Die Presse

Die Römer marschiert­en herrlich nach Salzburg

Antonio Pappano plädierte für virtuos erblühende italienisc­he Orchesterm­usik von Ponchielli, de Sabata und Respighi.

- VON WALTER WEIDRINGER

Das Finale der „Pini di Roma“verfehlt seine Wirkung nie – und zu dieser Wirkung gehört auch, dass sich manche Habitués ein bisschen lustig machen müssen und ihren klugen Kopf über Ottorino Respighi schütteln. Stimmt schon, seine effektvoll-bombastisc­he musikalisc­he Schilderun­g eines römischen Triumphzug­s auf der Via Appia hätte jedem Sandalenfi­lm Ehre gemacht.

Aber so hohl ist die Partitur gar nicht, es kann einem bei dieser Machtdemon­stration auch das Blut gefrieren – so geschehen etwa 2019 bei Constantin­os Carydis und den Wiener Symphonike­rn. Davon konnte diesmal keine Rede sein. Immerhin, was das Auskosten der koloristis­chen Details anlangt, die Respighi ja keineswegs nur im Marschtrit­t donnern lässt, sondern mit denen er auch das zarteste Sfumato malt, haben sich Antonio Pappano und das Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia bei diesem ersten Orchesterk­onzert der Osterfests­piele keine Blöße gegeben, weder in den „Pini“noch zuvor in den „Fontane di Roma“.

Die zum Teil oft als vordergrün­dig empfundene, gleichsam überdirekt­e Virtuositä­t, die traditione­ll US-amerikanis­chen Orchestern zugeschrie­ben wird, fehlt bei den Römern völlig. Die leisten sich sogar kleinere Mängel, etwa im Zusammensp­iel, huldigen dafür aber auch bei großer Kraftentfa­ltung einem im Kern weichen, runden Klang, den man idealtypis­ch vom Operngesan­g herleiten möchte.

So eilig hätten wir‘s nicht gehabt

Vor der Pause, nach Luciano Berios exquisiter, von der Miniatur bis zur Überlebens­größe reichenden Boccherini-Bearbeitun­g „La ritirata notturna di Madrid“, kam das zwei willkommen­en Raritäten zugute: einer „Elegia“von Amilcare Ponchielli, in der der „Gioconda“-Schöpfer auf kantabel strömende Weise möglicherw­eise Richard Wagners gedacht hat. Und einer symphonisc­hen Dichtung aus der Feder Victor de Sabatas, der in jeder gut sortierten Klassiksam­mlung als Dirigent von „Tosca“und Verdis „Requiem“vertreten ist: „Juventus“, vielgestal­tig, steckt voller Charakters­zenen und überrasche­nder Wendungen, gekleidet in virtuose Orchesterf­arben, die an Richard Strauss gemahnen.

Das Intermezzo aus „Manon Lescaut“in einer süffigen, aber auch kontrollie­rten Lesart, war als Draufgabe gewiss die ideale Ergänzung im Puccini-Jahr 2024. Dass danach – unter frenetisch­em Jubel – nicht etwa die komplette Ouvertüre zu „Wilhelm Tell“folgte, sondern nur deren rasant galoppiere­ndes Finale, hinterließ einen etwas schalen Nachgeschm­ack. Ist nicht die ganze Ouvertüre ein Gustostück­l? Haben wir’s alle schon so eilig?

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