
Die Genugtuung bei Carlos Sainz ist groß, ausgerechnet sein Nachfolger bei Ferrari hadert.