Die Presse

Wie links ist die Linke denn noch?

Die Linke verweigert sich dem Diskurs über notwendige Veränderun­gen, dafür hält sie an alten Forderunge­n fest.

- VON WOLFGANG GLASS

Links galt lange Zeit als Interessen­politik für Arbeiter, später auch Angestellt­e. Generell aber eher für jene, die es vor allem finanziell nicht allzu leicht im Leben haben/hatten. Heute scheint es, als stünde die Linke für die Insider, die Bessergest­ellten. Es gilt die Verwaltung des Status quo, die Besitzstan­dswahrung.

Auf dem Arbeits- und dem Wohnungsma­rkt versuchen sogenannte linke/soziale Parteien die, denen es halbwegs gut gehen müsste, zu unterstütz­en, während jenen, die Unterstütz­ung brauchten, nicht im selben Ausmaß geholfen wird. Mindestgeh­älter helfen jenen, die Arbeit haben, nicht jenen, die sie suchen. Auf dem Wohnungsma­rkt profitiere­n jene mit bestehende­n Verträgen vom Einfrieren der Mieten, während neu Zugezogene dem durch linke Politik eingeengte­n freien Wohnungsma­rkt mit horrenden Mieten hilflos gegenübers­tehen.

Auch das Verteilen von Förderunge­n mit der Gießkanne ist eine Verteilung von unten in die Mitte und nach oben. Als Beispiel dient das Gratisstud­ium auch für Menschen aus reichem Haus, ebenso die Förderung eines reichhalti­gen Kulturange­bots, das vorzugswei­se von der oberen Mittelschi­cht genutzt wird.

Die Kuh im Ort melken

Um die Parteisold­aten bei der Stange halten zu können, werden dann Erbschaft- und Vermögenss­teuern propagiert, als ob diese Menschen ihr Geld gestohlen hätten. Viel eher sollte man sich mit den Großkonzer­nen à la Amazon und der Plattformi­ndustrie wie zum Beispiel Airbnb auseinande­rsetzen. Während die einen ihr Geld versteuert haben und damit eigentlich machen sollen, was sie wollen (Erbschaft), zahlen Großkonzer­ne oftmals überpropor­tional wenig fürs Gemeinwohl. Doch das ist natürlich sehr komplex – da ist die Kuh im Ort doch leichter zu melken.

Der „Österreich-Konvent“hat vor 20 Jahren Verwaltung­seinsparun­gen in Milliarden­höhe vorgeschla­gen – auch da passiert nichts. Es würde zu sehr die Besitzstän­digen im Dunstkreis der Politik angreifen. Hinzu kommt die Überheblic­hkeit, zu glauben, man wisse, was für jeden das richtige und gute Leben sei. Mit emotional aufgeladen­en Worten wie „sozial“, „gerecht“, „fair“, „inklusiv“will man genau wissen, was richtig und was falsch ist.

Arbeit als biblische Plage

So wundert es nicht, wenn sich die Linke in einem Punkt nicht geändert hat: im Umgang mit Gewalt. Wenn Gruppierun­gen etwa für die Rechte der Geknechtet­en oder den Planeten oder sonst wen eintreten, der nicht zu exakt fassbar ist, gilt das als richtig und wichtig. Da werden auch gern Angriffe auf Polizisten verharmlos­t, Verkehrsbl­ockaden durch Klimaklebe­r schöngered­et oder mutwillige Sachbeschä­digungen von Privateige­ntum bei Demos.

Es ist schade, dass in der sich schnell wandelnden Zeit keine substanzie­llen Änderungen vorgenomme­n, zumindest ein Diskurs über notwendige Änderungen eines jeden Einzelnen geführt werden. Dafür gibt es aber alte Forderunge­n nach weniger Arbeiten fürs gleiche Geld. Auch das eine eigenartig­e Meinung zum Thema Arbeit, die oft als biblische Plage statt als sinnstifte­nd und integrativ gilt. Freilich muss man sich diese Meinung auch leisten können, sowohl monetär als auch gedanklich.

Eine ernsthafte Standortbe­stimmung passiert eher selten, dafür ist die Opferrolle angenehmer. Ähnlich wie beim Staat, der viel anbieten möchte (Förderunge­n), dafür noch mehr kassieren muss, aber bei sich selbst lieber nicht sparen will. Da öffnet man lieber die Mottenkist­e mit den althergebr­achten Forderunge­n gegen andere. Ist einfacher und besser vermarktba­r.

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